Landeshauptstadt: Spottmiete für Ex-Minister?
2,51 Euro pro Quadratmeter – eine traumhaft niedrige Miete für Potsdamer Verhältnisse. Mehr aber wollte die Kassenärztliche Vereinigung von einem prominenten Mieter über Jahre offenbar nicht haben
Stand:
Es ist ein stattlicher Bau in Potsdams Jägervorstadt, Baujahr etwa 1890, ein fein herausgeputztes klassizistisches Bauensemble mit Haupthaus, Seitenflügeln und Gartenhaus, mit zwei schweren, schmiedeeisernen Portalen, hübsch verziert wie auch die Stuckelemente am Gesims. Zum Jahresende wird diese Immobilie, die im Eigentum der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) steht, verkauft.
Ex-Minister Rainer Speer ist Mieter bei der KVBB
Die KVBB hat hier einen prominenten Mieter. Es ist Rainer Speer, zwei Jahrzehnte in hohen Regierungsfunktionen in Brandenburg, unter anderem war er Chef der Staatskanzlei, dann Finanzminister, am Ende Innenminister – einer der einflussreichsten SPD-Politiker im Land. 2010 musste er wegen einer Unterhaltsaffäre zurücktreten. Rund 132 Quadratmeter hat die Familie Speer im Dachgeschoss des Bürogebäudes als Wohnung gemietet – so steht es auch im Lageplan des Hauses.
Wirtschaftlichkeitsgebot? Interne Unterlagen werfen Fragen auf
Für sich genommen, ist Speer erst einmal – trotz seiner Bekanntheit – ein gewöhnlicher Mieter. Doch den PNN vorliegende Unterlagen zum Verkauf des Gebäudes werfen Fragen auf – etwa nach den Speer eingeräumten Mietkonditionen. Oder wie die KVBB mit ihren Finanzen, den Beiträgen der Mitglieder und dem Wirtschaftlichkeitsgebot umgeht. Immerhin ist die KVBB eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sie vertritt unter anderem die Interessen von fast 4000 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten und finanziert sich aus deren Beiträgen. Ihr sind vom Staat ebenfalls Aufgaben übertragen worden, um die ärztliche Versorgung sicherzustellen.
2,51 Euro pro Quadratmeter in beste Lage
Für den Hausverkauf ließ die KVBB von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein Wertgutachten für die Immobilie erstellen. „Die Lage ist gut und nachgefragt“, heißt es in dem 32-seitigen Gutachten, datiert vom 29. Januar 2015. Und auf Seite 16 folgt ein Satz, der in Potsdam angesichts steigender Mieten nur verwundern kann: Laut „schriftlicher Auskunft der Auftraggeberin“, also der KVBB, vom 27. Januar 2015 „erzielt die Wohneinheit eine monatliche Nettokaltmiete von 333,75 Euro“. Das wären 2,51 Euro je Quadratmeter. An anderer Stelle ist in dem Gutachten direkt von der „zum Wertermittlungsstichtag erzielten Ist-Miete in Höhe von 2,51 Euro je Quadratmeter Wohnfläche“ die Rede.
Laut Gutachten wären bis zu 11,50 Euro pro Quadratmeter möglich
Für die Büros in dem Haus hat der Gutachter hingegen – wegen des „als gut bis sehr gut erachteten Standorts“ – immerhin eine Miete von zehn Euro pro Quadratmeter als marktüblich errechnet. Die Frage ist, was für die fragliche Wohnung an Miete genommen werden könnte und was die KVBB hätte längst einnehmen können. Der Gutachter jedenfalls analysiert, was für diese Wohnung erzielt werden könnte. Das Ergebnis: Für Wohnungen in dieser Lage wären es mindestens acht Euro pro Quadratmeter, möglich wären aber auch 11,50 Euro. Damit könnte die KVBB eine Nettokaltmiete von rechnerisch rund 1050 bis 1550 Euro für die Wohnung verlangen. Wie die KVBB dem Gutachter mitteilte, hat der Mietvertrag dazu eine unbefristete Laufzeit und „ist vom geplanten Auszug der KVBB nicht betroffen“. Von einer Beendigung des Mietverhältnisses könne nicht ausgegangen werden, heißt es in dem Papier. Einschränkend heißt es, dass der Gutachter die Wohnung nicht besichtigt hat und daher unterstellen musste, dass sie voll ausgestattet und zumindest teilsaniert ist.
Die KVBB antwortet auf PNN-Anfrage ausweichend
Speer selbst wollte sich auf PNN-Anfrage nicht näher äußern. Er erklärte lediglich, die von den PNN zusammengetragenen Daten seien falsch. Zudem sei er für die Angelegenheiten seines Vermieters nicht zuständig. Auch die KVBB erklärte auf PNN-Anfrage, der den PNN vorliegende Mietpreis sei falsch. „Entsprechend der gesetzlichen Möglichkeiten wurde der Mietpreis dynamisiert“, teilte die KVBB mit. Über den aktuellen Mietpreis werde wegen des Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft gegeben.
Die PNN konfrontierten daraufhin die KVBB mit dem Gutachten, das sie selbst für den Verkauf hatte erstellen lassen. Dennoch bestritt die Vereinigung erneut den Preis, hüllte sich über die Höhe der Miete aber weiter in Schweigen. Dabei haben nach PNN-Recherchen selbst Mitarbeiter der Vereinigung gegenüber Kaufinteressenten den Quadratmeterpreis von 2,51 Euro bestätigt. Auch weitere Fragen zu den Mietkonditionen für den Ex-Minister – etwa zur Nutzung von Stellplätzen oder des Gartens der Immobilie – ließ die KVBB unbeantwortet.
Mietvertrag mit der VEB-Gebäudewirtschaft vom März 1989
Zur Vorgeschichte heißt es von der KVBB immerhin, man habe den Bau im August 1991 erworben. Damals habe ein bereits im März 1989 abgeschlossener Mietvertrag zwischen der VEB-Gebäudewirtschaft und den Mietern bestanden. Für den Garten des Hauses habe ein gesonderter Pachtvertrag gegolten, der im August 1989 abgeschlossen worden sei. Schließlich erklärte die KVBB: „Dem Grundsatz folgend ,Kauf bricht nicht Miete’ war der Mieter zu übernehmen und aus dem DDR-Mietvertrag nicht heraus kündbar.“
Übrigens taxiert das Gutachten den Verkehrswert des Hauses auf 4,4 Millionen Euro. Die KVBB habe aber einen höheren Erlös erzielt, wie sie erklärte.
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