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Potsdam Heute, 18. Oktober 2024: Platzeck und die Baku-Connection
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Guten Morgen,
was für Astronomen der Supermond ist – das Zusammentreffen von Vollmond und besonders großer Erdnähe – ist für Demokraten die Konstituierung eines neuen Landtags. In Potsdam wurden gestern Astronomen, Demokraten, demokratische Astronomen und astronomisch interessierte Demokraten zufriedenstellend bedient.
Des Nachts prangte der Supermond am leicht bewölkten Himmel, nicht in voller Pracht zu bewundern, aber doch sichtbar. Im Brandenburger Landtag konstituierte sich das am 22. September neu gewählte Parlament. Nicht ohne fragwürdige Momente, aber doch frei von thüringischen Turbulenzen.
Die 88 Abgeordneten der Fraktionen von SPD (32 Sitze), AfD (30), BSW (14) und CDU (12) bestimmten erneut Ulrike Liedtke (SPD) zur Landtagspräsidentin. Sie bekam 70 Ja-Stimmen, darunter also auch einige der AfD. Dass mit Daniel Münschke einer der drei Vizepräsidenten von der AfD gestellt wird und dieser im zweiten Wahlgang auch gewählt wurde, ist nachvollziehbar. Das Signal, ihn im ersten Wahlgang durchfallen zu lassen, ist registriert worden.
Deutlich beachtenswerter scheinen allerdings die Ergebnisse der beiden vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD-Politiker Dennis Hohloch und Hans-Christoph Berndt bei der geheimen Wahl zum Landtagspräsidium. Der Fraktionsvorsitzende Berndt bekam 44 Ja-Stimmen und der Parlamentarische Geschäftsführer Hohloch 42 Ja-Stimmen. Sind die Voten ein Signal dafür, wie vor allem das Bündnis Sahra Wagenknecht mit der teils rechtsextremistischen AfD-Fraktion verfahren wird?
Das bleibt vorerst eine Vermutung. Aus Kreisen der beiden Parteien wird jedoch kolportiert, bei den Sondierungsgesprächen über eine neue gemeinsame Regierung seien sich SPD und BSW auffällig einig – nur nicht bei der Frage zum Umgang mit der Opposition, im Klartext: mit der AfD.
Nicht umsonst hatte der BSW-Alterspräsident des neuen Landtags, Reinhard Simon, schon im Vorfeld der ersten Sitzung klargemacht, dass er eine Ausgrenzung der AfD ablehnt. Zitat: „Brandmauern nützen uns nicht, wenn es doch stets um die in der Sache gern harte, aber fachliche und faire Auseinandersetzung gehen sollte.“ Doch dass die SPD, die mit Ministerpräsident Dietmar Woidke an der Spitze einen allein auf das Duell mit der AfD fokussierten Wahlkampf geführt hatte, jetzt zulassen würde, dass ihr Koalitionspartner nach Lust und Laune mit der AfD stimmt, scheint unvorstellbar.
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Heute findet die nächste Sondierungsrunde von SPD und BSW statt. Wird es die letzte sein und die Parteien werden dann Koalitionsverhandlungen aufnehmen? Möglich scheint es, auch wenn bislang alles unter striktester Geheimhaltung stattfindet.
Die SPD müht sich jedenfalls, auch offen Signale an das BSW zu senden. Eines davon: Gast bei der konstituierenden Sitzung am Donnerstag war der ehemalige SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck. BSW-Alterspräsident Simon begrüßte Platzeck als „Freund“. Noch ein Beleg dafür, dass es zwischen den Wagenknechtlern und der Woidke-Truppe viele Drähte gibt, auch aus der Vergangenheit.
