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Mike Schubert bei seiner Pressekonferenz am Dienstag, dem 17. Dezember.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Update

VIP-Ticket-Affäre in Potsdam: Kein Gerichtsverfahren gegen Oberbürgermeister Schubert

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren gegen Mike Schubert (SPD) gegen Zahlung von rund 34.000 Euro ein. Der Oberbürgermeister ist damit nicht vorbestraft.

Stand:

In der Potsdamer VIP-Ticket-Affäre hat die auf Korruptionsdelikte spezialisierte Staatsanwaltschaft Neuruppin das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme im Amt gegen Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) gegen Zahlung von 20.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und weiteren 14.046 Euro an die Landeskasse eingestellt. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit.

Die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage erfolge, weil zwar „ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten wegen Vorteilsannahme“ bestehe, so die Staatsanwaltschaft. Die Schuld „im Falle einer Verurteilung“ sei jedoch „noch nicht schwerwiegend zu bewerten“. Somit seien die Geldauflagen geeignet, das „öffentliche Interesse an der Verfolgung des Beschuldigten zu beseitigen“. Schubert habe sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Die Anwältin des Oberbürgermeisters, Heide Sandkuhl, teilte hingegen mit, Schubert sei damit nicht vorbestraft. Mit der Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 a der Strafprozessordnung sei die Unschuldsvermutung nicht widerlegt. Sie hätte eine „gerichtliche Klärung der Vorwürfe vorgezogen“, so Sandkuhl. Anders als die Staatsanwaltschaft meint die Anwältin, Schubert habe sich nicht strafbar gemacht, sondern lediglich Repräsentationsaufgaben erfüllt. Schubert habe der Einstellung zugestimmt, damit seine Familie und die Potsdamer Sport- und Kulturveranstalter „nicht weiter mit dem Verfahren belastet werden“.

Eine Rückzahlung der Kosten für die unzulässig angenommenen Tickets an die Vereine über die Auflagen der Staatsanwaltschaft in Höhe von rund 34.000 Euro hinaus lehnte Schubert am Dienstag ab. Dies sei mit den Zahlungen an die Landeskasse abgegolten, sagte er.

Wert der Zuwendungen wird mit 13.946 Euro beziffert

Die Staatsanwaltschaft schlüsselt in ihrer Erklärung detailliert auf, was sie in den Ermittlungen herausgefunden hat: Sie gehe davon aus, dass Schubert seit 2019 immer wieder Heimspiele, und zwar insbesondere von drei Potsdamer Sportvereinen, kostenlos in den VIP-Bereichen besuchte, wobei er häufig von seiner Ehefrau begleitet wurde. „Als strafbar wegen Vorteilsannahme sind unter diesen Umständen 64 Spielbesuche im Zeitraum von fünf Jahren (2019-2024) bewertet worden, die teils die Eheleute gemeinsam, teils nur den Beschuldigten, teils nur seine Ehefrau betreffen.“

„Hierfür nahm er Einladungen der Vereine in Anspruch, die ihm offenbar jeweils in unbegrenztem Umfang die Möglichkeit einräumten, Spiele der Vereine kostenlos zu besuchen“, so die Staatsanwaltschaft. Diese Einladungen seien „nicht nur für repräsentative Aufgaben an herausgehobenen Einzelterminen“ bestimmt gewesen. Und weiter: „Die großzügige Einladungspraxis der Vereine dürfte auf deren Willen zurückzuführen gewesen sein, das Wohlwollen der Verwaltungsspitze der Landeshauptstadt Potsdam zu bekommen bzw. zu erhalten, da die Vereine von Fördermitteln und der Bereitstellung von Spielstätten durch die Stadt abhängig waren.“

Der Wert der Zuwendungen, die Schubert angenommen hat, wird von der Staatsanwaltschaft mit 13.946 Euro beziffert. Schubert habe in einer Vernehmung die fraglichen Termine der besuchten Spiele grundsätzlich, allerdings vorbehaltlich eventueller Fehlzuordnungen in Einzelfällen, auch eingeräumt, betonten die Ermittler.

Mike Schubert bei seinem Statement zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

In die Ermittlungen sind auch Einladungen von Schubert und seiner Frau für den kostenlosen Besuch von Kulturveranstaltungen, insbesondere des städtischen Hans Otto Theaters in Potsdam, einbezogen worden. Hier sieht die Staatsanwaltschaft in drei Fällen den Verdacht der Vorteilsannahme mit einem mutmaßlichen Vorteil von insgesamt rund 100 Euro.

Für Schubert sei „schuld mindernd“ berücksichtigt worden, dass er sein Verhalten „auch angesichts der früheren Praxis für rechtmäßig hielt“. Die Staatsanwaltschaft hält jedoch fest, dass er „diesen Irrtum“ hätte vermeiden können. Es seien hierfür Schuberts Einlassungen berücksichtigt worden, aber auch umfangreich „gesicherte elektronische Datenträger“ ausgewertet worden.

Schubert habe zudem „an der Aufklärung des Sachverhalts (…) in außergewöhnlichem Maße aktiv mitgewirkt“. Insbesondere habe er nicht versucht, seinen Umgang mit der Annahme von Einladungen zu verschleiern. Auch habe Schubert „in der Wahrnehmung seines Amtes auf die Vorwürfe umgehend reagiert“, um künftig „strafbares Verhalten (…) dauerhaft zu unterbinden“.

