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Landeshauptstadt: Preußischer Pomp unterm Hammer

Der Potsdamer Kunsthistoriker Stefan Körner hat ein Gespür für verschollene Schätze

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Es war ein pompöses Staatsbegräbnis. Als am 1. Februar 1705 überraschend Preußens erste Königin im Alter von 36 Jahren starb, entschied sich Friedrich I., seiner Gemahlin Sophie Charlotte nach einer nicht so ganz glücklichen Ehe eine späte Ehre zukommen zu lassen: Das Begräbnis wurde zu einer regelrechten Materialschlacht. Gewiss auch, weil er sich als erster preußischer König nicht lumpen lassen wollte und es die Würde des neuen Staates zu verteidigen galt. Was das gekostet haben mochte, darüber gibt jetzt ein kostbares Fundstück Auskunft, das das Berliner Auktionshaus Grisebach am kommenden Donnerstag versteigert. Unter den Interessenten könnte neben namhaften Museen die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sein.

Das sogenannte Funeralwappen, eine aufwendige Goldstickerei mit Wappenadler Brandenburg-Preußens, Zepter und Reichsapfel, stammt aus Privatbesitz in Süddeutschland, sagt Stefan Körner. Mehr dürfe er aus Diskretionsgründen nicht sagen, so der Kunsthistoriker. Wie in vielen Fällen habe der Besitzer beim Auktionshaus angerufen und von dem Stück, das ihm bedeutsam schien, erzählt. Stefan Körner, der seit 2012 für Grisebach arbeitet, nahm die Spur auf und suchte nach Beweisen für Herkunft und Zuordnung. Aufgrund heraldischer Merkmale ließ sich diese Stickerei schnell nach Brandenburg-Preußen verorten. So trägt der Adler eine Krone um den Hals, das gab es nur unter Friedrich I., sagt Körner.

Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz hat er dann nach Verträgen und Rechnungen gesucht, die die Arbeit an den Goldstickereien belegen. Und unter Tausenden Schriftstücken auch etwas gefunden. Friedrich I. bestellte für jeweils 500 Taler mehrere solche Wappen, etwa 70 mal 60 Zentimeter groß. Hauchdünne Goldfäden, Goldbleche und -pailletten, auf Papier und Leinen aufgetragen und festgenäht. Das Motto war vorgegeben: „Matte und den Glanz wollen wir nach der Kunst in Licht und Schatten arbeiten.“ Für mehrere Wochen arbeiteten sieben Leute an einem Teil, sagt Körner. Weil die Vorbereitungen für das Begräbnis so lange dauerten, musste die in Hannover verstorbene Königin nach ihrer Überführung nach Berlin noch bis zum 28. Juni, fünf Monate, auf ihre Beerdigung warten. „Der Sarg war sicherlich gut verlötet", scherzt Stefan Körner. Die Kapelle des Berliner Schlosses sowie die Berliner Domkirche, wo der Sarg aufgebahrt war, wurden mit riesigen Bahnen bestickter Silberstoffe, Samt und Brokat mit goldenen Quasten geschmückt, der Sarg selbst stand unter einem opulenten Baldachin. Die Funeralwappen als Darstellung der königlichen Hoheitszeichen hingen an den Wänden über dem Sarg. Vermutlich wurden sie zur Beerdigung von Friedrich I. wiederverwendet. Friedrich II. verbot sich selbstredend so viel Pomp unter Hinweis auf die Staatsfinanzen. Die Stickereien wurden zur Rückgewinnung des Goldes in der Regel eingeschmolzen. Doch dieses eine Stück entkam. Der Schätzwert, mit dem die Versteigerung beginnt, wird bei 20 000 Euro liegen.

Man braucht etwas Gespür zum Entdecken von alten Kostbarkeiten, sagt Körner. Neben theoretischen und kunsthistorischen Kenntnissen ist es oft Instinkt und Gefühl: „Man muss viel sehen, anfassen und riechen“, sagt er. „Historischer Dreck riecht anders als neuer“. Natürlich könne man Farbproben hochwissenschaftlich analysieren lassen, aber manchmal ist auch Intuition – oder Glück im Spiel. Wie bei der Luise.

Stefan Körner, 34, ist geborener Potsdamer. Hier ging er in den Kindergarten Am Grünen Gitter. Ausflüge in den Park Sanssouci, zu den Arkaden der Friedenskirche machten ihm stets mehr Spaß, als tolle Autos an der Hauptstraße zu beobachten. Später besuchte er den Kinder- und Jugendclub Sanssouci, taucht immer tiefer ein in die Welt der Schlösser und der Kunst. Er studierte Kunstgeschichte in Berlin, Venedig und Wien, wurde 2004 Kustos der Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten der Fürsten Esterházys, der jüngste Kustos in Europa überhaupt. Im Sommer 2012 ist er in Österreich am Packen, es zieht ihn zurück nach Brandenburg. Bei seinen Gastgebern trifft er im Badezimmer plötzlich auf eine „alte Bekannte", wie er sie nennt.

„Da stand diese Büste und ich dachte, die kenne ich doch", sagt Körner. Der Besitzer habe nicht gewusst, von wem das Werk sei und wer es sein könnte. Doch sie sei gut erhalten gewesen, „Feuchtigkeit stört Marmor nicht", so der Kunstexperte. Er beginnt nachzuforschen, in Büchern, sucht vergleichbare Werke, und als Potsdamer weiß er bald, das kann nur die Königin Luise sein. Auch wenn die Büste keine Signatur hat, steht irgendwann fest: Es ist ein verschollenes Werk von Christian David Rauch, dem berühmtesten preußischen Bildhauer jener Zeit. Es dauert eine Weile, bis Stefan Körner das selbst glauben kann.

1804 war Rauch noch als Kammerdiener bei Luise angestellt, wollte aber bereits Bildhauer werden. Als er ein Stipendium der königlichen Familie bekam und nach Italien reisen durfte, fertigte er zum Abschied jene Büste. Leider hatte der Marmor im Inneren eine Einsprenkelung, ein Makel. Eine fleckige Luise aber wollte niemand, die Büste ging zurück und verschwand. Der Fleck ist es jedoch, der die Identifizierung jetzt möglich macht. Luise ist quasi Körners Mitbringsel aus Österreich, der Besitzer lässt sie vom Auktionshaus Grisebach versteigern, und für 370 000 Euro erwirbt sie im Herbst die Schlösserstiftung. Derzeit ist sie im Schloss Paretz, Luises Lieblingsort, zu besichtigen. „Sie wird Deutschland nicht mehr verlassen, sie steht jetzt auf der Liste des national-bedeutsamen Kulturguts“, sagt Körner.

Auch das Funeralwappen als historisches Zeugnis gehört seiner Meinung nach in eine öffentliche Sammlung. Wer es am 30. Mai ersteigert, ist vermutlich erst Wochen später zu erfahren. Nur wenige Kunden des Auktionshauses kommen direkt aus Berlin, sagt er. Jedoch interessieren sich wieder mehr junge Leute für Kunstobjekte. Längst nicht alles sei so hochpreisig wie die Luise. „Ein Lieblingsstück, vielleicht eine barocke Uhr auf einem Billyregal – das ist doch aufregend und sorgt für Gesprächsstoff“, findet Stefan Körner.

Die Versteigerung findet am 30. Mai um 11 Uhr im Berliner Auktionshaus Grisebach, Fasanenstraße 25, statt. Vorbesichtigung ist bis Dienstag, 17 Uhr, möglich.

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