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Mitunter hatten Gegendemonstranten bei der Kundgebung des Potsdamer Pegida-Ablegers Pogida am Mittwochabend einfallsreiche Ideen.

© Andreas Klaer

Bilanz der vierten Pogida-Demo in Potsdam: Mit allen Mitteln friedlich

Der massive Polizei-Einsatz bei der Pogida-Demo am Schlaatz ließ Gewalttätern kaum Chancen. Der Protest verlief sich im Neubaugebiet. Es gibt aber auch leise Kritik am Polizei-Konzept.

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Potsdam – Auf vielen Straßen im Stadtteil am Schlaatz waren am Mittwochabend kleine Gruppen von Menschen unterwegs. Sie liefen schnellen Schrittes von einer Straße in die nächste. Doch ein Durchkommen gab es kaum. Die Polizei, genau 1032 Beamte, hatte den Aufmarsch von knapp 120 Anhängern des Potsdamer Pegida-Ablegers Pogida streng abgeschirmt. Schweres Gerät wie Wasserwerfer und Räumpanzer wurden aufgefahren. Ein Polizeihubschrauber kreiste über dem Schlaatz. Acht Einsatzhundertschaften aus Brandenburg, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern waren unterwegs. Bei den vorherigen sogenannten „Abendspaziergängen“ von Pogida in der Potsdamer Innenstadt war ein breiter bürgerlicher Protest sichtbar – am Schlaatz verlief er sich zwischen den Neubaublöcken.

So stellte Polizeiführer Michael Scharf spät am Abend auch fest, dass es gelungen sei, „durch einen taktisch klugen Einsatz aller Kräfte Gewalttätigkeiten der autonomen Szene im Wesentlichen zu unterbinden“.

Sperrungen im Wohngebiet - nur mit Ausweis passierbar

Vera Krellmann, die mit anderen ein kleines Open-air-Protestkonzert weit abseits der Wegstrecke von Pogida organisiert hatte, sagte, mit Beginn der rechten Demo hätten sich die Menschen im Stadtteil verteilt. Vorher seien etwa 200 beim Konzert gewesen. Der gesamte Stadtteil sei abgesperrt gewesen, sagte eine Anwohnerin. Mit dem Auto sei man ab 17 Uhr nicht mehr rein gekommen. Fußgänger hätten nur mit einem Ausweis passieren dürfen. Erst gegen 21 Uhr seien die Sperrungen abgebaut worden.

Schon vorab hatte die FDP-Politikerin Jaqueline Krüger, die zum Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ gehört, die Initiative ergriffen. Am Nachmittag hatte sie gemeinsam mit etwa 15 Mitstreitern unzählige Luftballons auf der Pogida-Wegstrecke aufgehängt. Krüger zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Gegendemo. Es sei ein gutes Zeichen, dass trotz des schlechten Wetters so viele an den Gegendemonstrationen teilgenommen hätten. Beigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) nannte es am Donnerstag einen großen Erfolg, dass die Demo gewaltlos geblieben sei. Die Stadt übte aber auch leise Kritik am Polizeikonzept. Sollte es notwendig sein, werde das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ auch in der kommenden Woche wieder zu einer Kundgebung für Weltoffenheit und Toleranz aufrufen, so eine Pressemitteilung. Dann solle „in Hör- und Sichtweite des Aufmarsches der Rechten“ der Protest zum Ausdruck kommen. Das Bündnis „bedauerte, dass dies am Mittwoch nur eingeschränkt der Fall war“.

Mehr Anwohner beteiligten sich an der Pogida-Demo

Die Strategie von Pogida-Anmelder Christian Müller dagegen ging beim vierten Aufmarsch der fremdenfeindlichen Demonstration am Mittwochabend zumindest teilweise auf. Die Sicherheitsbehörden registrierten aufmerksam, dass sich am Schlaatz, der als ein sozialer Brennpunkt der Stadt gilt, deutlich mehr Bürger und Anwohner am Pogida-Aufmarsch beteiligten als in der Innenstadt. Dennoch: Weiter sind zahlreiche Neonazis und NPD-Anhänger darunter. Auffällig auch: Nach anfänglich mehr als 200 Teilnehmern bei Pogida im Januar waren es diesmal nur rund 120. Zudem waren diesmal nach PNN-Informationen kaum noch Anhänger der rechten und gewaltbereiten Hooligan-Szene aus Berlin und dem dortigen Bärdiga-Umfeld dabei. Sinnbildlich für die Stimmung steht ein Foto, das der PNN-Fotograf schoss. Es zeigt die Balkonfassade eines DDR-Blocks. An einem Balkon hatte ein Anwohner ein Banner aufgehängt, darauf der Spruch: „No Pogida in Potsdam“. Sein Nachbar darunter winkte in die Kamera, er hatte ein Laken an seinen Balkon gehängt, darauf zu lesen: „Merkel muss weg.“ Am Schilfhof riefen Anwohner vom Balkon sogar: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“

Die Demonstrationsroute von Pogida führte auch am Asylbewerberheim Am Nuthetal vorbei. Auflage der Polizei dafür war, dass die Pogida-Anhänger dort still vorbeiziehen müssen. Sonst werde ihre Demonstration aufgelöst. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums hat Pogida nicht gegen diese Auflage verstoßen. Allerdings riefen die Pogida-Teilnehmer, die sich von den „Haut ab“-Rufen der Gegendemonstranten provoziert fühlten, mehrfach hintereinander lautstark: „Wir kommen wieder.“ Erst nach einer Durchsage von Anmelder Christian Müller stoppten sie die Rufe. Die PNN haben den Vorgang per Video dokumentiert. Wie ein Polizeisprecher den PNN am Donnerstag sagte, erschallten die Rufe von Pogida, als der rechte Aufmarsch schon am Flüchtlingsheim vorbei war.

Das Video: Wie Pogida am Flüchtlingsheim laut wird - ab Minute 1:03:

Zur Bilanz des Abends gehört ein verletzter Polizist und Festnahmen sowie Platzverweise auf beiden Seiten. Ein Pogida-Sympathisant zeigte zudem den Hitlergruß, gegen ihn wird ermittelt.

Vorwurf: Pogida nutzt den Fall Elias

In sozialen Netzwerken sorgte am Donnerstag für Diskussionen, dass Pogida-Anhänger bei der Abschlusskundgebung ein Lied mit dem Titel „Wir hassen Kinderschänder“ spielten. Dies sei offensichtlich eine Anspielung auf den Mord an dem sechsjährigen Elias aus dem Stadtteil Schlaatz im vergangenen Jahr, sagte Anja Berger, eine enge Freundin der Familie des Jungen, den PNN. Pogida-Anhänger versuchten auf Kosten der Eltern von Elias, „sich als Gutmenschen darzustellen. Das ist einfach nur widerlich.“ Über Facebook wehrte sich Pogida-Chef Müller gegen den Vorwurf.

Die nächste Pogida-Demonstration soll nächsten Mittwoch am Bahnhof Rehbrücke stattfinden. Das kündigte Anmelder Müller an. Angemeldet hatte er dies vorsorglich schon Ende Januar. Eine Gegendemonstration ist auch schon angemeldet. Wie der Potsdamer Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (Die Linke) bestätigte, hat er für Mittwoch eine Demonstration angemeldet, die vom Bahnhof Rehbrücke über die Heinrich-Mann-Allee zum Hauptbahnhof führt. Doch Christian Müller hält an seinem Plan fest: Auf Facebook mobilisiert er für einen fünften „Abendspaziergang“ am 10. Februar ab 18.30 Uhr am Bahnhof Rehbrücke.

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