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Von Volker Knopf: Mit einem Admiral fing alles an

Ein Potsdamer zählt zu den führenden Schmetterlingsexperten der Republik – einst flog er wegen „Mauer-Kritik“ von der Schule

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Die Begeisterung für sein Forschungsgebiet ist Robert Trusch deutlich anzumerken. Der 44-Jährige ist Kurator der Abteilung Entomologie (Insektenkunde) im Staatlichen Museum für Naturkunde im baden-württembergischen Karlsruhe und einer der führenden Schmetterlings- experten der Republik.

Ursprünglich stammt Trusch aus Potsdam. In Hermannswerder ist er aufgewachsen und hat an der Universität Potsdam seine Dissertation mit magna cum laude abgeschlossen. Anschließend wechselte der Wissenschaftler von Brandenburg Richtung Süddeutschland. Zunächst arbeitete er im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart sowie bei der Zoologischen Staatssammlung in München, ehe er in Karlsruhe heimisch wurde. Hier kann er aus einer jahrzehntelangen Tradition in der einstigen badischen Residenz auf diesem Forschungsgebiet schöpfen. So betont der Wissenschaftler denn auch nicht ganz ohne Stolz: „Wir haben die größte Sammlung von Schmetterlingen des Vorderen Orients weltweit. Was den Fundus in Afghanistan oder Iran betrifft, kann uns niemand das Wasser reichen.“

Mehr als zwei Millionen Exemplare beinhaltet die gesamte Sammlung des Museums. Ein Faible für die farbenfrohen Falter, die es in mehr als 180 000 beschriebenen Arten gibt, hatte der Potsdamer schon von klein auf. „Keine Ahnung, woher das kommt. Das muss wohl ein angeborener Trieb sein. So eine Art Jäger und Sammler“, merkt er schmunzelnd an. Mit einem Kescher „bewaffnet“, jagte er schon als Zwölfjähriger den Objekten seiner Begierde nach. „Mein allererster Schmetterling war ein Admiral. Daran kann ich mich noch gut erinnern.“ Überhaupt wäre die Wissenschaft ohne die ehrenamtliche Arbeit der vielen Hobby-Entomolgen, welche die Schmetterlinge fangen, zwecks Präparation ins Giftglas legen und anschließend nadeln, wie es etwas martialisch im Fachjargon heißt, ziemlich aufgeschmissen – auch wenn die Schar der selbsternannten Schmetterlingskundler zurückgeht und immer weniger Nachwuchs nach kommt.

Im Übrigen: Auf einen schnurgeraden Lebenslauf kann der 44-Jährige nicht verweisen. So musste er noch zu DDR-Zeiten das heutige Humboldt-Gymnasium – damals eine sogenannte Erweiterte Oberschule (EOS), an der man das Abitur ablegen konnte – in Potsdam verlassen, weil er im Geschichtsunterricht Kritik an der „Mauer“ geübt hatte. Nach dem Rauswurf absolvierte er eine Ausbildung als Landschaftsgärtner bei den VEB Grünanlagen. „Im Nachhinein war das allerdings gar nicht so schlecht für mich. Ich habe mir dort praktische Pflanzenkenntnisse aneignen können, die ich sonst in der Theorie und im Studium wohl nie erhalten hätte. Als Gärtner konnte ich auch anspruchsvolle Arbeit, beispielsweise auf der Freundschaftsinsel, verrichten“, sagt Trusch, dessen Eltern aus kirchlichen Kreisen stammen.

Eines der Pilot-Projekte, die er derzeit im Museum für Staatliche Naturkunde in Karlsruhe gemeinsam mit einer Stiftung vorangetrieben hat, ist die Etablierung der Landesdatenbank Baden-Württemberg für Schmetterlinge, die Sammlern, Züchtern und Verbänden online zugänglich gemacht worden ist. Andere Bundesländer folgten dem Beispiel aus Karlsruhe. „Gerade so wollen wir das mannigfaltige ehrenamtliche Engagement besser koordinieren“, erklärt der Biologe. Ganz wichtig sei es, die letzten Moore und Feuchtwiesen im Land zu bewahren. Denn diese Biotope seien die letzten Rückzugsgebiete für die Insekten und die Garantie dafür, dass diese nicht irgendwann in noch größerer Stückzahl verschwinden als ohnehin schon.

Der Wissenschaftler ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und setzt sich zudem für Schutzkonzepte ein. Er ist seit kurzem ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter der Fächerstadt, ferner Vorsitzender des renommierten Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe. Dessen Tradition reicht bis ins Jahr 1840 zurück. Geistesgrößen wie Heinrich Hertz, der erstmals die elektromagnetischen Wellen nachgewiesen hat, waren hier unter anderem bereits Mitglieder.

In seine Heimat Potsdam kommt der renommierte Forscher im Übrigen immer wieder gerne zurück. Mehrmals im Jahr besucht er mit seiner Frau, die ebenfalls aus Potsdam stammt und unweit von Schloss Sanssouci aufgewachsen ist, die frühere Residenzstadt Preußens. „Potsdam mit seinen Schlössern und Seen ist einfach eine wunderschöne Stadt. Abgesehen davon, dass es immer wieder sehr schön ist, meine Eltern, Freunde und Verwandten zu treffen, vermisse ich auch ein wenig die herrlichen Sommer in Brandenburg. Die flirrende, trockene Hitze in den Kiefernwäldern und den Seen ist einfach einzigartig“, betont Trusch, der sich mittlerweile wohl auch an die oftmals sehr schwülen Sommertage am badischen Oberrhein gewöhnt hat. Seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz als Insektenkundler gibt er auch immer wieder in Fernsehsendungen weiter – so wie unlängst in der SWR-Sendung „Planet Wissen“, als er fast eine gute Stunde über sein Lieblingsthema referieren durfte.

Volker Knopf

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