Landeshauptstadt: Platz ist in der kleinsten Hütte
Architekturhistoriker Ulrich Knufinke zu Potsdams Synagogenstreit: „Der Entwurf ist durchaus sakral“
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Innenstadt - Wenige Meter Luftlinie entfernt von einer der prominentesten Baulücken der Stadt war am Mittwochabend Architekturhistoriker Ulrich Knufinke im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte (HBPG) zu Gast. Das Thema seines Vortrags hatte unmittelbaren Bezug zum Baugrundstück Schlossstraße 1 fast nebenan: Knufinke ist Experte für die Geschichte jüdischer Bauwerke und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Braunschweig sowie der Universität Jerusalem. Er sprach über Synagogenarchitektur in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert.
Nach 90 Minuten Rückblick auf zwei Jahrhunderte musste Knufinke zusammenfassen: „Eine Synagoge kann alles sein, dafür reicht eine Hütte im Hinterhof“, wie die gegenwärtige, sehr empfehlenswerte Ausstellung „Synagogen in Brandenburg“ im HBPG zeige. „Ob Sie mit dem Kopf an die niedrige Decke stoßen oder eine hohe Kuppel haben, 20 Quadratmeter oder Raum für 3000 Menschen – Hauptsache, es gibt eine Tora und ein Lesepult“, so Knufinke.
Immer hätten sich Juden und Architekten Gedanken gemacht, wie die Sakralbauten aussehen sollen. Einig sei man sich zumindest darüber gewesen, dass es eine Balance zu finden gelte zwischen Selbstdarstellung, religiösen Merkmalen und einer maßvollen Anpassung an die jeweilige Umwelt. Knufinkes Bildervortrag lieferte Beispiele aus dem deutschsprachigem Raum, wie im 19. und 20. Jahrhundert Synagogen gebaut wurden, welche architektonischen, stilistischen, religiösen oder politischen Argumente sich hinter Entscheidungen verbargen.
So habe der Baustil zeitweise dem selben Zeitgeschmack unterlegen wie der von Kirchen, es gab sogar die Forderung, „der deutsche Jude muss im deutschen Staate im deutschen Stile bauen“, wie Edwin Oppler, Hauptvertreter der neugotischen Hannoverschen Architekturschule, es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formulierte. Dessen Synagogen sowie manche im Stil einer römischen Basilika waren auf den ersten Blick von Kirchen kaum zu unterscheiden. Dann wieder legte man Wert darauf, die jüdischen Gotteshäuser in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, der maurische Baustil, in dem auch die Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin errichtet wurde, damals im Übrigen ein modernes Gebäude mit Gasbeleuchtung, sollte an den Ursprung des jüdischen Volkes im Orient und die Blütezeit in Spanien erinnern.
In der Blütezeit jüdischer Baukultur bis vor Beginn des ersten Weltkriegs entstanden zahlreiche, von städtischen Repräsentanten gewürdigte Gebäude, nicht nur Synagogen, auch Krankenhäuser, Schulen, Kinderheime. Noch in den 1930er Jahren wurde gebaut: Die Versammlungshäuser brauchte man in diesen schweren Zeiten nötiger denn je. In Hamburg wurde 1931 die sogenannte Bauhaus-Synagoge fertiggestellt, sie blieb durch den Nazi-Terror hindurch erhalten. Jetzt nutzt der Norddeutsche Rundfunk das Gebäude, wohl wissend um die Tradition.
„Die moderne Architektur versprach die Lösung der leidigen Stilfrage“, sagte Knufinke. In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele neu gebaute Synagogen eingeweiht; aus Ruinen Gebäude wieder zu rekonstruieren – wie es zum Beispiel mit der Dresdner Frauenkirche geschehen ist – dagegen habe man sich bewusst entschieden, damit der historische Bruch sichtbar werde, so der Historiker.
Fast jede westdeutsche Großstadt bekam in den Nachkriegsjahrzehnten eine neue Synagoge. In der DDR waren das nur Erfurt und Chemnitz. 2001 wurden in Dresden Synagoge und Gemeindezentrum eröffnet, ein spektakulärer, preisgekrönter Architekturentwurf eines in sich gedrehten Würfels. Noch weiter gingen die Architekten in München mit einer unmissverständlichen Assoziation zur Jerusalemer Klagemauer. Die damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, habe zur Einweihung 2006 gesagt: „Wer ein Haus baut, bleibt.“
Wann die Baulücke in Potsdam mit einem Haus für die jüdischen Gemeinden geschlossen wird, ist derzeit Spekulation. Ud Joffe, Vorsitzender der Potsdamer Synagogengemeinde, erinnerte nach dem Vortrag an die hiesigen Schwierigkeiten, sich auf einen Architekturentwurf zu einigen. Es gebe unter den mittlerweile drei Potsdamer jüdischen Gemeinden Differenzen, wie sehr der sakrale Charakter des Gebäudes erkennbar sein sollte. „Der Entwurf von Jost Haberland ist durchaus sakral“, sagte Knufinke, „nur eben nach heutigen Maßstäben. Die barocke Frauenkirche war damals auch etwas ganz Neues“, verglich er. Er wolle die Potsdamer ermutigen, sagte Knufinke, sich mit dem Entwurf zu arrangieren. „Haben Sie Mut, das, von dem Sie überzeugt sind, durchzusetzen, auch wenn Sie dafür an anderer Stelle Kompromisse machen müssen.“ Erschwerend sei jedoch, dass in Potsdam die Synagoge in einen Straßenzug eingegliedert werden solle, „eine Herausforderung, die fast nie gelingt“.
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