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Homepage: Probleme mit Desiree

Das Golmer MPI für Pflanzenphysiologie plant Freilandversuch mit Gen-Kartoffeln / Greenpeace warnt vor Folgen

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Das Golmer MPI für Pflanzenphysiologie plant Freilandversuch mit Gen-Kartoffeln / Greenpeace warnt vor Folgen Von Jan Kixmüller In den kommenden vier Jahren werden auf einem Feld in Golm Kartoffeln wachsen, die manch einem das Fürchten lehren. Die rund 800 Pflanzen der Sorte Desiree, die auf einem Versuchsfeld des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie angebaut werden sollen, enthalten eine von den Forschern zuvor eingebaute Gensequenz des Hornklees. So soll die Sauerstoffspeicherung in den Pflanzen verbessert werden, woraus letztendlich eine höhere Konzentration an Stärke in den Knollen resultiert. Die Kommission für Biologische Sicherheit hat den Versuch bereits empfohlen, eine endgültige Entscheidung steht Ende Februar an. Die Umweltschützer der Gruppe Greenpeace befürchten nun, dass sich die gentechnisch veränderten Kartoffeln über das Versuchsfeld hinaus ausbreiten könnten. Auch könnte es sein, dass sich durch den erhöhten Sauerstofftransport das natürliche Kartoffelgift in den Pflanzen und Beeren erhöht, die Nahrung für Vögel, Hasen und Mäuse seien. Man befürchtet auch, dass sich die künstlich in die Pflanzen eingebrachte Antibiotikaresistenz auf die am Boden lebenden Bakterien überträgt. „Was wiederum nicht absehbare Folgen nach sich ziehen kann“, so die Greenpeace-Gruppe Potsdam. Nicht absehbare Folgen sind die hauptsächliche Sorge der Umweltschützer. Immer wieder gerne angeführt wird ein Freilandversuch mit Raps, dem gentechnisch die Bitterstoffe weggezüchtet wurden. Was das Öl der Pflanzen schmackhafter machen sollte, führte dazu, dass Damwild die für sie giftigen Pflanzen fraß und verendete. Der Eingriff in den biologischen Kreislauf ziehe unerwartete Folgen nach sich. Die Gentechniker hingegen führen an, dass der Mensch schon seit Jahrtausenden durch Landbau in den natürlichen Kreislauf eingreift, Pflanzen aus anderen Regionen in neue Umgebungen einbringt – eben auch die Kartoffel – und auch durch Kreuzungen biochemische Eigenschaften von Pflanzen verändert. Die Vorwürfe von Greenpeace sind in den Augen der Golmer Max-Planck-Forscher nicht haltbar. Die Ausbreitung von Pollen werde bei dem Experiment durch einen wissenschaftlich anerkannten Isolationsabstand des Versuchsfeldes verhindert. Überhaupt sei eine Verbreitung von Kartoffeln über Samen seit Einführung der Pflanze vor über 100 Jahren in Mitteleuropa noch nicht beobachtet worden, führt die Sprecherin der Pflanzenphysiologen Ursula Roß-Stitt an. „Von den Versuchen mit Kartoffeln, die ein Einzelgen aus dem Hornklee enthalten, geht kein bekanntes Risiko aus“, sagt die Sprecherin. Genau das sagen allerdings auch die Umweltschützer, sie warnen gerade vor den „nicht absehbaren“, also den unbekannten Folgen. Das verwendete Kanamycinresistenzgen (Antibiotikaresistenz) sehen die Golmer Forscher als unproblematisch, da es in Bodenbakterien weit verbreitet sei. „Seine Häufigkeit wird durch die Freisetzung nicht signifikant verändert“, so Ursula Roß-Stitt. Zum Aspekt der Giftigkeit sagen die Forscher, dass die grünen Anteile der Kartoffelpflanze per Se giftig sind und daher nur von hochspezialisierten Insekten – etwa dem Kartoffelkäfer – gefressen würden, bei denen es sich überwiegend um Schädlinge handelt, die keinen Schutzstatus genießen. Für Umweltschützer dürfte auch diese Antwort nicht befriedigend sein. Denn sollten die Pflanzen den Käfern nicht mehr schmecken, fallen diese als Futter für Vögel und andere Tiere weg. Die Natur bleibt ein komplexer Kreislauf. In Deutschland ist die Grüne Gentechnik – nicht grüne Politik sondern Pflanzengrün ist gemeint – gegenüber der Roten Gentechnik nicht sehr beliebt. Bei den veränderten Pflanzen überwiegt die Furcht vor ungesunder Nahrung, während man einer Gentechnik, die Hilfe bei schweren Krankheiten verspricht, schon eher zustimmt. International ist der Druck für Grüne Gentechnik recht hoch, in den WTO-Welthandelsabkommen wurde vereinbart, dass den Gen-Produkten der Zugang zum Markt nicht verweigert werden darf. Mit dem in der vergangenen Woche im Kabinett beschlossenen deutschen Gentechnikgesetz will Landwirtschaftsministerin Renate Künast den gentechnikfreien Anbau in Deutschland schützen. Die Umweltschützer befürchten hingegen das Gegenteil, während die Vorlage der CDU nicht weit genug geht. Die Novelle erlaubt erstmals den Anbau von Genpflanzen, erteilt den Landwirten aber Auflagen. Unter anderem ist eine Haftung für die Fälle vorgesehen, in denen ein konventionelles Feld durch Pollenflug von Genpflanzen „verschmutzt“ wird. Die CDU sieht nun die Gen-Food-Bauern diskriminiert. Für die Golmer Pflanzenphysiologen hat der genetische Eingriff sogar positive Aspekte in Sachen Umweltschutz. Denn wenn man den Pflanzen über die Gene eine Resistenz gegen Schädlinge ermöglicht, würden sich Insektizide einsparen lassen. So gesehen müssten sich Biobauern über Gen-Pflanzen freuen. Auch wird angeführt, dass es angesichts der wachsenden Weltbevölkerung wichtig sei, Methoden zu finden, um nachhaltige Nahrungsressourcen zu schaffen. Was mit der Gentechnik nun möglich werde. Nahrungspflanzen die mit weniger Wasser auskommen, dürften gerade in einer Welt mit drohender Klimaerwärmung an Bedeutung gewinnen. Soweit die Theorie. Was in der Praxis daraus wird, ist eine andere Frage. So kritisieren etwa Umweltschützer, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in Afrika angebaut werden, ohne auf den dortigen Verhältnisse zu entsprechen; mit fatalen Folgen wie Bodenerosion. Greenpeace kritisiert auch das Profitinteresse und die Abhängigkeiten, in die Bauern durch die neuen Pflanzen geraten. Gesundheitliche und ökologische Risiken würden dem Geld zuliebe missachtet. Bei dem Golmer Projekt bemängeln sie, die Nähe zu dem Chemiekonzern „Bayer“. Der Konzern ist aber laut Roß-Stitt in keiner Phase des Kartoffel-Projektes beteiligt gewesen. Die primäre Motivation für die Versuche sei wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn. „Eine Umsetzung der Ergebnisse solcher, durch Steuergelder finanzierte Grundlagenforschung in anwendbare Technologie ist politisch und durch die Steuerzahler erwünscht“, so die Sprecherin. Ob der Steuerzahler die Anwendung wünscht sei dahingestellt. In Zukunft kann er aber auf Grundlage der neuen Gesetzgebung selbst auswählen: Gentechnische Bestandteile in Lebens- und Futtermitteln müssen ab 18. April dieses Jahres gekennzeichnet werden.

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