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"RTL aktuell" mit Anchorman Peter Kloeppel und "Bild" entschieden sich dafür, den Kopiloten Andreas L. beim vollen Namen zu nennen.

© Tsp

Co-Pilot Andreas L.: Sollte man den vollen Namen nennen?

Die Rechtslage ist im Grunde eindeutig: Es wäre korrekt, den vollen Namen des Co-Piloten Andreas L. zu nennen. Doch die Medien sind in dieser Frage gespalten wie selten.

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„RTL aktuell“ ist als TV-Nachrichtenmagazin nicht weniger seriös als die „Tagesschau“ oder das „heute-journal“. „Es verbietet sich, über die Motive des Co-Piloten zu spekulieren“, sagte Anchorman Peter Kloeppel um 18 Uhr 45 am Donnerstag. Dann gab die RTL-Newssendung die journalistische Zurückhaltung jedoch auf und nannte den Co-Piloten beim vollen Namen. „Aber natürlich fragen sich nun alle, wer war dieser Mann, dessen große Leidenschaft die Fliegerei war. Wir haben zusammengetragen, was bislang über Andreas Lubitz bekannt ist“, begann Kloeppel einen Bericht über den Co-Piloten.

Den Namen des Mannes, der sich offenbar selbst tötete und dabei 149 Menschen mit in den Tod riss, hat jedoch weder RTL noch die „Bild“-Zeitung – die am Freitag mit der Schlagzeile „Andreas Lubitz (27) – Der Amok-Pilot“ titelte – bekannt gemacht. Dies war bereits zuvor auf der Pressekonferenz des französischen Staatsanwaltes geschehen. Brice Robin nannte auf die Frage eines Journalisten den Namen des Co-Piloten, buchstabierte ihn sogar vor laufenden Kameras. Doch dürfen die Medien, speziell in Deutschland, diesen Namen tatsächlich weiterverbreiten, allen Persönlichkeitsrechten zum Trotz?

Eine gewisse Unsicherheit blieb selbst bei „Bild“. Chefredakteur Kai Diekmann fragte via Twitter den US-Medienwissenschaftler Jeff Jarvis: „Haben wir einen Fehler gemacht, als wir den Namen nannten?“ „Nein“, antwortete der Amerikaner, das liege im öffentlichen Interesse. Die ebenfalls im Springer-Verlag erscheinende „Welt“ mit Chefredakteur Jan-Eric Peters will hingegen auch weiterhin auf die Namensnennung verzichten. Für RTL hingegen gab es „keine Veranlassung mehr für eine Anonymisierung“, nachdem der französische Staatsanwalt der Weltpresse den vollständigen Namen buchstabiert hatte und der Name danach durch fast alle Medien ging.

Im Pressekodex sind die Persönlichkeitsrechte geregelt

Die Persönlichkeitsrechte werden unter anderem im Pressekodex des Deutschen Presserates geregelt. „Die Presse veröffentlicht dabei Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt“, heißt es dort. Dies sei dann der Fall, wenn „eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliegt“. Beim Presserat waren bis zum Freitagmorgen 200 Beschwerden zur Berichterstattung über den Absturz eingegangen. Dabei ging es unter anderem um die Namensnennung, aber auch die Nutzung des Facebook-Profils von Andreas L. wurde moniert. Die sozialen Medien seien ein legitimes Rercherchewerkzeug, teilte der Presserat dazu mit und ergänzte: „Nicht alles, was verfügbar ist, darf auch ohne Einschränkung verwendet werden.“

In früheren Fällen wie beispielsweise bei den Amokläufen von Erfurt und Winnenden wurde in Deutschland auf die Namensnennung der Täter weitgehend verzichtet. Dies galt keineswegs dem Täterschutz, sondern sollte vor allem verhindern, dass Nachahmer auf diese Weise zu Berühmtheit gelangen.

Beim Flugzeugabsturz von Südfrankreich fehlt diese einheitliche Linie. In den Internet-Ablegern von Zeitungen und Zeitschriften wie „Zeit Online“, stern.de oder im Internetauftritt der „Augsburger Allgemeinen“ wird der Co-Pilot genauso beim Namen genannt wie bei „Bild“/bild.de oder huffingtonpost.de.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat sich der Blick auf Andreas L. seit der Pressekonferenz von Marseille allerdings bereits weiter gewendet. Während am Donnerstag in der „Tagesschau“ oder der RBB-„Abendschau“, die ebenfalls über die unfassbare Wendung in der Flugzeugkatastrophe berichtete, noch vom Co-Piloten Andreas L. gesprochen wurde, fiel der Name im Frühstücksfernsehen von ARD und ZDF am Freitagmorgen nicht. Zu diesem Zeitpunkt war wenig darüber bekannt, was das Verhalten des Co-Piloten erklären könnte. Auch die Vermutungen über eine Depression waren spekulativ. Im Zentrum der Betrachtungen stand vielmehr die Einsicht, dass durch diese offenbar bewusst herbeigeführte Katastrophe das uneingeschränkte Vertrauen in die Arbeit der Piloten zumindest vorerst beeinträchtigt wurde. Welche Namen die Piloten haben, spielt dabei keine Rolle mehr.

Juristischer Fall ohne Beispiel

Auch aus juristischer Sicht ist das Geschehen ein Fall ohne Beispiel. Andreas L. ist tot, trotzdem ist sein Persönlichkeitsrecht damit nicht erloschen. Als möglicher Verursacher der Katastrophe ist er nicht nur ihr eigenes Opfer, sondern zugleich – mutmaßlicher – Täter. Die Berichterstattung über ihn spielt sich daher im Spannungsfeld zwischen zulässiger Verdachtsberichterstattung auf der einen und den Grenzen seines postmortalen Persönlichkeitsrechts auf der anderen Seite ab. Mit dem Tod schrumpft das Persönlichkeitsrecht, ein Toter kann nicht mehr in derselben Weise „belästigt“ werden wie ein Lebender. Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt daher nach Meinung der Gerichte nur davor, dass über einen Verstorbenen Lügen oder Beleidigungen verbreitet werden. Entsprechend könnten Angehörige dieses Recht mit Klagen durchsetzen. Ob sie auch durchsetzen könnten, dass sein Name nicht genannt wird, erscheint allerdings fraglich. Der weitgehende Schutz des Namensrechts gilt für Lebende.

Als weitere Einschränkung kommt hinzu, dass bei der Berichterstattung über schwere Straftaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz haben soll. Ein Straftäter „muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch die Medien befriedigt wird“, urteilte das Bundesverfassungsgericht 2009. L. kann nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, er ist jedoch verdächtig, seine Passagiere getötet zu haben.

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