Sport: Schwimmer werden zurückgestuft
Dr. Andreas Hoeppner, Leiter des Olympiastützpunkts Potsdam, zu Konsequenzen nach Olympia 2004
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Dr. Andreas Hoeppner, Leiter des Olympiastützpunkts Potsdam, zu Konsequenzen nach Olympia 2004 Eine Analyse des deutschen Abschneidens bei den Olympischen Spielen dieses Jahres in Athen und erste Schlussfolgerungen für Peking 2008 standen in dieser Woche im Mittelpunkt eines dreitägigen Großseminars der Bundestrainer gemeinsam mit einer Tagung der Olympiastützpunkt-Leiter in Leipzig. Zu den Teilnehmern gehörte auch Dr. Andreas Hoeppner, Leiter des Olympiastützpunktes Potsdam. Wie lässt sich aus Ihrer Sicht das Resultat der dreitägigen Beratungen zusammenfassen, Herr Hoeppner? Ulrich Feldhoff, Vizepräsident und Leistungssport-Verantwortlicher des Deutschen Sportbundes, bewertete den sechsten Platz der deutschen Olympiamannschaft in der Nationenwertung von Athen mit der Schulnote drei. Insgesamt wurde eingeschätzt, dass nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich, Italien und Spanien sowie viele andere europäische Länder Verlierer der Olympischen Spiele sind. Während die USA relativ gleichbleibend abschnitten, ist Asien mit China und Japan an der Spitze der eigentlichen Gewinner und hinsichtlich Peking 2008 auch der perspektivische. Deutlich wurde in der Beratung auch, dass Sportarten wie Kanu und Rudern und einige Spielsportarten in Athen ein gutes bis sehr gutes Ergebnis erreichten, während in anderen Sportarten der Abwärtstrend nicht gestoppt werden konnte – wie in der Leichtathletik, im Schwimmen, im Turnen. In diesen – auch medaillenintensiven – Sportarten hat Deutschland sozusagen das Klassenziel nicht erreicht. Gab es Signale der Politik in Leipzig? Der Vertreter des Bundesministeriums des Innern, Herr Pöhle, hat den Stellenwert des Spitzensports für die Bundesregierung deutlich gemacht und mitgeteilt, dass der Sportförderhaushalt der Bundesregierung in 2004 stabil geblieben ist und für 2005 auch bleiben wird. Der deutsche Spitzensport hat somit in der Bundesregierung weiterhin einen stabilen Partner. Im Bundesministerium des Innern ist man mit der Fortschreibung und Aktualisierung des Leistungsportprogramms beschäftigt. Die Fertigstellung wurde für 2005 in Aussicht gestellt. Damit verbunden ist zum Beispiel die Präzisierung der Richtlinien für Verbandsförderung, Sportstättenbau und Stützpunktförderung. Hier will man darauf hinwirken, dass konkrete Zielvereinbarungen mit den Spitzensportverbänden für einen Olympiazyklus abgeschlossen werden und über eine entsprechende Sockelfinanzierung in noch stärkerem Maße Planungssicherheit hergestellt wird. Die Vertreter des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr machten ebenso deutlich, dass ihre Unterstützung und Förderung fortbestehen wird, konkret zum Beispiel im Ausbau des BSG-Leistungssportzentrums in Cottbus. Kommen wir noch einmal zurück auf Athen 2004: Worin lagen laut jetziger Beratung die Hauptursachen für das unbefriedigende Abschneiden der Deutschen? Es gibt aus Sicht des Bundesvorstandes Leistungssport des DSB vielfältige Ursachen. Als Probleme und zugleich Arbeitsbilder für die Vorbereitung auf Peking 2008 wurden genannt: trainingsmethodische Probleme im Bereich der spezifischen Vorbereitung, der Periodisierung und Trainingssteuerung, die mentale Vorbereitung der Athleten auf den Zielwettkampf, auch das unprofessionelle Auftreten einiger Athleten direkt in Athen sowie das Fehlen von „Leitwölfen“ – wie es der Vizepräsident nannte – in den verschiedenen Teilmannschaften, die sowohl mit ihrer Leistung als auch mit ihrem Auftreten führen und andere mitreißen können. Zu prüfen gilt auch, inwiefern die Verbundsysteme der einzelnen Regionen mit ihren Olympia-, Bundes- und Landesstützpunkten, Sportschulen und leistungssporttragenden Vereinen leistungsfördernd wirksam waren und wie es künftig noch besser gelingen kann, alle Partner zusammen zu führen, um aus dem regionalen Standort heraus möglichst vielen mit individuellen Bestleistungen auftretende Sportler präsentieren zu können. Auch die Trainer- und Betreuer-Problematik wurde genannt. Sowohl die Qualität als auch die Masse an Leuten im Umfeld waren nicht immer leistungsfördernd. Heißt das, dass zum Teil zu viele Trainer mitmischten? So war das gemeint. Hier stellt sich für den deutschen Sport die Frage, wo zukünftig junge, gut ausgebildete und hoch engagierte neue Trainerkollegen herkommen, denen es gelingt, den schon genannten Abwärtstrend zu stoppen und in der einen oder anderen Sportart wieder in einen Aufwärtstrend umzuwandeln. Welche Schlussfolgerungen und Aufgaben für die kommenden