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Nicola Sturgeon, erste Ministerin Schottlands.

© PNN / Ottmar Winter

M100 Sanssouci Colloquium: Schottische Regierungschefin erhält M100 Media Award in Potsdam

Für ihren Anti-Brexit-Kurs erhielt Nicola Sturgeon im Orangerieschloss Sanssouci den M100 Media Award. Zu dem Gipfel zuvor waren rund 100 Gäste gekommen.

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Sanssouci - Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ist mit dem Potsdamer Medienpreis M100 ausgezeichnet worden. Die Erste Ministerin setze sich mit Leidenschaft und sehr guten Argumenten für einen Verbleib Großbritanniens ein, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in seiner Laudatio.

Sie sei eine Freundin Europas und eine verlässliche pro-europäische Stimme. Sturgeon zeichne sich besonders dadurch aus, gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Der M100 Award wird seit 2005 im Rahmen der Medienkonferenz M100 Colloquium vergeben. Zu dem Branchengipfel kamen auch in diesem Jahr wieder mehrere Dutzend namhafte Chefredakteure, Herausgeber und Politiker im Orangerieschloss im Park Sanssouci zusammen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sprach über Polarisation

Die politische Rede hatte am Abend Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gehalten. Die Krisen in Europa und der Streit über den Euro, die Flüchtlinge oder Brexit habe polarisiert und politisiert. „Europa als Auflagensenker und Quotenkiller war gestern“, so Schäuble. Die EU brauche eine europäische Öffentlichkeit, die der Vielfalt Raum gebe, aber auch einen Fokus aufs das Gemeinsame ermöglicht.

Titel war „From Pipedream to Reality – Democracy and the European Public Sphere“.
Titel war „From Pipedream to Reality – Democracy and the European Public Sphere“.

© Ottmar Winter

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der quasi als Hausherr sprach und sich zu Beginn seiner Rede erst einmal für sein „holpriges“ Englisch entschuldigter, im Gegensatz zu den anderen Politikern aber in der Muttersprache der Geehrten sprach, bezeichnete Rede- und Pressefreiheit als wesentlichen Bestandteil unserer demokratischen DNA. „Ohne freie Medien, ohne Zugang zu Informationen ist eine fundierte Meinungsbildung unmöglich und die Demokratie wird scheitern.“

Zum europäischen Geist

Schubert, der 1973 in Schwedt (Oder) geboren wurde, berichtete auch von seiner Jugend in der DDR. „Ich weiß, wie es ist, in einem undemokratischen Staat zu leben. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man nicht sagen kann, was man denkt.“ Nach dem Mauerfall habe er den europäischen Geist und die Öffnung der Grenzen begrüßt. „Nun blicken wir mit Sorge auf den drohenden Brexit und das Aufflammen des anti-europäischen Populismus auf dem gesamten Kontinent.“ Menschen wie Sturgeon ermutigten, für ein besseres Europa zu kämpfen.

Agron Bajrami, Journalist aus dem Kosovo.
Agron Bajrami, Journalist aus dem Kosovo.

© Ottmar Winter

Im M100 Sanssouci Colloquium hatten tagsüber gut 100 Journalisten, Medienmacher und Wissenschaftler aus Europa und den USA in der Orangerie über die europäische Öffentlichkeit und die Zukunft des Journalismus in Europa diskutiert. Saskia Sassen, US-amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin, rief in ihrer Eröffnungsrede dazu auf, sich gegen Finanzinvestoren zur Wehr zu setzen, die seit den 1970-Jahren nahezu unmerklich das komplexe gesellschaftliche System, in dem wir leben, verändert hätten.

In den USA existiere die Mittelschicht mittlerweile nicht mehr – es gebe nur eine sehr reiche obere Mittelschicht und eine untere Mittelschicht, bedroht von Armut. Sie beobachte eine solche Entwicklung in Ansätzen auch in Europa. Die Gesellschaft müsse besser verstehen, was sich in ihr verändert habe, es seien neue Formen der Analyse und Untersuchung nötig, sagte Sassen.

Die Rolle des Journalisten

Journalisten und Medienmacher betrachteten auch ihre eigene Rolle kritisch. Man müsse sich mehr anstrengen, außerhalb der eigenen Perspektiven zu berichten – die beispielsweise oft geprägt sei vom Leben in einer Großstadt, was aber in Deutschland nur für die Hälfte der Bevölkerung zutreffe. Um eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen, müsse auch lokal über Europa berichtet werden – was aber kaum gelinge, weil zu viele Redaktionen geschlossen worden seien, sagte die britische Wissenschaftlerin Dominique Roch. Die junge Generation wende sich daher digitalen Medien und Bloggern zu.

Gezielte Desinformation zur Schwächung des Journalismus

Zudem ging es um die Gefährdung der Pressefreiheit in Europa. Sie sei noch nie seit dem Ende des Kalten Kriegs so bedroht gewesen wie heute, heißt es dazu in der erstmals veröffentlichten M 100-Erklärung. Mitten in Europa werden Journalisten ermordet, oftmals würden die Verbrechen nicht verfolgt und aufgeklärt. Die populistischen Machthaber diskreditierten Journalisten als Staatsfeinde, warnte Julie Posetti vom britischen Reuters Institute for the Study of Journalism. Dies befördere Angriffe auf Journalisten. Zudem werde gezielt Desinformation eingesetzt, um Journalismus zu schwächen.

Rund 100 Gäste aus der Medienbranche waren zu dem Gipfel gekommen.
Rund 100 Gäste aus der Medienbranche waren zu dem Gipfel gekommen.

© Ottmar Winter

Tolgay Azman, Vize-Chefredakteur von Stern Digital, forderte Journalisten und Medienhäuser auf, Lesern und Nutzern mehr über die journalistische Arbeit mitzuteilen, die Redaktionen zu öffnen, Probleme zu benennen: „Wir brauchen in dieser Auseinandersetzung die Öffentlichkeit auf unserer Seite.“ Im dritten Teil der Debatte waren journalistische Innovationen das Thema: Schafft es die Branche, die wirtschaftlich unter Druck steht, sich mit Innovationen zu erneuern, neue Zielgruppen zu erschließen?

Hier waren viele Plädoyers für mehr Zusammenarbeit zu hören. Frederik Fischer, Gründer und Chefredakteur von piqd, forderte einen Zusammenschluss von Öffentlich-Rechtlichen und Verlegern, um tatsächlich Innovationen und vor allem eine digitale Infrastruktur voran zu bringen, die verhindert, dass Medien immer weniger Menschen erreichen.

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