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FILMFESTSPIELE: „Wir rechnen mit fünf Millionen Euro Gewinn“ 8. bis 18. Februar

Carl Woebcken, Chef der Studio Babelsberg AG, über neue Hollywood-Filme, das Fördermodell des Bundes und die Berlinale

Stand:

Herr Woebcken, wann fällt 2007 in Babelsberg die erste Klappe für einen Hollywood-Film?

Die wird wohl Mitte Juni fallen.

Welcher Film wird das sein?

Das dürfen wir leider nicht sagen, weil unser Koproduktionspartner erst kurz vor Drehbeginn eine Pressekonferenz mit Schauspielern und Produzenten plant. Für den Produzenten ist es wichtig, dass nicht vorher etwas durchsickert.

Aber Sie sind sicher, dass dieser Film das Studio weitgehend auslasten wird?

Ja, wir haben bereits Mietverträge für Studios abgeschlossen, wir haben Produktionskonten eingerichtet und Teile des Teams sind bereits in Babelsberg, um den Film vorzubereiten für die Dreharbeiten. Er ist sicher da.

Im vergangenen Jahr kam keine große Produktion nach Babelsberg – was war ausschlaggebend dafür, dass Sie den Film nun hierher holen konnten?

Ausschlaggebend war das neue deutsche Anreizsystem für Filmproduktionen. Wobei die Entscheidung, den Film hier zu machen, von unserem Koproduktionspartner schon getroffen wurde, bevor das neue System genehmigt war. Jetzt wird abhängig vom tatsächlichen Förderbescheid entschieden, welcher Umfang des Films hier produziert wird.

Welche Voraussetzung muss die Produktion erfüllen, um in den Genuss der vom Bund bezahlten Rabatte zu kommen?

Die entscheidende Frage ist, ob der Film kulturell qualifiziert – er muss wie vom Beauftragten für Kultur und Medien und der Europäischen Union verlangt einen Eigenschaftstest bestehen. In Verbindung damit müssen Nachweise zur Finanzierung des Films und zu Verleihgarantien erbracht werden. Die Größe dieses Films mit einem Gesamtbudget von 100 Millionen Euro, von denen mehr als 35 Prozent in Deutschland ausgegeben werden sollen, führt außerdem dazu, dass eine Ausnahmegenehmigung für die Höhe der Förderung erteilt werden müsste. Wir sind guter Hoffnung, dass das gelingen wird – aber es ist der sensible Punkt, an dem sich entscheidet, wie viel tatsächlich in Deutschland produziert wird. Das betrifft die Dreharbeiten in Babelsberg, aber auch die Auswahl des Casts sowie die Postproduktion. Wir wissen, dass bereits deutsche Schauspieler zum Vorsprechen geladen werden – nicht nur um den kulturellen Eigenschaftstest zu bestehen, sondern auch, um Ausgaben in Deutschland zu generieren, auf die es Förderung gibt. Dies betrifft auch den Bereich Visual Effects, der das erste Mal in dieser Form in Deutschland bei einer Großproduktion angefragt wird. Mit diesem Film könnte man ein Vertrauensverhältnis aufbauen, um bei weiteren Produktionen mehr machen zu können. Das ist wichtig, denn unser Koproduzent beabsichtigt, viel in Deutschland zu produzieren.

Bei der Berlinale vor einem Jahr hatte der US-Produzent Joel Silver angekündigt, ein ganzes Paket von Filmen nach Babelsberg zu bringen. Er hatte zuvor mit dem Studio Warner Bros. in Babelsberg „V for Vendetta“ gedreht. Ist Joel Silver nun auch Ihr Partner?

Ja – wobei es jetzt nicht um das Projekt geht, das damals zur Diskussion stand

... der Film „Logan“s Run“?

... ja, der war damals im Gespräch und der kommt möglicherweise auch 2008 wieder. Es war vor einem Jahr schon erkennbar, dass US-Studios mit größeren Produktionen nach Deutschland kommen würden. Diese Studios denken sehr strategisch und langfristig. Für sie ist es nicht das Thema, für einen Film Fördermittel mitzunehmen und dann das nächste Jahr ins nächste Land zu reisen. Warner Bros. hat sich beispielsweise in England sehr strategisch engagiert. Durch die Produktion von Filmen wie „Batman“ und die „Harry Potter“-Verfilmungen hat Warner Bros. dort die Industrie stark über mehrere Jahre aufgebaut. Ich glaube, dass das Studio für die kommenden Jahre eine ähnliche Erwartungshaltung auch für Deutschland hat.