Sehr gefallen dürfte den BSWlern in diesem Sinne das angebliche diplomatische Engagement Platzecks in Sachen Russland. Wie das ARD-Magazin „Kontraste“ und die „Zeit“ am Mittwoch unter dem Titel „Die rätselhafte Baku-Connection„ berichtet hatten, soll an diesem Sonntag eine „Gruppe von einflussreichen Russen und Deutschen um 18:30 Uhr in der Lobby des 5-Sterne-Hotels Four Seasons in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan“, verabredet sein. Das Ziel: Gespräche über die deutsch-russische Zusammenarbeit, dabei hochrangige Vertreter des Kreml.
Zitat des „Kontraste“-Beitrags: „Laut Programm sollen Matthias Platzeck, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Brandenburger Ministerpräsident, Ronald Pofalla (CDU), ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes, sowie der ehemalige Geschäftsführer des ,Petersburger Dialogs’, Martin Hoffmann, an der Zusammenkunft in Baku teilnehmen.“
Das Ganze wäre hochbrisant vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine außenpolitisch isoliert. Platzeck ließ nach Angaben von „Kontraste“ und „Zeit“ eine Anfrage dazu unbeantwortet. Er antwortete laut „Kontraste“ und „Zeit“ auch nicht auf die Frage der beiden Medien, ob er bereits sechs Monate zuvor, am 21. und 22. April 2024, an einem vertraulichen Treffen in Baku teilgenommen hat, wie es Dokumente angeblich ausweisen sollen.
Wie Platzeck zu Dialog auch mit Russland steht, hat er jüngst in einem „taz“-Interview gesagt: „Egal wo Krieg ist, egal wer den Krieg führt – es ist fast eine heilige Pflicht, immer wieder den Versuch zu machen, den Krieg durch Verhandlungen und diplomatische Bemühungen zu beenden“, so Platzeck da. Und weiter: „Es gibt auch diplomatische Bemühungen, die kommen nicht an die Öffentlichkeit, und das ist auch gut so.“ Hat er da Baku gemeint? Und wenn es so wäre, ist doch die (derzeit) hypothetische Frage: Wer oder was autorisierte Matthias Platzeck, sich hier diplomatisch zu bemühen?
Genug Gesprächsstoff dürfte es bei der Sondierungsrunde von SPD und BSW heute also geben. Wenn Sie wissen möchten, wie die konstituierende Landtagssitzung genau abgelaufen ist, können Sie hier die Ereignisse des Tages, aufgeschrieben von Marion Kaufmann, Katharina Henke und Thorsten Metzner, nachlesen. Alle 88 Abgeordneten des neuen Landtags zeigen wir Ihnen hier. Was vom Wahlverhalten zugunsten der AfD und einem Demokratie-Appell der neuen, alten Landtagspräsidentin zu halten ist, kommentiert für Sie hier Thorsten Metzner.
Auch Gast bei der konstituierenden Sitzung war übrigens Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), als Vertreter des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes und standesgemäß mit Amtskette. Nur ein zufälliges Zusammentreffen auch mit Platzeck? Zumindest sicher ein für Schubert willkommenes. Immerhin gilt er als politisches Ziehkind von Platzeck, der einst ja auch Potsdams Oberbürgermeister war, und kann sich der Unterstützung des in Brandenburg noch immer bekannten und beliebten Politikers sicher sein.
Ein Letztes an dieser Stelle, noch einmal zu Diplomatie und Weltpolitik: Falls Sie heute zum Start der Herbstferien nach Berlin wollen oder müssen, vergessen Sie nicht – der US-Präsident ist auch in der Stadt. Kurz nach 22 Uhr am Abend traf Joe Biden in Berlin ein, für heute ist Verkehrschaos programmiert.
Auch im heutigen Newsletter:
- Darüber spricht die Stadt: Biosphäre-Geschäftsführer vorerst von seinen Aufgaben entbunden
- Die gute Nachricht: Fährräder für Grundschule Am Priesterweg in Drewitz
- Ausblick auf die kommenden Tage, Veranstaltungshinweise und ein Gastrotipp
- Person der Woche: Dortu-Preisträgerin Katharina König-Preuss
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