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Kultur: „Alles fliest“

Künstlerisches zum Tag des Wassers vor der „Blubbersäule“

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Bekanntlich kann man, nach Heraklit, nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen, weil schließlich „alles fließt“. Auch am Donnerstag „flieste“ es, aber nicht in Griechenland, sondern im Atrium der Hauptverwaltung der Energie und Wasser GmbH Potsdam in der Steinstraße 101. Dieses Ding ist sehenswert. Ein wie von Wellen überdachter Innenhof mit einer „Blubbersäule“ inmitten, zwei- oder dreigeschossige „Emporen“, während zwei Stufen erdwärts der Eindruck eines skulpturengeschmückten Trockenbassins entsteht. Halb Verwaltung, halb Kunst, jedenfalls Gegenwart mit beachtlicher Akustik. Hier also wurde Donnerstag der künstlerisch-literarische Beitrag zum diesjährigen „Tag des Wassers“ gegeben. Sein von der UNO vorgegebenes Thema „Wasserknappheit bewältigen“ ist für Potsdam nicht relevant, wie die promovierte Betreuerin dieses Kunstprojektes, Karin Sadowski, bei der schwach besuchten Vernissage bemerkte. Um so neugieriger durfte man sein, was zwei Künstlerinnen davon zu berichten wussten – die in Polen geborene Judith Gaida als Vertreterin der bildenden Zunft, sowie Frederike Frei als freie Autorin – denn Nasses braucht ja tatsächlich jeder.

Robuste Ideen, etwa diese tödliche Zivilisation zurückzudrehen, damit Wasser für alle da sei, war in diesem Rahmen nicht zu erwarten. Judith Gaida hatte sich eine „Installation“ ausgedacht, welche sich in zehn Stationen wellenförmig zwischen den Parterre-Zimmern 002 und 009 an der Wand befinden: Ein zeichnerisches Spiel zwischen einem Wasserhahn und einer gut befingerten Hand in wechselndem Kontrast: Mal stak der Finger im schwarzen Instrument, mal dunkelte die Hand dem hellen Technik-Corpus entgegen – Variation auf das bekannte Logo vom Wasser und seinem Hahn. Zur Rechtfertigung des Namens „Installation“ gab sie den eher flüchtigen Zeichnungen ein Paar Wellen-Fotos in Schwarz-Weiß dazu, nicht aufwendig, zumal sich das Zehnerpaket in dieser Halle sichtbar verlor.

Der Heraklitische Titel kam zustande, weil irgendein Berliner die Worte Fliese und „fließe“ nicht recht auseinanderhalten konnte. Frederike Frei nahm diesen Lapsus dankend auf, sie schuf eigens für diese Ausstellung ein paar Gedichte, deren vier in Blau auf die Fliesen des Atriums projiziert wurden: Beispiel: „Stülp ein Haus um, gieß/Wasser hinein und schütt es/ aus wie einen Eimer. Nimm/einen Häuserblock, schütt ihn aus. Nimm eine ganze/Reihenhaussiedlung, schütt/sie aus. Dann hörst du die/Brandung. Nicht aufhören./Gleich mit dem nächsten Viertel anfangen.“ Das „Arche-Noah-Prinzip“ aus Menschenhand sozusagen, und alles nur für die Akustik.

Im ersten Teil bemühten sich die beiden Damen um ein künstlerisches „Zwistgespräch“ zu Werkfragen, wobei man jeweils die Worte der anderen las. Manchmal kam da etwas durcheinander. Mit Wasser hatte das nun gar nix zu tun. Den zweiten Teil gestaltete die Autorin als Lesung allein, wobei der türkis-gekleidete Pantomime Jan-Lukas Spychay ihre „Fliesen-Gedichte“ interpretierte. Teils en face, teils mit dem Rücken zu den zwanzig Hörern, trug sie weitere Texte vor, zuletzt aus dem Liebesroman „Im Freien“. Hier ließ sie Liebe und Sturm einfach weg, um allein den Regen zu schildern. Nun sind Gaidas Zeichnungen bis zum 28. April im Atrium allein. Mögen sie trotzdem gesehen werden: Wie man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann, so wird auch jede Begegnung anders geraten.

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