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Landeshauptstadt: Zwischen „Spar-Disko“ und „Bundestag“

Die Stadt der Kinder am Schlaatz ist fertig. Am Freitag bekam die Holzsiedlung das Stadtrecht verliehen

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„Wir bauen uns eine Stadt, die man noch nie gesehen hat!“ schallt es bereits von Ferne den Besuchern am Stadttor entgegen: Auf dem Holzturm des „Casinos“ hat sich der Kita-Erzieher Thomas Kellner mit Gitarre und Verstärker postiert und singt zum Volk auf dem „Marktplatz“. Das besteht aus über 160 Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren, die in der „Stadt der Kinder“ im Nuthewäldchen am Schlaatz zwei Wochen lang bauen, wohnen und spielen werden.

„Wir haben schon 16 oder 17 Häuser“, sagt Betreuerin Katja Altenburg und zeigt auf den Stadtplan: Es gibt eine Tierklinik, eine „Blumenburg“, einen „Bundestag“ und ein „Detektiv-Büro“. Sogar das Verbrechen hat seinen Platz in der Stadt: Die Bewohner der „Räuberhöhle“ legen sich vornehmlich mit der „Polizei“ der Stadt an oder besetzen auch mal eines der Häuser. „Gerade wurden wir vom Krankenhaus angegriffen!“, berichtet der neunjährige „Räuber“ Paul. „Die Polizei muss ja auch was zu tun haben“, meint Altenburg. In der Tat: Im Polizei-Gefängnis sitzt bereits ein Rabauke und rüttelt an den Holz-Gitterstäben. „Er hat Ärger gemacht“, begründet „Polizist“ Jeremy, ebenfalls neun Jahre alt, die „Festnahme“. Etwas friedlicher geht’s im noch leeren Streichelzoo zu, wo zwei Mädchen auf dem Dachbalkon das laute Treiben der Stadt beobachten. „Die Hasen und Meerschweinchen kommen nächste Woche!“, verspricht die achtjährige Mariann.

Plötzlich herrscht Aufregung, denn es naht Staatsbesuch: Der Fanfarenzug Potsdam geleitet die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) mit Pauken und Trompeten in die Stadt. Die Vertreterin der Landeshauptstadt hat eine Urkunde dabei: „Hiermit verleihe ich der ‚Stadt der Kinder’ das offizielle Stadtrecht!“ Großer Jubel, aber wer bekommt das Dokument? „Nicht an die Räuber!“, wehrt Müller-Preinesberger einige Interessenten ab; am Ende bekommt es die Feuerwehr.

Die Stadt wird demokratisch regiert: „Jedes Haus hat einen Haussprecher, mit denen wir uns einmal am Tag treffen, um über Probleme oder Ideen zu reden“, sagt Altenburg. Ob es in der Stadt auch spezielles Geld oder freien Warentausch geben wird, steht noch nicht fest: „Das werden die Kinder nächste Woche entscheiden“, so Altenburg. Vielleicht werde es auch ein Gericht geben, vor dem Streitigkeiten geklärt werden sollen. Neben selbsterklärenden Gebäuden wie dem „Kiosk“, wo umsonst Essen verteilt wird, gibt es auch Häuser, bei denen man sich nicht ganz entscheiden konnte: „Sparkasse“ und „Disko“ steht an einem Haus. „Das wird eine Spar-Disko!“, rufen die Bewohnerinnen vom Dach herunter. Ähnlich sieht es bei der „Tankstelle“ aus: „Das ist eine Sandwich-Bude mit Tanzschule“, erklärt der neunjährige Simon hinter dem Tresen.

Die auf Euro-Paletten errichteten Häuser sind erstaunlich stabil und erreichen teilweise Höhen von drei bis vier Metern. Die Kinder haben die meisten Bauarbeiten selbst erledigt, nur unter der zurückhaltenden Anleitung der Betreuer: „Die Kinder sollen schon sehr viel selber machen“, sagt Katja Altenburg.

Und das machen sie auch, etwa im großen „Zeitungs-Zelt“: Drei Nachwuchs- Journalisten tippen gerade die neuesten Sensationen in ihre Schreibmaschinen und Computer. In der täglich erscheinenden „Tudass“-Zeitung erscheinen von den Kindern geschossene Fotos und Berichte: „Wir drucken zum Beispiel Rätsel oder den ‚Skandal des Tages’“, sagt die elfjährige Marlene. „Skandal! Tracy wurde überall angemalt!“, verkündet etwa die Donnerstagsausgabe.

Die „Stadt der Kinder“ ist dank öffentlicher Förderung kostenlos und gibt es bereits seit 2006. Neu ist diesmal, dass es unter dem Motto „Öko? Logisch!“ auch Umweltaktionen geben soll: Geplant ist etwa ein „Kräuter-Raten“, eine Biber-Tour oder der Bau eines Insekten-Hotels. So richtig Fahrt wird das Stadtleben nächste Woche aufnehmen, dann werden die Kinder nämlich einen Bürgermeister, einen Stadtnamen und ein Stadtwappen wählen und je nach Haus verschiedene Berufe einnehmen.

„Wir sind stolz auf das Haus, das wir gebaut haben!“, meint der neunjährige Richard, der nach eigenen Angaben einen Kfz-Großhandel in der Stadt betreibt. Er würde gerne in der Stadt weiterwohnen, aber weiß natürlich, dass die „Stadt der Kinder“ nur zwei Wochen steht: „Ich finde schade, dass sie dann abgerissen wird. Aber einige der Häuser werden ja noch versteigert.“ Familien mit einem Garten können tatsächlich vor dem Abriss nächste Woche eines oder mehrere der Häuser erwerben – müssen sie dann allerdings auch selbst abtransportieren.

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