vier Jahre haben Sie für den Olympiastützpunkt Potsdam aus Leipzig mitgebracht? In Leipzig wurde festgestellt, dass 95 Prozent der Athleten der deutschen Olympiamannschaft an mindestens einem Olympiastützpunkt Betreuungsleistungen in Anspruch nahmen. Das heißt: Das System der Olympiastützpunkte hat sich im Rahmen der Olympia-Vorbereitung 2004 bewährt. Das wurde ja nach 2000 – gerade auch auf den Standort Potsdam bezogen – von DSB-Seite damals ganz anders eingeschätzt. Der Auftrag an uns als auch an die Verbände lautet, die Kooperationsvereinbarungen – die zwischen den Spitzenverbänden und den Olympiastützpunkten bestehen – zunächst auszurichten auf den Gesamt- Olympiazyklus, dann konkret für 2005 zu präzisieren und eine stärkere Individualisierung und Spezialisierung in den verschiedenen Sportarten auf die einzelnen Athleten und ihr Leistungsvermögen hin zu realisieren. Das heißt konkret, dass die Verbände aufgefordert sind, jetzt ein Top-Team Peking 2008 zu formieren, was einhergehen wird mit einer Verringerung der Gesamtkaderzahl in einzelnen Verbänden. Soweit mir bekannt, haben beispielsweise der Deutsche Leichtathletik-Verband, der Deutsche Kanu-Verband und der Deutsche Schwimm-Verband – also in Potsdam beheimatete Sportarten – dies bereits praktiziert. Die Ruderer werden sicherlich in Kürze folgen, viele andere Sportarten auch. Man wird hier schon deutlich machen: Wer sind die Athleten, auf die sich dann auch die Betreuungsleistung des Olympiastützpunktes zu konzentrieren hat. Das Stichwort Schwimmen fiel: Wird dem Bundesstützpunkt Schwimmen in Potsdam Ungemach drohen? Der DSB-Bereich Leistungssport ist gegenwärtig mit der Fortschreibung der verschiedenen Bestandteile des nationalen Spitzensport-Konzeptes befasst. Dabei geht es beispielsweise um das Förderkonzept 2012, die Weiterentwicklung des Stützpunktsystems und das Nachwuchsleistungssportkonzept. Und in diesem Stützpunktsystem ist in Leipzig der Bundesnachwuchsstützpunkt als neues Strukturelement vorgestellt worden. Das wird wahrscheinlich auch das künftige Qualitätskriterium für Schwimmen in Potsdam sein. Vor dem Hintergrund der hiesigen Kader- und Trainersituation wird der Deutsche Schwimm-Verband – dessen Olympiaauswertung bereits in Barsinghausen erfolgte und dessen Verbandstag für den 19./20. November ansteht – wahrscheinlich beschließen, dass in Potsdam zukünftig Nachwuchsathleten weiter beste Bedingungen haben werden, um ihr sportliches Leistungsvermögen ausprägen zu können. Letztlich bedeutet das aber eine Rückstufung, die auch zusammenhängt mit der Konzentration und Straffung des Bundeskaders und des Stützpunktsystems wie in allen Sportarten. Die Potsdamer werden in den nächsten vier Jahren unter Beweis stellen müssen, ob entweder über solide Nachwuchsarbeit am Standort eine Rückgewinnung des Titels Bundesstützpunkt möglich ist oder ob sie in der Perspektive Zulieferstützpunkt für andere Hauptstützpunkte – beispielsweise Berlin – sein werden. Droht den anderen in Potsdam beheimateten olympischen Sportarten Ähnliches? Soweit gegenwärtig bekannt ist, nicht – dank der Leistung der Athleten in Athen sowie ihrer hiesigen Trainer, insbesondere von Jutta Lau und Rolf-Dieter Amend im Rudern und Kanurennsport. Auch die Leichtathletik – erstmals wieder mit vier Teilnehmern in Athen vertreten – wird als Bundesstützpunkt und offensichtlich Schwerpunktstandort im Land Brandenburg hier in Potsdam fortbestehen. Ob zusätzlich neue Sportarten hinzukommen, ist noch offen. Wir werden uns in den nächsten Wochen mit dem Deutschen Fußball-Bund zum Thema Frauenfußball und Stützpunktsystem verständigen. Ich weiß, dass Potsdams Triathleten und Moderne Fünfkämpfer ebenfalls beantragt haben, Bundesnachwuchsstützpunkt zu werden. Hier stehen die Entscheidungen der Verbände noch aus. Was werden 1400 Tage vor Beginn der nächsten Olympischen Spiele eventuell noch in dieser Woche die ersten Aufgaben von Andreas Höppner sein? Wir sind derzeit im gesamten Land Brandenburg und damit auch am Olympiastützpunkt Potsdam zum einen mit der Analyse und Auswertung unserer Leistungen für die einzelnen Spitzenverbände im vergangenen Olympiazyklus befasst und bereiten zum anderen die Forschreitung der Kooperationsvereinbarungen mit Blick auf Peking 2008 vor. Des weiteren unterstützen wir unsere Landessportverbände bei der Fortschreibung ihrer Regionalkonzepte, die – abgestimmt mit den Spitzenverbänden – den Weg aufzeigen, wie von der Talentfindung über die Förderung der Landeskader und deren Entwicklung zu Bundeskadern auch künftig olympische Spitzenathleten aus dem Land Brandenburg kommen können. Das Interview führte Michael Meyer
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