
© Manfred Thomas
Von Jana Haase: Preis für Preis
Ron Schmidt trainiert seit 2000 die OSC-Triathleten
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Den Virus hat er sich im Kino eingefangen. Und er ist ihn in den mehr als 20 Jahren seitdem nicht wieder losgeworden. Es war ein Sonntag im September 1987, Ron Schmidt absolvierte seinen Wehrdienst bei der damaligen Nationalen Volksarmee (NVA) in der Kaserne in Havelberg. Bei einem Filmabend, wie sie zur Zerstreuung immer wieder im Speisesaal abgehalten wurden, entdeckte der gebürtige Brandenburger auf der Leinwand seinen Lebenstraum – den Triathlon, dem Schmidt später in Potsdam zu enormem Aufwind verhelfen sollte.
Als Cheftrainer des Bundesstützpunktes Triathlon am Olympiastützpunkt Brandenburg kann der heute 43-Jährige auf eine beachtliche Liste von Erfolgen zurückblicken. In den zehn Jahren seiner Arbeit in Potsdam ist die Triathlon-Abteilung des Olympischen Sportclubs (OSC) auf mehr als 100 Mitglieder angewachsen, die Bundesliga-Teams kämpfen mit um vordere Plätze, aus Schmidts Schmiede kam bei den Europameisterschaften 2010 das halbe Nationalteam, unter seiner Leitung stieg Potsdam zum Bundesstützpunkt auf.
1987 heißt der Sport noch „Ausdauerdreikampf“, zumindest in der damaligen DDR. Dass ein westlicher Film wie „Der große Preis“ in der Havelberger NVA-Kaserne überhaupt gezeigt wurde, wundert Ron Schmidt rückblickend. Der australische Sportstreifen, in dem ein Vater seine beiden Söhne auf den „Coolangatta Gold“-Wettkampf vorbereitet, einen speziellen Surf-Ironman, bei dem über insgesamt 46,65 Kilometer gelaufen, geschwommen und gesurft wird, wird für Schmidt zum Erweckungserlebnis.
Es ist das Mammutprogramm, in dem der ehrgeizige frühere Gerätturner sofort die ideale Herausforderung sieht. Am nächsten Tag beginnt er auf eigene Faust mit dem Training. Im April 1988 wird Schmidt aus der NVA entlassen, im Mai absolviert er seinen ersten Triathlon in Zielitz im heutigen Sachsen-Anhalt. „Ich hatte nicht mal ein Rennrad und bin mit einem Tourenrad ohne Gangschaltung gestartet“, erzählt er. Er belegt trotzdem Platz 21 von rund 180 Teilnehmern. „Danach war ich infiziert“, sagt Schmidt.
In den folgenden Monaten nimmt der drahtige Mann jeden Wettbewerb mit, von Binz auf Rügen bis Gera im Thüringischen: „Das war eine tolle Zeit und ein Abenteuer.“ Sein Geld verdient der ausgelernte Matrose und Verkehrskaufmann als Dispatcher in Magdeburg. Erst kurz vor der Wende bekommt er den ersehnten Studienplatz zum Sportlehrer, tritt nach dem ersten Staatsexamen das Referendariat an der Schule aber nie an: „Ich habe für den Sport gelebt.“
Und er kann auch vom Sport leben: Von 1992 bis 1996 ist Schmidt aktiver Triathlet, finanziert sich über Sponsoreneinnahmen. Er wird Siebenter beim Weltcup in Neuseeland, nimmt dreimal am legendären Königswettbewerb der Dreikämpfer, dem Ironman auf Hawaii, teil. Dann bekommt er ein Angebot aus Berlin und startet in seine dritte Berufs-Karriere: Ab 1996 ist Ron Schmidt Trainer beim Berliner Verband und beim Seesportclub. 2000 wird er nach Potsdam abgeworben.
Und holt seitdem Preis für Preis an die Havel. Bereits 2001 kann er mit Christian Prochnow, der sich 2008 für die Olympischen Spiele in Peking qualifizieren wird, den ersten Junioren-EM-Erfolg feiern: Prochnow erkämpfte Platz sechs und wird mit seinem Team Europameister.
Die rasante Entwicklung der Sportart in Potsdam in den folgenden Jahren habe ihn auch „erschlagen“, räumt Ron Schmidt ein. Zwar kam mit den Erfolgen die Anerkennung im Olympiastützpunkt, wo die Triathleten mittlerweile nicht mehr um Trainingszeiten in der Schwimmhalle kämpfen müssen, einen eigenen Radmechaniker haben und andere Serviceleistungen wie die Physiotherapie selbstverständlich in Anspruch nehmen.
Aber auch die Arbeit ist mehr geworden. Eine 50-Stunden-Woche ist für Schmidt Normalzustand, 220 Tage war er im vergangenen Jahr unterwegs. Dabei ist er längst nicht mehr allein, sondern hat ein dreiköpfiges Trainer-Team. Doch mit individueller Sportler-Betreuung, Organisation, Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit kommt einiges zusammen.
Zu der Begeisterung, mit der Schmidt sich einst in die Sportart gestürzt hat und mit der er bis heute andere motiviert, ist deshalb Nachdenklichkeit gekommen. Die Koordination von Arbeit und Privatleben ist für den Vater eines neunjährigen Sohnes momentan die größte Herausforderung: „Mein Ziel für die Zukunft ist, dass es etwas ruhiger wird“, sagt Ron Schmidt.
Loslassen wird ihn der Triathlon-Virus wohl trotzdem nicht. Da geht es ihm wie dem australischen Ort Coolangatta aus „Der große Preis“. Der Ironman-Wettkampf, der dort 1984 nur als authentische Kulisse für den Film auf die Beine gestellt wurde, verselbstständigte sich und wird heute jährlich abgehalten. 2009 wäre Ron Schmidt sogar beinahe an die australische Goldküste gereist, als dort die WM stattfand, zu der auch vier OSC-Triathleten fuhren und bei der Franz Löschke schließlich den zweiten Weltmeister-Titel in der U 23 nach Potsdam holte. Aber dann gab es wieder zu viele Termine auf einmal, Ron Schmidt sagte kurzfristig ab. Nachholen will er die Reise auf der Spur seines Lebens irgendwann unbedingt: „Das ist noch ein großer Traum von mir.“
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