zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Rauchen verboten?!

Unsicherheit und Ärger in Potsdams Gastronomie über Nichtrauchergesetz: Manche Kneiper wollen Regeln umgehen / Stadt kontrolliert noch nicht

Stand:

Qualmen ist verboten – überall? Die Unsicherheit bei Potsdams Wirten ist groß. Viele Gaststätten- und Barbetreiber wandelten nach Silvester ihre Lokale zunächst in komplett rauchfreie Einrichtungen um. Doch gibt es bereits zivilen Ungehorsam und Ideen wie Raucherclubs oder geschlossene Vereine – Kontrollen von Seiten der Stadtverwaltung dagegen noch keine. „Wir haben noch ein Findungsproblem“, bekennt Ordnungsamtschefin Marina Kluge und verweist auf die kurze Zeit, seit das Gesetz Mitte Dezember im Landtag beschlossen wurde und der jetzigen Umsetzung. Es gäbe noch viele „Unsicherheiten“. Ihre Behörde verständige sich gerade mit dem zuständigen Sozialministerium, sagt Kluge: „Wir müssen uns erst auf die Situation einstellen“.

Maximal ein halbes Jahr Zeit haben die Beteiligten: Dann sollen die mit dem Gesetz angedrohten Bußgelder erhoben werden. In der Schinkelhalle des Waschhaus muss man davor keine Angst haben. „Wir haben es komplett durchgezogen“, sagt Waschhaus-Sprecherin Lisa Ritscher. Die Sicherheitsleute des Hauses würden auf Verstöße hinweisen – und hätten auch das Recht, im mehrmaligen Wiederholungsfall rauchende Gäste des Saales zu verweisen. Geraucht würde nun vor der Tür, so Ritscher: „Die Luft ist jetzt super.“

Weniger erfreut ist dagegen Frank Bock, Betreiber des Zigarrenhauses „Rauchzeichen“ in der Hebbelstraße. Zwar betreibt der Händler kein gastronomisches Gewerbe im klassischen Sinn. Doch das neue Gesetz spürt er bereits bei seinen Aufträgen. Bislang belieferte er das Sechs-Tage-Rennen in Berlin mit seinen Zigarren. Das ist passé. „30 Prozent meines Umsatzes hängen von solchen Aufträgen ab“, schätzt er. Auch von bisher regelmäßigen Zigarren-Abenden sehe er derzeit ab, so lange es Unklarheiten gebe, sagt Bock. Denn diese brächten große Schwierigkeiten. „Was bedeutet ,Nebenraum“, wer kontrolliert die Einhaltung des Gesetzes, wer ist verantwortlich?“, fragt Bock. Trotzdem versucht er, der Regelung auch Positives abzugewinnen: „Vielleicht wird künftig Rauchen wieder mehr als Kultur begriffen.“ Er hofft auf stilvolle Rauch-Clubs und Lounges in Restaurants und Hotels. Denn die „Unsitte mit Heizpilzen vor der Tür“, unter denen sich Raucher drängeln, habe nichts mit dem Genuss edler Tabakware zu tun.

Die Realität sieht freilich eher wie bei Mike Großkopf aus, dem Betreiber der zwei Pubs am Findling in der Großbeerenstraße. Er hat für 1000 Euro ein Zelt gekauft, Teppiche ausgelegt, eine Musikanlage installiert – und wärmt mit einem Heizpilz die Raucher. Auch in seinem Veranstaltungsraum darf geraucht werden, wenn der Anmelder das wünscht. Trotz der Lösung hält Großkopf das Gesetz für „böse Bevormundung“. Beim schon vorher bestehenden Nichtraucherbereich habe es von beiden Seiten keine Beschwerden gegeben. Auch seine Mitarbeiter – 70 Prozent seien Raucher – müssten sich jetzt neben die Gäste ins Zelt stellen.

Mit seinem schon bestehenden Palmenzelt am Hafen versucht das „El Puerto“ das Gesetz zu erfüllen: Das Rauchverbot gilt im Gästeraum vom „El Puerto“, das Palmenzelt wird als der abgetrennte Raum angesehen, in dem geraucht werden kann. So zumindest erklärt es eine Angestellte des „El Puerto“.

