zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Potsdam hat die Wahl

Am Sonntag finden Europa- und Kommunalwahl statt. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen

Von

Stand:

Es geht um die Macht im Stadtparlament und um die Frage, mit welchen Mehrheiten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in den letzten vier Jahren seiner Amtszeit regieren kann: Am Sonntag sind 133 100 Potsdamer ab 16 Jahren aufgerufen, die Zusammensetzung der nächsten Stadtverordnetenversammlung zu bestimmen. Es kandidieren 534 Bewerber für insgesamt 56 Sitze.

Wie ist die Ausgangslage?

Die Wahl ist spannend wie selten zuvor. Wird es den Linken gelingen, erneut stärkste Fraktion im Stadtparlament zu werden oder zieht diesmal die SPD vorbei? Wird die CDU ihr historisch schlechtes Ergebnis von 11,8 Prozent bei der vergangenen Kommunalwahl 2008 verbessern können? Die Konkurrenz für die Union ist groß, Wählergruppen wie die Potsdamer Demokraten oder das mit einer massiven Plakatkampagne beworbene Bürgerbündnis buhlen um Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Dazu kommt die in Teilen rechtspopulistische Alternative für Deutschland, die schon bei der vergangenen Bundestagswahl mehr als fünf Prozent in Potsdam erreichte. Bei der Kommunalwahl gibt es zudem keine Fünf-Prozent-Hürde, daher erwarten Beobachter, dass künftig mehr als die jetzt schon acht vertretenen Parteien und Wählergruppen in das Stadtparlament einziehen könnten.

Was sind die wichtigsten Duelle?

In einigen Potsdamer Wahlkreisen sind am Sonntag reizvolle Polit-Duelle zu erwarten. So tritt im Innenstadt-Wahlkreis 1 für die Linken Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack an – und für die SPD Pete Heuer, der frühere Kreischef der Linken, der die Partei 2010 im Streit verlassen hatte. Ebenso stehen die Fraktionsvorsitzenden der Grünen und der FDP, Saskia Hüneke und Johannes von der Osten-Sacken, zur Wahl. In der Waldstadt und am Schlaatz kämpft Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) persönlich gegen den aktuellen Potsdamer Linke-Chef Sascha Krämer und den Busunternehmer Günter Anger von der CDU. Krämer tritt zum ersten Mal bei einem Urnengang an. Im selben Wahlkreis holte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg vor sechs Jahren mehr als 10 000 Stimmen – er kandidiert diesmal am Stern, zu seinen Konkurrenten dort gehört etwa der Autohändler Andreas Ehrl (FDP). In Bornim, Bornstedt und den nördlichen Ortsteilen bekommen es SPD-Chef Mike Schubert, für die CDU der Sprecher der Interessenvertretung „Bornstedter Feld“, Matthias Finken, sowie die Neu Fahrländer Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis) miteinander zu tun. Im Wahlkreis für Potsdam-West treffen unter anderem Brandenburgs SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz, CDU-Fraktionschef Horst Heinzel und Grünen-Stadtpräsident Peter Schüler aufeinander. In Babelsberg hoffen etwa der Bauunternehmer Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis – wegen eines umstrittenen Wohnungsbauprojekts einer der Reizfiguren des Wahlkampfs – und Lutz Boede, der Chef der linksalternativen Die Andere, auf viele Stimmen.

Wie könnte die Wahl ausgehen?

Seit der Kommunalwahl 2008 wurde Potsdam von einer Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP regiert – die Linke saß als größte Fraktion auf der Oppositionsbank. Doch das Bündnis zerbrach Anfang des Jahres im Streit um die Finanzierung der dringend benötigten neuen Schulen. Union und FDP lehnten Steuererhöhungen ab, SPD und Grüne setzten sie mit den Linken und den Potsdamer Demokraten durch. Ein Modell für die Zukunft? Nach PNN-Informationen wird in der SPD bereits nachgedacht, ob nach der Wahl auch ein reines Rot-Rot wie im Land möglich ist. Gegen so ein Bündnis sprechen unter anderem aber starke persönliche Vorbehalte entscheidender Protagonisten auf beiden Seiten sowie der Linken-Nachwuchs in Potsdam, der eher der alternativen Die Andere als der SPD nahesteht. Die Frage ist, wie viele Kandidaten aus diesem Spektrum es tatsächlich in die Linke-Fraktion schaffen, so einer der Gedankengänge in der SPD – wären es zu viele, wäre die Stabilität eines Bündnisses wohl kaum gegeben. In so einem Fall wird bei der SPD auch die Neuauflage der Rathauskooperation nicht ausgeschlossen. „Letztlich hängt aber alles am Resultat“, sagt ein Parteistratege. Es stehen unbequeme Entscheidungen an: So könnte zur Finanzierung der Infrastruktur der im Eiltempo wachsenden Stadt – speziell für die neuen Schulen – noch eine weitere Erhöhung der Grundsteuer auf Immobilien und Grundstücke nötig sein.

