Landeshauptstadt: „Treffen unter konspirativen Umständen“
Über Jahre hinweg gab es keine Hinweise, dass es Verbindungen aus Potsdam zum militanten Islamismus gibt – bis jetzt
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Die Botschaft ist eindeutig. „Wir distanzieren uns von Gewalt und von Personen oder Gruppen, die dazu aufrufen“, heißt es auf der Internetseite der Al-Farouk-Moschee, Potsdams einzigem islamischen Gotteshaus in der Straße Am Kanal. Doch möglicherweise gibt es auch in Potsdam – wenn auch nur einige wenige – Muslime, die in radikalen Islamistenkreisen verkehren. Um weiteres Beweismaterial im Rahmen der Ermittlungen gegen eine Berliner Islamistenzelle zu sichern, hat die Polizei am Dienstag auch die Unterkunft eines 30-jährigen Asylbewerbers aus der Kaukasus-Republik Dagestan im Flüchtlingsheim am Schlaatz durchsucht.
Am Freitag waren zwei 41 und 43 Jahre alte Männer in Berlin festgenommen worden. Sie gelten als die Führer einer islamistischen Logistikzelle. Vor allem der 41-Jährige soll als „Emir“ in Berlin-Moabit an einer Koranschule Unterstützer für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien angeworben haben.
Die neue Aktion habe sich gegen Personen gerichtet, die überwiegend in engem Kontakt mit den beiden in Berlin Festgenommenen gestanden hätten, hieß es von der Polizei. Die elf Männer und eine Frau sollen aus der Türkei und der Kaukasusregion stammen.
Ein Sprecher der Stadt Potsdam teilte mit, man sei vom Träger des Wohnheims – der Hoffbauerstiftung auf Hermannswerder – über die gestrige Polizeiaktion informiert worden. Nach PNN-Informationen haben die Ermittler bei der Razzia aber keine verwertbaren Beweise gefunden.
Verbindungen zwischen Islamisten in Berlin und Potsdam sind den Sicherheitsbehörden bekannt. Im vergangenen Oktober hatte das Landesinnenministerium auf Anfrage der CDU erklärt, Islamisten seien bundesweit und darüber hinaus gut vernetzt. „Treffen finden häufig unter konspirativen Umständen statt.“ Das gelte auch für Salafisten aus Brandenburg. Die räumliche Nähe zur Bundeshauptstadt spiele eine besondere Rolle. Zu islamistischen Logistikzellen – wie jetzt in Berlin ermittelt – teilte das Ministerium mit: „Ihre Unterstützungsleistung reicht von der Sammlung von Spenden und der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen über die Radikalisierung und Rekrutierung von Kämpfern bis hin zum Wunsch, als Märtyrer für den IS zu sterben.“
Islamismus hat in Potsdam seit Jahren keine Rolle mehr gespielt. Die Al-Farouk-Moschee etwa stuft der Verfassungsschutz als unbedenklich ein. Im aktuellen Bericht der Behörde heißt es in Bezug auf Potsdam: „In Brandenburg konnten bislang keine salafistischen Strukturen festgestellt werden.“ Bis 2012 war das anders. Damals stand die „Islamische Gemeinschaft am Park Sanssouci“ (IGAPS) über fünf Jahre regelmäßig im Fokus der Verfassungsschützer. Die Gemeinde trete zwar nach außen weltoffen auf – jedoch wurde der Gruppe die Nähe zur islamischen Murabitun-Bewegung vorgeworfen: Deren Hauptziel sei „eine Islamisierung Europas“, warnte der Verfassungsschutz. Die vor allem von deutschen Konvertiten geprägte Gemeinde hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. 2012 löste sich die Gruppe auf. Viele Mitglieder verließen Potsdam in Richtung Ausland, hatte das Innenministerium bestätigt.
In Deutschland gibt es derzeit Verfahren gegen rund 350 Beschuldigte im Zusammenhang mit der Terrormiliz Islamischer Staat, hatte das Bundesjustizministerium zuletzt mitgeteilt. Zur Frage, ob darunter auch Personen aus Potsdam oder Potsdam-Mittelmark sind, wollte die zuständige Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe auf PNN-Anfrage keine Stellung nehmen – unter anderem mit Blick auf eine mögliche Gefährdung des Untersuchungszwecks, wie ein Sprecher erklärte. (mit axf)
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