Der Lindenpark in Babelsberg arbeitet ebenso an einer Lösung im bestehenden Haus. „Zunächst wird ein Rauchbereich in der Kneipe neben dem Konzertsaal eingerichtet“, sagt Chef Dirk Harder. Eine langfristige Lösung werde gerade mit einem Architekten besprochen: „Es wird gravierende Änderungen unseres Raumkonzepts geben müssen.“ Er hoffe auf den Umbau innerhalb eines halben Jahres – wenn es das wenige Geld des finanziell maroden Trägervereins zulasse.

Auch die Hotels in Potsdam haben in der Mehrheit zumindest noch einige Raucherzimmer im Angebot. Die öffentlichen Bereiche wie Bar, Lobby oder Restaurant sind seit dem 1. Januar hingegen frei vom blauen Dunst. Beschwerden habe es deswegen in keiner der Potsdamer Herbergen gegeben, berichten die Geschäftsführer. Und viele Hotels bieten zumindest vor der Tür noch Raucherinseln an.

Eine Möglichkeit, die das Studentische Kulturzentrum in der Hermann-Elflein-Straße nicht hat. „Wir haben so schon Probleme mit Anwohnern: Wegen des Lärms im Innenhof müssen wir ab 22 Uhr alle Gäste ins Haus bitten“, sagt Stefan Pape, Kulturreferent des Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Universität, der das Zentrum betreibt. Trotzdem soll ab kommenden Montag striktes Rauchverbot im Studententreff in der Innenstadt herrschen. „Wir probieren es aus, ob und wie es mit unseren Gästen funktioniert.“ Doch gebe es mehr Probleme als zufriedene Gesichter seit dem 1. Januar. „Vor allem bei unseren freiwilligen Tresenkräften hat sich Widerstand geregt.“ So kämen bereits Absagen einstiger Helfer, die nun nicht mehr hinter der Theke rauchen dürfen. In naher Zukunft wolle man Ideen sondieren, wie möglicherweise das Rauchen wieder in Teilen des Kuze erlaubt werden könne.

Die „Else“ in Bornstedt hat derweil ein Raucherzimmer geschaffen. 30 Plätze sind im Raum, der „reichlich genutzt“ werde, wie Else-Inhaber Thomas Lührs bestätigt: „Die Leute mosern aber “rum“. Und auch er selbst hält nicht viel von der strengen Verordnung. „Zu DDR-Zeiten durfte zwischen 12 und 17 Uhr nicht geraucht werden, das hat jeder eingesehen. Jetzt ist es viel zu streng.“ In seiner zweiten Kneipe, der Clubgaststätte des SG Bornim, sagten zu Neujahr gleich acht Teilnehmer das Skatturnier ab – weil sie keine Zigarette mehr rauchen durften.

Mit Humor hat dagegen das Pub á la Pub in der Breiten Straße auf das Rauchverbot reagiert. Dort beförderte man die „letzte Zigarette“ cineastisch hinaus: Während des Abschluss-Films „Thank You for smoking“ am 2. Januar saß aber die Mehrzahl der Zuschauer mit Glimmstängel vor der Leinwand, erzählt Stefan Walter. Nun werde das Haus rauchfrei bleiben, so der Vorsitzende des Pub-Betreibervereins: „Wir können aus Platzgründen gar keinen Raucherraum einrichten.“ Furcht vor ausbleibenden Besuchern hat er trotzdem nicht: „Wenn überall nicht mehr geraucht werden darf, hat ja keiner Vorteile.“

Eine humorvolle Variante hat auch Ralf D. Hildebrandt gefunden, der Inhaber der „Hohlen Birne“ im Holländischen Viertel. Jeder, der rauchen möchte, soll künftig „ein Eu“ in ein Sparschwein stecken, ehe er sich die Zigarette anzünden kann. „Für die Strafen“, sagt er und lacht. Aschenbecher stehen aber nicht mehr auf den Tischen. „Aber letztendlich sollte eigentlich jeder selbst entscheiden dürfen“, befindet Hildebrandt. Er fürchtet, dass vor allem kleinere Kneipen „krachen gehen“. Und gerade jetzt im Winter gäbe es noch ein Problem, meint der Gastwirt ironisch: Mehr Kältetote als Rauchertote: „Raucher, die jetzt vor die Tür müssen, bekommen noch leichter Grippe.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })