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"Kindern sind die tödlichen Gefahren oftmals nicht bekannt", so Bildungsminister Baaske.

© dpa

Vorfall an Grundschule Potsdam: Würgespiel ist nun ein Fall für Baaske

Im März wurde ein Sechstklässler einer Grundschule in Potsdam von Mitschülern bei einem "Würgespiel" verletzt. Der Schüler kam ins Krankenhaus. Nun beschäftigt der Fall das Bildungsministerium.

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Potsdam – Es war ein Einzelfall, dennoch beschäftigen die Würgespiele an einer Potsdamer Schule mit einem verletzten Sechtsklässler im März nun auch die Landespolitik. Das geht aus einer parlamentarischen Antwort auf eine Anfrage des Potsdamer Landtagsabgeordneten Steeven Bretz hervor. Die Regierung habe den jüngsten Fall zum Anlass genommen, Schulen und Lehrer in Brandenburg ausführlich über mögliche Gefahren zu informieren, teilte Bildungsminister Günter Baaske (SPD) in der Antwort mit. „Kindern und Jugendlichen sind die tödlichen Gefahren von Würgespielen oftmals nicht bekannt oder bewusst“, so Baaske.

Der Minister hat die Schulaufsicht zugleich angewiesen, in allen Dienstberatungen mit den Schulleitungen auf den Fall aufmerksam zu machen. Zudem sollen Schülern das Thema derart präventiv erläutert werden, dass „es zu keiner Ermunterung kommt, es einmal auszuprobieren“. Zudem soll das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Internet das Thema „Würgespiele“ umfassend aufgreifen. Darüber hinaus wurden die Lehrer auf die Meldepflicht bei solchen Vorfällen hingewiesen.

Im Internet von Würgespielen gelesen

Wie berichtet war im März ein Würgespiel auf dem Pausenhof an der Babelsberger Goethe-Grundschule aus dem Ruder gelaufen. Mitschüler hatten dem Sechstklässler mit dessen Einverständnis die Luft abgedrückt. Zuvor hatten sie im Internet von Würgespielen gelesen und waren neugierig geworden. Nach dem Vorfall musste der Schüler im Krankenhaus behandelt werden. Weil alle Beteiligten minderjährig sind, wurde nicht ermittelt. Da aber auch keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass Lehrer in der Hofpause ihre Aufsichtspflicht verletzt haben könnten, hat die Staatsanwaltschaft Potsdam von einem Ermittlungsverfahren abgesehen.

Obwohl die Schulen verpflichtet sind, bei derartigen Fällen wie generell bei Körperverletzungen die Unfallkasse des Landes und das Landesschulamt zu unterrichten, ist die Datenlage offenbar nicht ganz eindeutig. Im Potsdamer Fall erreichte die Meldung der Schulleitung aufgrund eines Bürofehlers nicht zeitnah die regional zuständige Schulaufsicht. Offiziell ist der Landesregierung neben dem Potsdamer Fall ein weiterer Fall bekannt, bei dem im Schuljahr 2013/14 in einer Grundschule in Schwarze Pumpe (Spree-Neiße) ein Schüler verletzt wurde. Allerdings ist nicht bekannt, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Das Ministerium teilte auch mit, dass der Unfallkasse Brandenburg „immer wieder Ereignisse gemeldet worden“ seien, bei denen Jungen Strangulierungsverletzungen während der Schulzeit erlitten haben.“

Immer mehr Strangulierungsvorfälle

Zudem bleibt ein Fall aus dem Landkreis Havelland, wo ein 14-Jähriger im Dezember 2009 durch eine Selbststrangulation ums Leben kam, in der Antwort unerwähnt. Stattdessen heißt es darin, dass der Unfallkasse in keinem Fall über ein selbstschädigendes Verhalten durch Würgespiele berichtet worden sei. Er hatte sich mit einem Strick selbst stranguliert und dabei das Bewusstsein verloren. Daher war der Todesfall damals bereits für Ex-Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) Anlass, die Aufklärung über Würgespiele zu verbessern. Das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (Lisum) ergänzte damals das Informationsangebot auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg entsprechend. Außerdem gab es Info-Blätter für Eltern heraus.

Der Potsdamer CDU-Landtagsabgeordnete Bretz sagte, der aktuelle Fall an der Babelsberger Grundschule zeige, dass es dringend erforderlich ist, die Schulen auf ihre Meldepflichten an das Landesschulamt deutlicher hinzuweisen. Offenbar sei auch in dem zweiten von der Landesregierung aufgeführten Fall in Spremberg nicht korrekt gemeldet worden. Die Auskunft der Landesregierung, dass Jungen immer wieder Strangulierungsverletzungen während der Schulzeit erlitten haben, sei alles andere als beruhigend. Zudem beklagte Bretz, dass die Potsdamer Stadtverwaltung von „etwaigen Fällen von Gewalt in der Schule nichts erfährt“. Damit blieben der Stadtpolitik jegliche Handlungsoptionen verwehrt.

"Ein Rausch ohne Drogen"

Bei Würgespielen wollen die Beteiligten einen rauschähnlichen Zustand erreichen. Durch das Würgen oder auch Zusammendrücken des Brustkastens wird die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen. Es gehe um das Erleben besonderer Erfahrungen, um einen „Rausch ohne Drogen“, der zur Ohnmacht führen könne, heißt es auf der Beratungsseite des Lisum im Internet. Vor allem in den USA und Frankreich sei das Phänomen Würgespiele bekannt, wobei immer wieder Jugendliche sterben. In Deutschland ist es bisher bei Einzelfällen geblieben, hier ist nach Angaben von Experten eher selbstverletzendes Verhalten wie das Ritzen der Arme verbreitet. 

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