Zur Rolle von Schuberts Ehefrau stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass diese „selbst nach den gewonnenen Erkenntnissen – abgesehen von ganz seltenen Einzelfällen – nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft in keiner repräsentativen Rolle auftrat“.

Staatsanwaltschaft ermittelte seit Ende April

Die Staatsanwaltschaft ermittelte seit Ende April gegen Oberbürgermeister Schubert und inzwischen zehn weitere Beschuldigte wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und -gewährung. Anlass war die Berichterstattung der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) über die möglicherweise nicht rechtmäßige Annahme und Nutzung von geldwerten Leistungen wie VIP-Tickets von Potsdamer Sportvereinen durch den Rathauschef und auch für seine Ehefrau.

Oberbürgermeister Mike Schubert (links) beim Endspiel der Potsdam Royals um die Deutsche Meisterschaft im American Football 2023.

© IMAGO/Funke Foto Services

Zuvor war der Oberbürgermeister bereits wegen der fragwürdigen Freigabe eines gesperrten Sportplatzes für den Football-Club Potsdam Royals unter Druck geraten. Es wurde erste Kritik laut wegen einer mutmaßlich zu großen Nähe des Rathauschefs zu bestimmten Sportvereinen. Diesen Vorwurf hatten anonym agierende mutmaßliche Rathausmitarbeitende erhoben und mit etlichen internen E-Mails zu belegen versucht. Eine erste Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam blieb für Schubert aber folgenlos.

Der Oberbürgermeister hatte zu Beginn der Ermittlungen pauschal betont, er sei nicht korrupt, und sich auf seine Repräsentationspflichten bezogen. Trotz mehrfacher Aufforderung von Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung und mehrfacher PNN-Anfragen hatte er sich mit Verweis auf die Ermittlungen durchgängig geweigert, das Ausmaß der Praxis kostenfrei bezogener VIP-Tickets offenzulegen. Auch die meisten der betroffenen Vereine schwiegen oder machten nur ungenaue Angaben.

Nach PNN-Recherchen hatte der Oberbürgermeister die betroffenen Vereine anfangs darum gebeten, entsprechende Presseanfragen der PNN zu seiner Nutzung von VIP-Tickets nicht zu beantworten. Auf mehrfache Nachfragen, ob dies zutreffe, antwortete Schubert nicht oder dementierte dies nicht.

Zu große Nähe? Oberbürgermeister Mike Schubert hält eine Rede nach dem Aufstieg des VfL Potsdam in die erste Handball-Bundesliga im Mai 2024.

© dpa/Andreas Gora

Mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Neuruppin muss Schubert nun weiterhin um sein Amt fürchten. Die Fraktion der Freien Wähler hat bereits ein zweites Abwahlverfahren gegen Schubert gestartet. Viele Fraktionen hatten erklärt, erst nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft entscheiden zu wollen, dann aber zügig.

Schubert schloss einen Rücktritt bislang immer aus

Der Oberbürgermeister hatte zuletzt deutlich gemacht, als demokratisch direkt gewähltes Stadtoberhaupt werde er sich nur per Bürgerentscheid von den Potsdamern abwählen lassen. Einen Rücktritt schloss er bisher und auch nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft aus. Somit ist auch bei einer Abwahl durch die Stadtverordneten ungewiss, ob er es auf einen Bürgerentscheid über seine Person ankommen lassen würde.

Im Land Brandenburg ist die bisher gelebte Praxis des Potsdamer Oberbürgermeisters im Umgang mit VIP-Tickets und Einladungen einmalig. Gegenüber den PNN hatten die Stadtoberhäupter der anderen drei großen Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel für sich klar ausgeschlossen, private Begleitungen kostenfrei mitzunehmen. Schubert hatte dagegen auf eine Ausnahmeregelung in den Anti-Korruptionsregeln der Stadt verwiesen. Zwischenzeitlich hat der Oberbürgermeister den Stadtverordneten schärfere Regeln vorgeschlagen und von einer „momentan steilen Lernkurve“ für sich gesprochen.

Derzeit nimmt Schubert gar keine repräsentativen Termine wahr, weil er sich mit der von ihm gewünschten Neuregelung alle Teilnahmen von den Stadtverordneten genehmigen lassen will. Diese haben dazu aber noch nicht entschieden, ob sie die geplanten Verschärfungen genehmigen.

Die Freikarten-Mentalität kann für Schubert als Wahlbeamten, der er als direkt gewählter Oberbürgermeister ist, auch weiterhin teuer werden. Zu Beginn der VIP-Ticket-Affäre hatte Schubert beim Innenministerium ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst angestrengt. Wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ruhte das Verfahren seit Ende April.

Jetzt muss das Innenministerium entscheiden, wie es mit dem Fall umgeht. Unter anderem wäre eine Geldbuße möglich, aber auch Kürzung oder Aberkennung der Pensionsansprüche.

Schubert hatte ferner angekündigt, das Geld für möglicherweise unzulässig angenommene Tickets an die Vereine zurückzuzahlen. Allerdings hatte die von ihm mit dieser Untersuchung beauftragte Organisation Transparency International zuletzt eine überraschend milde Bewertung der Vorwürfe vorgenommen. Vom Zurückzahlen von Tickets war darin keine Rede mehr gewesen. Auch Schubert schloss dies nun aus. „Die Summe, die ich bereit gewesen wäre, an die Vereine zu zahlen, zahle ich jetzt an die Staatskasse.“

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