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 130 olympische Medaillen gewannen Sportler:innen der Sportschule,

© Ottmar Winter

Von der Schulbank zu Olympia: Potsdamer Sportschule feiert 70. Geburtstag

Von DDR-Drill, Spitzenleistungen und innovativen Lernkonzepten: Die „Eliteschule des Sports“ hat viele erfolgreiche Sportler:innen hervorgebracht – musste aber auch Skandale bewältigen.

Birgit Fischer, Sebastian Brendel, Laura Lindemann – die Liste der international erfolgreichen Spitzensportler:innen, die die Sportschule „Friedrich-Ludwig-Jahn“ im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht hat, ist lang. 130 olympische Medaillen – davon 73-mal Gold – haben Schüler:innen und Absolvent:innen der Eliteschule bislang errungen. Am Freitag begeht die Einrichtung ihr 70-jähriges Bestehen mit einem Sportfest im Luftschiffhafen.

Gegründet wurde sie 1952 als Kindersportschule in Brandenburg an der Havel, doch schon nach einigen Jahren war angesichts wachsender Schüler:innenzahlen ein Umzug nötig. Dieser erfolgte erst innerhalb Brandenburgs und 1973 schrittweise nach Potsdam.

Der Unterricht ging zum Teil bis 18 Uhr.

Sportkoordinator Peter Pollack über die Sportschule in den 80er Jahren

Zu DDR-Zeiten lief der Schulbetrieb um einiges anders als heute: „Der Unterricht ging zum Teil bis 18 Uhr, am Samstag bis zum Mittag. In den Abendstunden gab es Einzelunterricht für Topkader“, erinnert sich Sportkoordinator Peter Pollack, der seit 1985 Mitarbeiter der Sportschule ist. Das Sportsystem der DDR war auf Erfolg getrimmt: Bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul waren 29 Schüler:innen der Sportschule Potsdam Teil der DDR-Mannschaft und gewannen 31 Medaillen.

Kooperation mit Turbine Potsdam brachte viele Nationalspielerinnen hervor

Mit der Wende brach das Sportsystem zusammen. 1991 übernahm das Land Brandenburg die Trägerschaft der Schule, die daraufhin ihre Ausrichtung auf Leistungssport aufgeben musste. „Es war eine interessante Zeit“, sagt Pollack. „Es kamen viele Schüler, die gar nichts mit Sport zu tun hatten und ihr Abitur ohne Sport machten.“

Erst als nach und nach neue Vereine in der Stadt gegründet wurden und neue Sportschüler:innen nachwuchsen, änderte sich dies: Nachdem Klaus Rüdiger Ziemer 1996 die Schulleitung übernommen hatte, wurde aus der Einrichtung wieder eine Sportschule. Ziemer initiierte auch die bis heute bestehende Kooperation mit Turbine Potsdam, die zahlreiche Bundes- und Nationalspielerinnen hervorgebracht hat.

Nach dem Umzug nach Potsdam erfolgte Mitte der 70er Jahre die Grundsteinlegung.
Nach dem Umzug nach Potsdam erfolgte Mitte der 70er Jahre die Grundsteinlegung.

© Sportschule/privat

Fechten wird heute nicht mehr trainiert

In den 80er Jahren wurden nur sechs Sportarten trainiert: Kanu, Rudern, Leichtathletik, Schwimmen, Turnen und Fechten. Fechten gibt es mittlerweile nicht mehr, dafür sind etliche andere Sportarten wie Handball, Judo, Fünfkampf oder Triathlon hinzugekommen. Die Sportschule gehörte zu den ersten in Deutschland, die 2001 den Titel „Eliteschule des Sports“ vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verliehen bekam, 2018 wurde die Auszeichnung erneuert.

Die Bedingungen für die Schüler:innen haben sich in den vergangenen 20 Jahren enorm verbessert: „Das Sportgelände hat sich richtig gut entwickelt“, sagt Pollack. „Die Schwimmhalle und die Leichtathletikhalle wurden saniert und die MBS-Arena neu gebaut.“

Derzeit sind über 650 Schüler:innen an der Schule eingeschrieben, 400 davon leben im nahegelegenen Wohnheim. Die meisten kommen aus Brandenburg, rund 150 Schüler:innen stammen aus anderen Bundesländern. Schulleiterin Iris Gerloff betont den Vorteil der kurzen Wege auf dem Gelände: „In Berlin müssen Sportschüler durch die ganze Stadt fahren, um zu ihren Sportstätten zu kommen, hier ist alles an einem Ort.“

Iris Gerloff ist Leiterin der Sportschule Potsdam und obendrein Vizepräsidentin des SC Potsdam.
Iris Gerloff ist Leiterin der Sportschule Potsdam und obendrein Vizepräsidentin des SC Potsdam.

© Ottmar Winter

Bundesweit einzigartig ist das additive Abitur: Seit 2011 können Schüler:innen mit einer leistungssportlichen Perspektive wählen, ob sie das Abitur auf 14 Jahre strecken, um neben den schulischen Aufgaben genügend Zeit für Training und Wettkämpfe zu haben. „Für die Sportler ist das unheimlich wichtig“, sagt Pollack. „Unsere paralympische Schwimmerin Gina Böttcher hätte ohne additives Abitur im Olympia-Jahr 2021 vier Abiturprüfungen ablegen müssen.“ Doch dadurch, dass die Schüler:innen ihre Prüfungen flexibel verteilen können, werden Doppelbelastungen vermindert.

Schlagzeilen um Missbrauchsfälle im Schulwohnheim

Neben allen sportlichen Erfolgen musste die Sportschule auch mit Negativschlagzeilen umgehen: 2011 wurde gegen zwei 16-jährige Schüler des Wohnheims Strafanzeige wegen sexueller Nötigung erstattet. Ihnen wurde vorgeworfen, sich an zwei 13 und 14 Jahre alten Mitschülern vergriffen zu haben. Aufsehen erregte der Vorfall besonders deshalb, weil die Betreuer:innen des Wohnheims auf Hilfegesuche der Opfer erst gar nicht und dann zu spät reagiert hatten. Die Heimleitung wurde daraufhin ausgetauscht.

Der Vorfall habe die Sportschule damals näher zusammenrücken lassen, sagt Gerloff: „Das Kollegium hatte seine Sinne geschärft, um Probleme schneller wahrnehmen zu können.“ Es wurden Fortbildungen absolviert, ein Kummerkasten eingerichtet und ein Präventionskonzept erarbeitet.

Das Wohnheim bekam einen eigenen Kinderschutzbeauftragten, zudem haben Schule und Wohnheim je eine Schulsozialarbeiter:innenstelle. 2018 kam es erneut im Wohnheim zu einem Vorfall, bei dem ein Zwölf- und ein 13-Jähriger einen Mitschüler in ihrer Altersklasse sexuell genötigt haben sollen. Diesmal reagierte man schneller: Nachdem sich der Betroffene an einen Lehrertrainer gewandt hatte, wurde der Fall angezeigt.

In den nächsten Jahren stehen einige große Veränderungen für die Sportschule an: Vor kurzem wurde eine marode Turnhalle abgerissen, sie soll bis 2024 durch einen Neubau ersetzt werden. Vor allem aber soll die Schule in den kommenden Jahren saniert und um eine Etage aufgestockt werden, um mehr Raumkapazitäten zu bekommen. Wann die Sanierung startet, ist noch unklar, 2026 soll der Umbau fertig sein. Die Schüler:innen werden während der Bauarbeiten an einen Ersatzstandort in der Pirschheide umziehen.

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