Was wird noch gewählt?

Ebenfalls am Sonntag gewählt wird das Europäische Parlament. Jeder Wähler hat nur eine Stimme, die er einer Partei oder Wählergruppe geben kann. Außer die CDU haben alle Parteien eine gemeinsame Liste für ganz Deutschland – einzige Ausnahme bildet die CSU in Bayern. Bei der Europawahl 2009 gaben 28,3 Prozent der Potsdamer ihre Stimme den Linken, 23,2 Prozent der SPD, 15,7 Prozent den Grünen, 14,7 Prozent der CDU und 7 Prozent der FDP. In den Ortsteilen dürfen die Bürger am Sonntag auch den Ortsbeirat wählen. Potsdamer mit einem ausländischen Pass sowie Deutsche mit einer weiteren Staatsbürgerschaft sind zudem zur Wahl des Migrantenbeirats aufgerufen. Diese Abstimmung wird aus organisatorischen Gründen aber erst am Mittwoch ausgezählt.

Wie wird die Wahlbeteiligung sein?

Potsdams Wahlleiter Matthias Förster geht davon aus, dass die Kombination aus Europa- und Kommunalwahl vor allem positive Auswirkungen auf die Beteiligung an der Europawahl hat. Diese lag 2009 in Potsdam nur bei 37 Prozent. An der Kommunalwahl hatten sich 2008 knapp 52 Prozent der Potsdamer beteiligt. Dieses Mal könnte die Beteiligung höher sein, zumindest lassen die Zuwächse bei der Briefwahl das vermuten.

Wo wird gewählt?

In Potsdam gibt es 120 Wahlbezirke mit je einem Wahllokal. Wahlkreise gibt dieses Mal wegen des Bevölkerungszuwachses erstmals sechs statt fünf. 1100 Wahlhelfer sorgen für einen reibungslosen Ablauf.

Wie viele haben die Briefwahl genutzt?

Die Zahl der Briefwähler war schon einige Tage vor der Wahl deutlich höher als 2008. Damals stimmten insgesamt 11 000 Potsdamer per Post ab, am Mittwoch vor der Wahl waren es dieses Jahr bereits 15 000. Wer seine Unterlagen noch nicht abgeschickt hat, kann sie bis Sonntag um 18 Uhr in einen der Briefkästen am Stadthaus werfen.

Wo können die Ergebnisse verfolgt werden?

Per Telefon geben die Wahlvorstände die Ergebnisse der einzelnen Wahllokale an das Büro von Wahlleiter Förster durch. Dort sitzen zehn „Erfasserinnen“ und tippen die Ergebnisse in den Computer ein. Kurze Zeit später sind die Werte auf großen Leinwänden im Plenarsaal und im Foyer des Stadthauses zu sehen – alle Potsdamer sind dorthin ab 17.30 Uhr eingeladen. Mit ersten Ergebnissen der Europawahl – etwa aus Grube oder Sacrow – rechnet Förster gegen 18.15 Uhr, das vorläufige Endergebnis wird gegen 20.30 Uhr da sein. Deutlich länger dauert es, bis die Kommunalwahl ausgezählt ist (siehe Interview). Erste Ergebnisse können zwar bereits gegen 19 Uhr eintrudeln, mit einem vorläufigen Endergebnis wird aber erst um Mitternacht gerechnet.

Wo finden die Wahlpartys statt?

Linke und SPD treffen sich am Sonntagabend in ihren jeweiligen Geschäftsstellen in der Alleestraße, auch die CDU versammelt sich in ihrer Zentrale in der Gregor-Mendel-Straße. Sowohl FDP als auch Potsdamer Demokraten laden in das Augustiner-Gasthaus in der Mittelstraße 18 ein, die Grünen haben sich im Hafthorn in der Friedrich-Ebert-Straße verabredet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })