Landeshauptstadt: Zuhause auf Zeit
Im Jugend-Wohnverbund der Volkssolidarität werden 25 Kinder und Jugendliche betreut
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Für die meisten Kinder ist eine funktionierende Familie etwas Selbstverständliches. Doch was passiert, wenn die Beziehung zwischen Kindern und Eltern massiv gestört ist und es nur noch Streit gibt? In solchen Fällen können betroffene Kinder und Jugendliche für eine gewisse Zeit nach Vermittlung des Jugendamtes in Wohneinrichtungen ziehen, von denen es in Potsdam fünf gibt. Eine davon, der Wohnverbund des Landesverbandes der Volkssolidarität Brandenburg e.V. in Potsdam-Eiche, gibt es seit 15 Jahren.
Es ist eine ruhige, friedliche Gegend, in der die drei Häuser und zwei Wohnungen für die insgesamt 25 Kinder und Jugendlichen sowie 16 pädagogischen Mitarbeiter stehen. Die Altersspanne reicht von einem bis 18 Jahren, etwa die Hälfte der Kinder ist unter sechs Jahre alt. Manche haben häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt, manchmal sind es aber auch Krankheiten oder andere Probleme, wegen denen die Eltern ihren Aufgaben nicht im vollem Maße nachkommen konnten. Im Wohnverbund sollen die Kinder und Jugendlichen eine angenehme häusliche Umgebung erhalten, bis sie wieder in ihre eigene Familie zurückkehren oder nach Erreichen der Volljährigkeit ein selbstständiges Leben aufnehmen können; manche von ihnen haben bereits 13 Jahre hier gelebt. 1997 hatte die Volkssolidarität das letzte städtische Kinderheim in der Ludwig-Richter-Straße mit 20 Kindern und neun Mitarbeitern übernommen. Noch im selben Jahr musste die Einrichtung jedoch nach Potsdam-Eiche ziehen, da die Jewish Claims Conference Rückübertragungsansprüche auf das Gebäude in der Ludwig-Richter-Straße hatte.
Einer der derzeitigen Bewohner ist der 17-jährige Brandon S.*, der seit 2010 in dem Wohnverbund lebt; zusammen mit einem anderen Jungen und einem Mädchen wohnt er quasi in einer Jugend-WG. Es ist bereits das vierte Wohnheim für den Jugendlichen: Mit 14 Jahren ging er von Zuhause weg, da er sich nicht mit dem Freund seiner Mutter verstanden habe: „Da habe ich gesagt: Entweder er geht oder ich gehe. Da hat sie sich für ihn entschieden.“
Zunächst ging Brandon in ein Wohnheim in seinem Heimatort Ludwigsfelde, danach in ein Wohnprojekt der Arbeiterwohlfahrt in Potsdam, danach in eine Einrichtung in Sachsen-Anhalt. Er sei immer wieder rausgeworfen worden, erzählt der 17-Jährige, weil er sich „schlecht benommen“ habe: „Ich habe mich leicht reizen lassen und öfters Prügeleien angefangen.“ Die Einrichtung in Sachsen-Anhalt hatte er verlassen müssen, weil er einem Lehrer der an das Wohnheim angeschlossenen Schule aus Wut ein Fenster eingeschmissen hatte.
Im Wohnverbund der Volkssolidarität wurde das irgendwann anders: „Die Leiterin Heike Kothe hat mich vor die Wahl gestellt, ob ich mich benehme oder die Einrichtung verlasse.“ Da es ihm hier sehr viel besser gefallen habe als bei den vorigen Stationen, habe er schließlich umgedacht. In einem Jahr muss Brandon jedoch ausziehen, derzeit sucht er nach einer Ausbildung zum KFZ-Mechaniker. Mit seiner Mutter habe er regelmäßig Kontakt, „aber ich kann nie lange zu Hause bleiben, sonst gibt es immer wieder Streit.“ Erik Wenk
*Name von der Redaktion geändert
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- Schule und Kita in Potsdam
- Sexualisierte Gewalt
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