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Homepage: Restrukturierung

Die rechtsextreme NPD stellt sich neu auf

Stand:

Die NPD rüstet offensichtlich auf. Ein Jahr vor den Kommunalwahlen und zwei Jahre vor den Landtagswahlen sind in Brandenburg verstärkte Aktivitäten zu verzeichnen. Sei es der angebliche Kauf eines Landgutes in Rauen als Schulungszentrum, sei es der Aufmarsch in Cottbus Ende Juli. Auch in Berlin wird eifrig getrommelt, etwa bei öffentlichen Veranstaltungen in Berlin-Köpenick und Tempelhof. Hinzu kommt, dass die NPD mit wachsender Mitgliederzahl – aktuell mehr als 7000 – das rechtsextreme Parteienspektrum offensichtlich zu dominieren beginnt. Beobachter stellen eine Verschiebung der Gewichte im deutschen Rechtsextremismus von DVU und Republikanern zur NPD fest.

Was Brandenburg betrifft haben Gideon Botsch und Christoph Kopke vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) die Entwicklung genauer analysiert. In der Zeit bis zu den Kommunalwahlen werde die Restrukturierung des rechtsextremen Milieus massiv vorangetrieben, so ihr Ergebnis. Hier erweise sich die NPD, wie auch in anderen Bundesländern, als „Gravitationsfeld“ (Verfassungsschutz). Ihre Krise im Brandenburger Flächenland allerdings, so die beiden Politikwissenschaftler, habe die NPD ebenso wenig überwunden wie die Neonazi-Kameradschaften. „Deren Schwäche ist nicht nur durch die rigide Repression und Verbotspolitik des Innenministeriums begründet, sondern auch durch ein breites Spektrum zivilgesellschaftlicher Aktivitäten“, heißt es in einer Analyse der Wissenschaftler (in: Dialog 2/2007. Heft 35). „Man kann sagen, dass die NPD in Brandenburg nicht so gut aufgestellt ist, wie in anderen Ländern, gleichwohl sieht sie den Nachholbedarf“, fasst Cristoph Kopke gegenüber den PNN zusammen.

Auffällig sei auch , dass sich gerade im so genannten Speckgürtel um Berlin verstärkt NPD-Funktionäre aus dem ehemaligen West-Berlin niedergelassen haben: Oberhavel gelte mittlerweile als Rückzugsraum. Allerdings, so Kopke, wisse man nicht, ob dahinter eine gezielte Strategie stecke. Botsch und Kopke verweisen auch auf Strategiepapiere der NPD, aus denen hervorgehe, dass sich die Rechtsextremen in den strukturschwachen Regionen der neuen Bundesländer als „Bewegung der Dagebliebenen“ und „Schutzmacht der kleinen Leute“ präsentieren. Die Parteinahme für „deutsche“ Hartz-IV-Empfänger sei allerdings reine Demagogie. Denn in ihrem seit 1999 gültigen Parteiprogramm bekenne sich die NPD zu einem Konzept der „nationalen Solidarität“, das nach Ansicht der Politologen die gegenwärtigen Standards des Sozialstaates „noch deutlich“ unterbiete. „Gerade hinter der Kapitalismus-Kritik der NPD verbirgt sich vor allem ein aggressiver, kaum mehr getarnter Antisemitismus“, schreiben Botsch und Kopke. Der Blick auf die Geschichte der Partei verdeutliche, dass vieles vermeintlich Neue an der NPD gar nicht so neu sei.

Der Kampf um die Parlamente habe bei der NPD nur instrumentellen Charakter, schreiben die Politologen. „Denn die NPD bleibt erklärtermaßen eine anti-parlamentarische Partei, die einen autoritären Staat mit plebiszitären Elementen anstrebt.“

Interessant auch der Hinweis der beiden MMZ-Forscher zu der „Wortergreifungsstrategie“ der Partei: „Dabei gehen NPD-Anhänger – oft unterstützt durch gewaltbereite Neo-Nazis – zu demokratischen Veranstaltungen, die sie zu Foren ihrer Demagogie machen wollen.“ Die Arg- und Ahnungslosigkeit vieler Veranstalter eröffne ihnen dabei mitunter Spielräume. „Aber auch die Drohung mit Gewalt steht zumindest latent im Raum.“ Diese Strategie sei Teil des „Kampfes um die Köpfe“ den die NPD verfolge. „Vor diesem Hintergrund lässt sich sicher auch die Bestrebung um ein Schulungszentrum sehen“, schätzt Kopke. Das angeblich geplante NPD-Schulungszentrum in Rauen ist nach Ansicht von Experten für die NPD auch über Brandenburgs Grenzen hinaus von Bedeutung „Es deutet vieles darauf hin, dass es ein strategisches Projekt der Bundespartei ist“, so Albrecht Kolthoff vom Recherchedienst „redok“.

Botsch und Kopke, die auch zu den Herausgebern des im September erscheinenden Handbuchs „Rechtsextremismus in Brandenburg“ gehören, haben zehn Thesen zum Rechtsextremismus in Brandenburg aufgestellt (Newsletter des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, 13.06.2007). Darin kommen sie zu dem Schluss, dass dem direkten Umland von Berlin für die Rechten zunehmend die Funktion eines „Aufmarsch- und Rückzugsraumes“ mit Blick auf die Bundeshauptstadt zukomme. „In den strukturschwachen Randlagen hingegen können rechtsextreme Kameradschaftsnetze relativ unbeobachtet von der Öffentlichkeit agieren.“

Trotz der schon erwähnten Erfolge des politischen und bürgerschaftlichen Engagements gegen Rechts in Brandenburg stellen die beiden Sozialforscher fest, dass rechtsextreme Einstellungen im ganzen Land wachsen, während rechtsextreme Straf- und Gewalttaten auf einem sehr hohen Niveau verbleiben. Jüngst rückläufige Entwicklungen bei Gewalt- und Straftaten könnten noch nicht als Trendwende gewertet werden: „Das rechtsextrem und fremdenfeindliche Potenzial in Brandenburg bringt eine besondere Gewaltbereitschaft zum Ausdruck.“ Hinzu kämen Nachwirkungen der Wendezeit: „Rechtsextreme Gruppen profitieren insbesondere von dem verbreiteten Bewusstsein über Defizite der demokratischen und gesellschaftlichen Entwicklung seit dem Beitritt Brandenburgs zur Bundesrepublik, die sich in Teilen der Gesellschaft zu einer manifesten Ablehnung des parlamentarischen Verfassungsstaates entwickeln.“ Jan Kixmüller

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