Landeshauptstadt: Toleranzfragen
Zur Zehnjahresfeier des Programms „Tolerantes Brandenburg“ kam Bundespräsident Horst Köhler nach Potsdam
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Der Mann sieht bekannt aus, das muss auch Regierungssprecher Thomas Braune zugeben. Er wirft einen zweiten Blick in Richtung See. Dorthin ist der schmale, drahtige Unbekannte in Jeans und Lederjacke eben gelaufen. Dass er etwas mit dem Festakt zu tun haben könnte, hält Braune aber für ausgeschlossen: „In Jeans?“, fragt er beinahe vorwurfsvoll und greift trotzdem zum Handy. „Ralph Herforth“, löst er dann das Rätsel. Und wirklich: Der Berliner Schauspieler (Knockin“ on Heaven“s Door, Der Felsen, Speed Racer) soll gleich auf der Bühne des Hans Otto Theaters stehen, um seine „Gedanken zur Toleranz“ vorzutragen. In Jeans.
Zur Zehnjahresfeier des Programms „Tolerantes Brandenburg“ hatte die Landesregierung gestern Abend rund 450 Gäste ins Hans-Otto-Theater in der Schiffbauergasse geladen. An dem Festakt nahm auch Bundespräsident Horst Köhler teil, der damit nach der Einweihungsfeier bereits zum zweiten Mal in Potsdams Theaterneubau am Tiefen See zu Gast war. Neben Vertretern der Landesregierung kamen unter anderem auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), Sabine Kunst, die Präsidentin der Uni Potsdam sowie der frühere Ministerpräsident Manfred Stolpe zur Feier.
Unter Stolpe war das Programm gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit im Juni 1998 gestartet – nachdem eine Umfrage ein hohes Ausmaß an Rechtsextremismus im Land festgestellt hatte. Heute arbeiten mehr als 25 Kooperationspartner für das „Tolerante Brandenburg“, allen voran das Mobile Beratungsteam, der Verein Opferperspektive, das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule. Land und Bund finanzieren das Programm mit jährlich 1,5 Millionen Euro. 2008 fließen zusätzlich rund 3,4 Millionen Euro in lokale Initiativen und Projekte.
Die Investition habe sich bereits gelohnt, erklärte Ministerpräsident Platzeck gestern: „Die Demokratie ist wehrhafter geworden“, sagte er den PNN. „Nicht, dass es heute keinen Rechtsextremismus mehr gäbe, aber die gesellschaftliche Antwort ist in den vergangenen zehn Jahren eine andere geworden“, so Platzeck. Er verwies als Beispiel auf die aktuellen Schwierigkeiten der NPD, Räumlichkeiten für ein Schulungszentrum in Brandenburg zu finden. „Das bleibt in keinem Dorf mehr unkommentiert“, sagte Platzeck: „Die Menschen finden sich nicht mehr damit ab.“ Gleichzeitig mahnte der Regierungschef: „Wir dürfen uns nicht einen Tag ausruhen.“
Die Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Heilgard Asmuss, betonte, dass sich das Problem des Rechtsextremismus seit 1998 verlagert habe. „Heute drängen Rechtsextremisten in öffentliche Räume und Parlamente“, so die Cottbuser Generalsuperintendentin. Sie kündigte an, dass das Bündnis vor den Kommunalwahlen Proteste der Bürger unterstützen werde. Bei der Zahl rechtsextremistischer Straftaten liege Brandenburg weiterhin bundesweit an vorderer Stelle, erklärte Andreas Berning, Extremismusexperte der Linksfraktion. Zwischen 2001 und 2007 sei die Zahl dieser Straftaten von 907 auf 1361 gestiegen.
Lobende Worte für das Anti-Extremismus-Programm fand Potsdams Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick: „Es bedeutet für mich eine positive Öffentlichkeitsarbeit des Landes für alle Initiativen vor Ort“, sagte sie den PNN.
Das sah Schimon Nebrat von der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde anders: Er demonstrierte am Rande des Festakts mit gut 40 Gemeindemitgliedern gegen die Praxis des Landes, nur eine jüdische Gemeinde zu finanzieren. Die Gesetzestreuen, die dabei leer ausgehen, kämpfen seit Jahren gegen die Regelung und haben Beschwerde beim Verfassungsgericht eingereicht. Auf den Transparenten gestern war zu lesen: „10 Jahre Diskriminierung“. (mit ddp)
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