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Potsdamer Wärmewende-Streit: SPD-Stadtpräsident greift EWP-Spitze an – und wird selbst kritisiert
Der Sozialdemokrat wirft der EWP-Führung ein Spiel mit der Angst vor. Das sorgt für Widerspruch. Die Grünen appellieren wiederum, dass nur Einigkeit zum Ziel führt
Stand:
Mit scharfer Kritik an der Geschäftsführung der Energie und Wasser Potsdam (EWP) hat sich ein Mitglied der Potsdamer SPD-Fraktion in die zunehmend hitzige Debatte um die Finanzierung der Wärmewende eingeschaltet. Anlass ist die von der EWP-Führung befürchtete Preisexplosion bei der Fernwärme, sollte der auf Geothermie basierende Ersatz für das altersschwache Heizkraftwerk Süd scheitern – etwa wegen der aus Sicht der EWP kaum umsetzbaren Bedingungen, die die Stadtverordneten zuletzt beschlossen hatten. Vor allem soll es noch kurzfristige Verhandlungen mit dem Minderheitsgesellschafter Edis geben, um bessere Konditionen für Potsdam zu erreichen.
„Die Geschäftsführung der EWP spielt mit der Behauptung einer Preisexplosion unnötig mit den Ängsten der Menschen“, teilte der Stadtverordnete Hagen Wegewitz am Freitag mit, der zugleich im Aufsichtsrat der Stadtwerke-Tochter sitzt und zu den Vertrauten des Aufsichtsratsvorsitzenden und Interims-Oberbürgermeisters Burkhard Exner (beide SPD) gehört.
Dieses Spielen mit Ängsten sei „völlig inakzeptabel“, die Bürgerinteressen würden laut Wegewitz durch das Stadtparlament vertreten – und nicht durch die EWP-Spitze. Allerdings hatte nicht nur die EWP, sondern auch die Wohnungswirtschaft, der Klimarat und mit Geothermie vertraute Wissenschaftler vor so einem Preisschock gewarnt.
Widerspruch von Die Andere: „Engstirnige Bedenkenträgerei“
Widerspruch kam von Die-Andere-Urgestein Lutz Boede. „Statt froh darüber zu sein, dass engagierte Menschen in der EWP seit Jahren die Umstellung der Potsdamer Fernwärme auf moderne Technologien und erneuerbare Energien vorantreiben, gibt es aus der SPD engstirnige Bedenkenträgerei“, erklärte der Stadtverordnete via Facebook.
Und: „Wer im Konzert mit den Klimawandelleugnern der AfD überall Risiken wittert, statt die Chancen einer langfristig preisgünstigen und dazu klimafreundlichen Wärmeversorgung zu nutzen, sollte der Bevölkerung aber auch offen sagen, dass der drohende Verlust der Fördermittel bedeutet, dass die Fernwärme pro Familie 50 bis 100 Euro pro Monat teurer wird.“

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Wegewitz konterte am Samstagabend: „Herr Boede leugnet das Risiko, das auch die EWP-Geschäftsführung nicht sehen will, dass über die Kreditlaufzeit der steuerliche Querverbund der Stadtwerke erhalten bleiben muss.“ Sonst müsste das Angebot im öffentlichen Nahverkehr zurückgefahren oder das Bäderangebot reduziert werden. Gleichwohl unterstütze die SPD die Wärmewende. Er sei optimistisch, dass die Stadtverordneten am kommenden Mittwoch mit großer Mehrheit den strittigen Antrag beschließen und der EWP-Aufsichtsrat am Donnerstag den Weg für die Wärmewende „frei machen“ werde, so Wegewitz.
Da läuft etwas gehörig schief.
Hagen Wegewitz, SPD-Stadtverordneter, Präsident des Kommunalparlaments und Mitglied im Aufsichtsrat der EWP
Es gehe laut Wegewitz darum, bei den riesigen Investitionen eine faire Risikoverteilung zwischen Stadt und dem privaten EWP-Miteigentümer Edis sicherzustellen. „Eine Gesellschaft, die zu 65 Prozent der Stadt gehört, sollte auch zu 65 Prozent das Risiko tragen – alles andere wäre nicht akzeptabel.“ Momentan aber sei zu befürchten, dass die öffentliche Hand nahezu allein die Last trage, während Edis nur im Erfolgsfall profitiere: „Da läuft etwas gehörig schief.“

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Hier will Exner noch kurzfristig mit der Edis verhandeln. Ob das so schnell erfolgreich gelingen kann, hatte die EWP-Spitze in Zweifel gezogen. Diese warnt schon seit Wochen, dass die Zeitfristen für die Wärmewende verrinnen und Potsdam damit Fördermittel in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro verlieren könnte. Dazu kommt: Einen Plan B für den Ersatz des Heizkraftwerks gibt es derzeit nicht.
Grüne plädieren für konstruktive Lösung
Der Grünen-Kreisverband jedenfalls appellierte an alle Beteiligten, konstruktiv an einer schnellen Einigung zur Risikoverteilung zu arbeiten. „Gegenseitige Vorwürfe helfen jetzt nicht weiter“, teilte Kreischefin Rebecca Lea Freudl mit. Sie sagte aber auch klar in Richtung SPD: „Darauf hinzuweisen, dass die Wärmepreise ohne die Fördermittel stark ansteigen werden, ist kein ‚Spiel mit den Ängsten der Bürger‘, sondern eine Tatsache, die die Stadtverordneten in ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen.“
Und: „Wer so tut, als gäbe es keinen Handlungsdruck, ignoriert die Realität der Förderfristen und Investitionspläne“, so Freudl. Wichtig sei nun, dass die Edis sich schnell und verbindlich dazu bekenne, ihren Anteil am notwendigen Eigenkapital und an den Risiken zu übernehmen.
Wegewitz hingegen lobte Exner, der auf mehr Transparenz für das Gesamtvorhaben dringe. Es sei richtig, dass Chancen und Risiken eines solchen Projekts vorab offengelegt würden. „Nur so handeln wir im Sinne der Stadt – und nicht im Sinne kurzfristiger Gewinne Einzelner.“ Wegewitz wehrte sich zugleich gegen den Vorwurf, dass die Wärmewende so ausgebremst würde. Eine solide Risikoabschätzung sei Voraussetzung für deren Gelingen, und damit Fernwärme bezahlbar bleibe – „auch für kommende Generationen“.
Am Mittwoch soll abschließend über die Zukunft der Wärmewende im Stadtparlament entschieden werden, die Sitzung leitet Wegewitz als Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung. Die Abstimmung erfolgt laut Tagesordnung nicht-öffentlich.
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