Können Sie an einem Beispiel vorrechnen, was der neue Filmförderfonds tatsächlich bringt – für den Produzenten und für Studio Babelsberg?

Nehmen wir als Ausgangslage Kosten für einen Film von 100 Prozent. Von diesen 100 Prozent bekommt Studio Babelsberg selbst rund 20 Prozent an unmittelbarem Umsatz. Der entsteht durch den Auftrag an das Studio und die Leistungen des Art Departments, des Kostüm- und Requisitenfundus, die Studiovermietung und die damit verbundenen Dienstleistungen und den Production Service. Ein weiterer Großteil der Kosten – schätzungsweise 10 bis 15 Prozent – entsteht durch die freischaffenden Filmemacher, die hier als Crew für den Film arbeiten und meist Deutsche sind. Für die meisten von ihnen führen wir die Einkommenssteuer ab und die Sozialabgaben, sie werden zeitlich befristet von uns beschäftigt. Außerdem fallen Kosten für die Postproduktion und Visual Effects an, die sicherlich zwischen 20 und 30 Prozent ausmachen – und die der Produzent auch teilweise in Deutschland machen lassen könnte. Zum Schluss gibt es noch die so genannten „Above the Line“-Kosten für den Regisseur und die Schauspieler. Anerkannt als Ausgaben, auf die es nun mit dem neuen Fördersystem einen Rabatt gibt, werden alle Ausgaben in Deutschland – und auch die Kosten für Regisseur und Schauspieler. Das ist der eigentliche Kick für die Produzenten, denn diesen Rabatt bekommen sie in osteuropäischen Ländern nicht. Er führt dazu, dass sie die gesamten Produktionskosten in Deutschland stark reduzieren können.

Und wie profitiert Studio Babelsberg?

Das Studio hat bei einer solchen Großproduktion eine gute Auslastungssituation und kann Geld verdienen. Auch, weil wir normale Marktpreise durchsetzen können. Ohne das Anreizsystem wären wir sehr oft gezwungen, über Kampfpreise ein Projekt an den Standort zu holen.

Nun rechnen Sie für 2007 mit einem Umsatz von rund 50 Millionen Euro und wollen fünf Millionen Euro Gewinn machen.

Ja, wir rechnen mit fünf Millionen Euro Gewinn. Aber dabei zählen auch die gute Auslastungssituation im Fernsehbereich mit der Telenovela und die kleineren deutschen oder deutsch-europäischen Koproduktionen, die wir erwarten, unter anderen „Flammen og Citronen“ mit Mads Mikkelsen von Wüste Film und „Ausbilder Schmidt“ von Hoffmann & Voges.

Sie sind ein börsennotiertes Unternehmen – doch Analysten sagen, Studio Babelsberg-Aktien seien nur etwas für Mutige.

Ich schätze, dass wir derzeit ungefähr drei Millionen Aktien im Freiverkauf haben. Und wir wissen, dass da einige Zocker am Werke sind, weil wir mit einer Marktkapitalisierung von ungefähr 30 Millionen Euro ein vergleichsweise kleiner Wert sind. Insofern haben wir einen sehr spekulativen Kleinaktionärskreis. Wir wollen dieses Jahr darauf hinarbeiten, unseren Aktionären klar zu machen, dass wir ein sehr stabiler Wert sind. Denn wir haben eine sehr starke Substanz ...

Mit Substanz ist was gemeint?

Die Substanz sind die Liegenschaften, das Studio an sich ist absolut lastenfrei. Bei anderen Studios müssen Millionen erwirtschaftet werden, um Zinsen zu zahlen. Das ist bei uns nicht der Fall, wir sind schuldenfrei und haben Geld auf dem Konto.

Das soll die Aktien attraktiv machen?

Wir wollen auch kommunizieren, dass wir in der Lage sind, regelmäßig Dividende zu zahlen. Es ist vielleicht noch etwas zu früh, darüber zu sprechen, aber wir denken gegenwärtig darüber nach, wie wir es einem Kleinaktionär schmackhaft machen können, eine Studio Babelsberg-Aktie zu kaufen. Dabei wollen wir einen Weg finden, dem Käufer auch ein Stück des Mythos Babelsberg mitzugeben. Wir sind dabei, dafür eine Kampagne zu entwickeln. Starten wollen wir Mitte des Jahres, wenn wir gezeigt haben, dass wir wirklich Geld verdienen und nicht wie letztes Jahr noch in der Verlustzone sind.

2007 soll also ein gutes Jahr für das Studio werden. Dennoch haben Sie im Art Department Personal abgebaut. 39 Leute mussten gehen. Warum war das nötig?

