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Mäßiger Andrang am Sonntagvormittag in der Gesamtschule Am Schilfhof.

© Andreas Klaer/Andreas Klaer

Wohnen, Soziales, Verwaltung: Was die Potsdamer Wähler am Wahltag bewegt

Für Potsdams Wähler stehen Themen aus ihrem Alltag im Mittelpunkt. Wichtig ist vielen bezahlbares Wohnen. Eine Reportage am Wahltag.

Viele Potsdamer erwarteten das Ergebnis der Stichwahl am Sonntag mit Spannung. „Die Leute freuen sich, dass es endlich eine Entscheidung geben wird“, sagte ein Wahlhelfer in der Gerhart-Hauptmann-Grundschule in der Brandenburger Vorstadt am Vormittag.

Für die Wahlhelfer lief der Sonntag in vielen Wahllokalen eher entspannt an. So ging die Abstimmung in der Babelsberger Bürgel-Grundschule ruhig los. Eine Stunde nach Öffnung der Wahllokale hätten 26 Frühaufsteher in seinem Stimmbezirk ihr Kreuzchen gesetzt, sagte ein Wahlhelfer. Im Wahllokal in der Dortustraße war um kurz nach 11 Uhr ebenfalls wenig los. Die Wahlhelfer nahmen es gelassen: „Das wird schon noch. Ein Sonntagmorgen eben. Es kommt jetzt so langsam in die Gänge.“

Ein ähnlicher Eindruck entstand gegen 15.30 Uhr in der Grundschule in Bornim. Bei leichtem Nieselregen tröpfeln auch die Wähler nur nach und nach in das Wahllokal. Etwas niedriger als im ersten Wahlgang vor drei Wochen sei die Beteiligung, so das Gefühl der Helfer.

Auch in der Gerhart-Hauptmann-Grundschule war die Wahlbeteiligung im Vergleich zur Hauptwahl am 21. September geringer, sagte Wahlvorsteherin Sandra-Diana Freud. Und es seien mehr Wählerinnen und Wähler mit Wahlschein gekommen, die also zuvor per Brief gewählt hätten.

„Mehr Struktur und Offenheit“

Andernorts war der Andrang größer. So war das Wahllokal in der Da-Vinci-Gesamtschule im Bornstedter Feld schon am Vormittag gut besucht. Ihr sei die Wahlentscheidung sehr leicht gefallen, sagte eine 34-jährige Potsdamerin. Sie arbeite in der Potsdamer Stadtverwaltung und wolle deshalb ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Vom neuen Oberbürgermeister oder der neuen Oberbürgermeisterin, der oder die auch an der Spitze der Verwaltung steht, erwarte sie sich „mehr Struktur und Offenheit für die Mitarbeiter“. Die Kommunikation mit allen Bereichen müsse besser werden und auch das Verhältnis zur Stadtverordnetenversammlung.

Potsdam soll nicht mehr nur für die Reichen und Schönen sein, sondern sich in eine faire Richtung entwickeln.

Eine 34-jährige Wählerin im Bornstedter Feld

„Als Ur-Potsdamerin würde ich gern in Potsdam bleiben“, sagt die 34-Jährige. Angesichts der Wohnkosten habe sie Sorge vor Verdrängung. „Doch wir wollen auch in zehn Jahren noch hier wohnen.“ Das neue Stadtoberhaupt solle gegen steigende Mieten wirken. „Potsdam soll nicht mehr nur für die Reichen und Schönen sein, sondern sich in eine faire Richtung entwickeln.“

Nach ihrem Wunsch an die neue Oberbürgermeisterin oder den neuen Oberbürgermeister befragt, zögert auch Barbara Peplowski keine Sekunde: „Ich wünsche mir, dass meine Miete die nächsten Jahre bezahlbar bleibt.“ Viele Wohnungen in Potsdam würden privatisiert, sagt die 81-Jährige, die mit ihrem Mann im Bornstedter Feld wohnt.

Stimmzettel im Wahllokal am Schilfhof.

© Andreas Klaer/Andreas Klaer

„Wichtig ist mir, dass die Person Potsdam kennt und über die Probleme hier Bescheid weiß“, sagte der 16-jährige Svetoslav. Der Erstwähler lebt mit seiner Familie am Schlaatz und hat mit seinen Eltern in der Gesamtschule am Schilfhof abgestimmt. Beim ersten Wahlgang vor drei Wochen habe er sich noch anders entschieden. Soziale Themen, Schule und Bildung seien ihm wichtig. Es müsse um das Wohlergehen aller Potsdamer gehen, sagt der Jugendliche.

Für die 35-jährige Nancy sind ebenfalls soziale Themen wahlentscheidend. Die Schlaatzerin, selbst im sozialen Bereich tätig, wünscht sich, dass diese in den Mittelpunkt rücken. Dazu zähle, dass auch Benachteiligte die nötige Aufmerksamkeit erhalten. 

Kein „Ego-Shooter“

Auch im Wahllokal im Bertha-von-Suttner-Gymnasium war in der Mittagszeit viel los. „Nicht wieder so einen Ego-Shooter wie beim letzten Mal“, wünscht sich ein 74-jähriger Babelsberger. Es müsse wieder Ruhe im Rathaus einkehren und „solide gearbeitet werden“, sagt er. Die 27-jährige Lisa hofft, dass Umweltthemen künftig mehr im Fokus stehen.

Eine 85-jährige Rentnerin sagt, dass sie beim ersten Wahlgang die für sie im Rückblick falsche Entscheidung getroffen habe. „Diesmal habe ich besser überlegt“, sagt sie. Statt für Severin Fischer (SPD) habe sie sich jetzt für Noosha Aubel (parteilos) entschieden. Sie sei überzeugt, dass Aubel diejenige sei, die „mehr bewirken“ könne.

Ein 48-jähriger Babelsberger zeigt sich entsetzt vom Wahlkampf der SPD, der von Diffamierungen statt von Inhalten geprägt gewesen sein. „Die SPD in Potsdam und im Land schreckt nicht davor zurück, mit AfD-Sprüchen am rechten Rand zu fischen“, sagt er. Statt mit Argumenten zu punkten, habe man die Gegenkandidatin schlecht gemacht. Inhaltlich seien Aubel und Fischer nicht weit auseinander, sagt er. Doch Aubel habe viel mehr über Inhalte Wahlkampf gemacht.

Die Anti-Grünen-Kampagne von Severin Fischer (SPD) ist auch einem 49-Jährigen sauer aufgestoßen, der im Treffpunkt Freizeit am Nachmittag seine Stimme abgegeben hat. Das sei „schlechter Stil“.

Ein Ehepaar aus der Nauener Vorstadt erklärt, dass weder Fischer noch Aubel ihre Erstwahl sei. Am Ende sei es dem Paar aber wichtig gewesen, dass eine Frau gewinnt und diese parteilos ist, sagt der 60-jährige Mann.

Einem 73-Jährigen, der ebenfalls im Treffpunkt Freizeit wählt, ist dagegen wichtig, „dass Potsdam nicht grün regiert wird“. „Die Parkraumbewirtschaftungen und der Rest der grünen Träumerei“ seien nichts für Potsdam und funktionierten hier nicht, sagt der 73-Jährige, der sich als „konservativen, alten Mann“ bezeichnet. (mit HK und kago)

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