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Autoindustrie will in Zukunft auf Kraftstoffe aus Biomasse setzen, Brandenburg könnte Rohstoffe liefern
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Womit werden die Autos fahren, wenn in rund 50 Jahren das Erdöl weltweit aufgebraucht sein wird? Bisherige Lösungsansätze wie Hybridmotoren, Wasserstoffzellen oder Biodiesel stoßen bei der Industrie auf wenig Begeisterung. Sie setzt ihre Hoffnungen auf Biokraftstoffe der zweiten Generation: das Sundiesel. Biomasse, also Holz, Stroh oder Getreidepflanzen soll zunächst zu Gas verbrannt werden. Und aus diesem künstlichen Gas wird dann Diesel produziert. „Biomass to Liquid“ (BTL) heißt der Fachbegriff – Biomasse zu Flüssigkeit.
Was hat Brandenburg davon? „Eine Chance als Hauptlieferant für Biomasse“, sagt Martin Tauschke vom Landesverband für Biogene und Regenerative Kraft- und Treibstoffe. Profitieren könnten also vor allem die Landwirte der Mark. „Bei der Technologie sind wir nicht so up-to-date“, fügt der Experte hinzu. Die wird derzeit vor allem in Sachsen entwickelt. In Kooperation mit VW und DaimlerChrysler will die Firma Choren aus Freiberg – hervorgegangen aus dem Deutschen Brennstoff Institut der DDR – im kommenden Jahr die ersten Industrieanlagen zur Produktion von Sundiesel bauen.
Brandenburg gehört nicht zu den ausgesuchten Standorten – im Gegensatz zu Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern oder Uelzen in Niedersachsen. Allerdings könnte Brandenburg indirekt profitieren. Denn für die Produktionsanlagen werden große Mengen Biomasse benötigt – 200 000 Tonnen BTL pro Jahr etwa in Lubmin. „Ich gehe davon aus, dass die Uckermark zu den Lieferanten für Lubmin zählen wird“, so Tauschke. Wenn in fünf bis sieben Jahren die Technologie so weit ist, könnten auch Premnitz und Schwarze Pumpe ideale Standorte sein. Schwarze Pumpe würde sich zudem als Standort einer BTL-Raffinerie anbieten, da neben der Biomasse aus der Lausitz auch polnische Reserven genutzt werden könnten.
Und wie sehen das die Brandenburger Landwirte? Klaus Boucquier, stellvetretender Geschäftsführer des Landesbauernverbandes, drückt die Skepsis seiner Kollegen aus. „Wir haben uns bisher noch nicht ernsthaft damit beschäftigt“, so Boucquier. Das sei eher Zukunftsmusik. Und davon haben die Bauern in den vergangenen Jahren schon genug gehört. Biodiesel war ihnen als große Zukunftsoption angepriesen worden. „Da ist jetzt richtig Stagnation drin“, so Boucquier. Den Schuldigen dafür sehen die Landwirte in der Autoindustrie. „Biodiesel ist in der Kritik“, so Boucquier.
Damit scheint er Recht zu haben. „Wir wollen unseren Kunden keine vier bis acht verschiedenen Kraftstoffe an der Tankstelle anbieten“, sagt Hartmut Heinrich von der Entwicklungsabteilung der Volkswagen AG. Biodiesel stellt die Motorenhersteller vor das Problem, dass er nicht immer gleich ist. In Brasilien produzierter Biodiesel verbrennt anders im Motor als beispielsweise in Deutschland hergestellter. Die Industrie müsste ihre Motoren in Dutzenden unterschiedlicher Varianten produzieren.
Die BTL-Kraftstoffe sind da praktischer. Aus dem künstlich erzeugten Gas können die Techniker einen Kraftstoff ganz nach ihren Wünschen herstellen, der zudem an jedem Ort der Welt genau gleich verfügbar wäre. Mit dem neuartigen Kraftstoff sollen sogar schon heutige Motoren besser laufen als mit herkömmlichem Diesel aus Erdöl.
Ein weiterer Vorteil von BTL-Kraftstoffen ist die Flexibilität bei den Rohstoffen. Das Verfahren lässt sich mit Erdgas (GTL), Kohle (CTL) oder eben Biomasse (BTL) durchführen. Der letzte Teil der Produktionskette – die Umwandlung von Gas in Flüssigkeit ist zudem seit Jahrzehnten in der Praxis getestet. Schon im Zweiten Weltkrieg versuchte Deutschland Kraftstoffe aus Kohle zu gewinnen.
Kohle und Erdgas belasten das Klima allerdings ähnlich wie Erdöl. Daher ist vor allem die umweltschonende Produktion von Kraftstoffen aus Biomasse das Ziel. Doch was steht eigentlich an Biomasse zur Verfügung? Choren expermientiert bisher vor allem mit kleingehacktem Holz. Da drohen allerdings in Deutschland – anders als in den USA – Lieferengpässe. Das meiste Holz aus deutschen Wäldern wandert bereits in die Produktion von Holzpellets, mit denen Privathaushalte umweltfreundlich geheizt werden. Eine Alternative sind Plantagen mit schnell wachsenden Hölzern wie beispielsweise Pappeln. Es gibt mehrere Versuchsfelder in Brandenburg, unter anderem am Agrartechnischen Institut in Bornim (ATB). „Für schnell wachsende Gehölze ist die Situation schwierig in Brandenburg. Da fehlt uns das Wasser“, schränkt Boucquier ein.
Bleibt das Stroh. Das ist in vielen landwirtschaftlichen Betrieben vorhanden und könnte zu einem guten Preis an die Industrie abgegeben werden. Allerdings liegen hier die Vorstellungen zwischen Landwirten und Anlagenbetreibern noch weit auseinander. Letzte Alternative sind Ganzpflanzen, die auf den Feldern angebaut werden. In Deutschland laufen dazu Versuche mit unterschiedlichen Pflanzenarten. Miscanthus, Topinambur oder Luzerne wären Möglichkeiten. Der Königsweg ist dabei allerdings noch nicht gefunden. Vieles wird davon abhängen, welche Preise die Anlagenbetreiber zukünftig bereit sind, für die Biomasse zu zahlen. Stimmt der Preis, werden sich die Landwirte darauf einstellen.
Bodo Baumert
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