Letztes Jahr hatten wir keinen großen Film und haben schmerzhaft gespürt, dass wir im Art Department mit nicht-filmischen Aufträgen nur Geld verlieren. Und selbst wenn wir wieder eine gute Auslastung haben, macht es keinen Sinn Kapazitäten vorzuhalten, die darauf ausgerichtet sind, nicht-filmische Aufträge wie zum Beispiel für Messebauten anzunehmen. Diese Verlustquelle wollten wir ein für alle Mal schließen. Wir sind Spezialisten für Oberfläche und für Kulissenbau, und nicht für Vitrinen auf Ausstellungen. Wir hatten außerdem einen Personalüberhang aus der Vergangenheit. Und bei der Analyse hat sich gezeigt, dass wir uns im zyklischen Filmgeschäft nur leisten können, Festpersonal für den absoluten Sockelbetrag vorzuhalten. Damit man in Zeiten, wo wenig Aufträge da sind, nicht ausblutet und Geld verliert.

Doch Babelsberg hat immer mit seinen handwerklichen Kompetenzen geworben – und mit ihrer Tradition. Reichen jetzt die Kapazitäten für einen großen Film noch aus und ist die Qualität gegeben?

Wir mussten selbst 2006, in einem Jahr ohne Großaufträge, mit vielen freien Mitarbeitern arbeiten. Das sind Leute, die Qualifikationen haben, die wir nicht vorhalten konnten – oder bei uns waren Festangestellte gerade im Urlaub. Das Kontingent an freien Mitarbeitern ist im Großraum Potsdam unerschöpflich. Wir haben hier viele gute Stuckateure, genauso Malereibetriebe, Kunstmaler. Und es gibt andere Bereiche, wo wir uns ernsthaft fragen müssen, ob wir diese Kompetenzen selber haben müssen. Zum Beispiel die Schlosserei: Wir haben dort Personal abgebaut, das war sicher schmerzhaft. Aber es gibt eben Schlossereibetriebe in der Region, die projektbezogen besser für uns arbeiten können.

Das Art Department im jetzigen Zustand bleibt aber erhalten?

Wir hatten eine ganz harte Diskussion, ob wir überhaupt ein eigenes Art Department haben müssen oder ob wir wie Studio Adlershof mit externen Firmen zusammenarbeiten können. Zum Schluss sind wird zu dem Ergebnis gekommen, dass wir es uns nicht leisten können, das Art Department abzuschaffen. Der große internationale Film erfordert einfach, dass wir die Kernkompetenzen im Hause haben. Nur geht der Trend dahin, die Kernkompetenz in Form von wenigen Fachleuten im Unternehmen zu halten und projektbezogen Leute reinzuholen, die man anleiten kann. Ich glaube, dass wir jetzt den richtigen Mix haben.

Sind weitere strukturelle Änderungen notwendig?

Nein, ich hoffe nicht, dass wir noch einmal tiefgreifende Änderungen haben werden. Der Kostümfundus und die Requisite – die zum Mythos Babelsberg einfach dazugehören – sind allerdings ein Minimalmargen-Geschäft, das sich im Moment gerade so trägt, weil die Mieten einigermaßen verträglich sind. Wenn wir gezwungen wären, in einen Neubau zu gehen und höhere Mieten zu zahlen, würden die Bereiche sofort in die roten Zahlen kommen. Und da sind wir, das ist wie ein Damoklesschwert, nach wie vor vom Filmpark abhängig. Wir haben zwar einen Flächentausch gemacht und hätten gerne die drei Hallen, in denen der Fundus drin ist, erworben. Aber wir haben uns nicht verständigen können. Nun haben wir jeweils auf zwei Jahre befristete Mietverträge. Damit lässt sich nicht langfristig planen.

Zum Schluss zur Berlinale: Der Film „Die Fälscher“ läuft im Wettbewerb, er wurde in Babelsberg gedreht und das Studio ist Koproduzent. Hoffen Sie auf einen Bären?

Ja. Ich habe den Film kürzlich gesehen und war begeistert. Es ist ein toller Film geworden.

Was bringt die Präsenz auf dem Festival mit diesem Film dem Studio?

Wahnsinnig wichtig ist der Look des Films. „Die Fälscher“ zeigt, dass man einen deutschen Film mit begrenztem Budget produzieren kann, der beim großen Kino mithalten kann. Das ist für uns immer ein Aushängeschild. Und es ist ein klares Signal an deutsche Produzenten dass es sich lohnt, in Babelsberg zu produzieren.

Das Interview führte Sabine Schicketanz

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