
© Andreas Klaer
Taxi-Branche in Potsdam in der Krise: Pferdekutsche statt Taxi
Potsdams Taxi-Krise nervt nicht nur die Potsdamer, sondern macht auch der Touristik-Branche und der Wirtschaft ernsthafte Sorgen. Sie drängen auf eine Lösung.
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Potsdam - Nur auf die Kutsche war Verlass: Die Geschichte, die Jutta Braun, die Chefin des Kongresshotels, am Luftschiffhafen erzählt, zeigt, wie arg es um den Potsdamer Taxi-Markt steht. Am vergangenen Samstagnachmittag hat sie sich zugetragen, Hotelgäste waren mit dem Taxi zum Park Sanssouci gefahren. Nach dem Spaziergang im Weltkulturerbepark setzte Regen ein, die Gäste wollten zurück – und wählten den Taxiruf: „Aber da gab es nur die Aussage: Kein Taxi zu haben.“ Die verzweifelten Besucher wandten sich schließlich an einen der Kutscher, die am Schloss Sanssouci warten. Der ließ sich auf das Geschäft ein. „Die Gäste sind mit der Pferdekutsche von Sanssouci zum Kongresshotel gekommen, pro Nase zehn Euro“, erzählt Jutta Braun.
Die Hotelchefin findet die Geschichte nur bedingt zum Lachen. Denn sie ist kein Einzelfall. Das zeigten auch die Reaktionen auf den PNN-Artikel zur Taxi-Krise vom Donnerstag. Dutzende Leser meldeten sich per Mail und im sozialen Netzwerk Facebook zu Wort und berichteten von ähnlichen schlechten Erfahrungen beim Versuch, Taxi zu fahren. Da ist von verpassten Zügen und Bussen die Rede, weil kein Taxi zum Bahnhof zu bekommen ist, selbst an Nachmittagen sind Potsdamer offenbar mitunter ohne Erfolg. Eine Leserin berichtete, dass bei ihr schon zweimal aus vorbestellten Fahrten nichts geworden sei. Andere Leser halten die zentrale Taxirufnummer ohnehin schon für unbrauchbar: „Ich sammle jetzt Karten von privaten Taxi-Unternehmen, damit man überhaupt noch sicher um 3 Uhr nachts in den Potsdamer Norden rauskommt“, heißt es beispielsweise.
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Touristen, Einwohner und regionale Wirtschaft leiden
Was den einzelnen Taxi-Kunden ärgert, macht der Tourismus- und Veranstaltungsbranche, aber auch Wirtschaftsvertretern ernsthafte Sorgen. Filmparkchef Friedhelm Schatz spricht von einer „dramatisch schlechten Situation“ – viele Gäste seien nach Abendveranstaltungen in der Metropolishalle oder im Restaurant Eisenherz auf Taxis angewiesen, aber der Taxiruf ist fast aussichtslos geworden. Solche Negativerlebnisse machten für die Besucher einen ansonsten wunderbaren Abend zunichte, sagt Schatz: „Und das fällt auf uns zurück!“ Besorgt ist man auch bei der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK): Wenn Dienstleistungen nicht wie gewohnt funktionierten, litten Touristen, Einwohner und die regionale Wirtschaft, sagte IHK-Vizechef Manfred Wäsche.
Mit Sorge verfolgt auch Hotelchefin Jutta Braun die Entwicklung: „Wir haben deswegen zunehmend unzufriedene Gäste – das ist ein Problem“, sagte sie den PNN. „Wenn das nicht grundsätzlich gelöst wird, werden wir über einen eigenen Shuttle-Service nachdenken.“ Schon heute biete man bei großen Veranstaltungen im Haus einen Shuttle-Service an – in Zusammenarbeit mit zwei Fuhrunternehmen. Das werde man wenn nötig künftig auch für die privaten Kunden ausweiten.
Brautpaare warten bis 5 Uhr morgens auf ein Taxi
Auch Gastronom Mario Kade vom Restaurant am Pfingstberg ist konsterniert. Es sei schon vorgekommen, dass ein Mitarbeiter nach einer Hochzeitsfeier mit dem Brautpaar noch bis 5 Uhr früh im Restaurant warten musste, ehe das Taxi kam: „Das ist weder schön fürs Brautpaar noch für den Mitarbeiter, der die Leute ja nicht einfach auf die Straße setzen kann.“ Der Gastronom setzt wegen der Taxi-Probleme mittlerweile auch auf Privatanbieter – das sei aber keine optimale Lösung: „Die haben nur ein Auto, es sollen aber 40 Leute gefahren werden.“ Kade mahnt eine „Qualitäts- und Quantitätsoffensive“ auf dem Taxi-Markt an. Er habe die Probleme auch schon mehrfach an die Stadtverwaltung herangetragen.
Filmparkchef Friedhelm Schatz sieht dringenden Handlungsbedarf: „Ich kann nur sagen: Der Markt ist da, es muss etwas passieren.“ Schatz fordert eine gemeinsame Runde von Taxi-Vertretern, der Wirtschaft und Touristikern. Zunächst müsse aber auch klar sein, warum die Situation so ist, wie sie ist.
"Das größte Problem ist der Nachwuchs"
In der Taxibranche wird bei der Frage nach dem Warum auf den im vergangenen Jahr eingeführten gesetzlichen Mindestlohn, aber auch auf Nachwuchsprobleme verwiesen (PNN berichteten). Das bestätigte am Freitag der Taxi-Unternehmer Karl-Heinz Kirle, der ehrenamtlich im Verkehrsausschuss der Industrie- und Handelskammer Potsdam sitzt: „Das größte Problem ist der Nachwuchs“, sagte er den PNN. Wie berichtet sind die rund 190 Potsdamer Taxis praktisch nur noch einfach besetzt – früher habe die Zahl der verfügbaren Fahrer dagegen noch bei 280 gelegen. Mit Einführung des Mindestlohnes hätten viele Taxiunternehmen die Arbeitszeiten für ihre Fahrer gekürzt – aus Sorge, die nötigen Umsätze nicht einfahren zu können, hieß es vom Taxiverband. Das Ergebnis: Die Taxis sind deutlich seltener verfügbar. Zwischen 30 und 60 Minuten Wartezeit seien in den Nachtstunden normal, oft könnten aber auch gar keine Fahrer gefunden werden, hatte die Potsdamer Taxigenossenschaft eingeräumt.
So extrem wie in Potsdam sieht die Lage in vergleichbaren Städten allerdings nicht aus. In der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken etwa – fast 180 000 Einwohner – liegt die Wartezeit für ein Taxi zwischen drei und fünf Minuten, wie Wolfgang Ramm, Chef der dortigen Taxizentrale, den PNN sagte. 153 Taxis sind dort unterwegs, Ramm schätzt die Zahl der Fahrer auf bis zu 500, der Tarif liegt auf Potsdamer Niveau. Zwar habe es wegen des Mindestlohns zuerst auch Befürchtungen gegeben: „Aber das hat sich eingespielt, die Nachfrage ist ja da.“ Auch in der Hansestadt Rostock – gut 200 000 Einwohner – geht die Taxigenossenschaft von rund vier Minuten Wartezeit auf ein Taxi aus, nur in Einzelfällen spät nachts könne es auch mal bis zu 20 Minuten dauern. 185 Taxis sind dort im Einsatz, knapp 300 Fahrer verfügbar. Die Unternehmen hätten sich auf den Mindestlohn eingestellt, sagt Frank Semler von der Taxigenossenschaft Rostock: „Es sind noch Fahrzeuge nachts unterwegs – aber weniger als vor dem Mindestlohn.“
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