
© Schulz-Fieguth/Husum Verlag
Bildband über Kurische Nehrung: Bilder für die Seele
Die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth gibt einen Band über die Kurische Nehrung heraus.
Stand:
Mit dem Vater reiste die Fotografin Monika Schulz-Fieguth 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in dessen Heimat, in die Kurische Nehrung. Immer wieder erzählte Eduard Braksch seinen Kindern von den Schönheiten dieser Landschaft, einer Landschaft an Haff und Ostsee, die einst Teil Ostpreußens war und heute zu Litauen sowie Russland gehört. Künstler aller Couleur siedelten sich in der Kurischen Nehrung an oder besuchten sie wiederholt. Viele Zeitgenossen entdecken sie und lassen sich von ihr verzaubern. Kraftvoll, urwüchsig, doch auch nach innen gekehrt präsentiert sie sich dem Betrachter. Einfach melancholisch. Schon der Berliner Gelehrte und Politiker Wilhelm von Humboldt war vor 200 Jahren begeistert von der Landschaft. Sein Eindruck: „Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebenso gut wie Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll.“
Der Zweite Weltkrieg brachte Enteignung und Vertreibung von Millionen Menschen und neue Grenzen. Das musste auch der Vater der bekannten Potsdamer Fotografin schmerzlich erleben. In Potsdam fand er seine Frau und gründete eine Familie. Die Havelstadt wurde schließlich neue Heimat. Doch die Sehnsucht zur Kurischen Nehrung blieb, nach der faszinierenden Landschaft, der Lebensweise und den Traditionen der dortigen Menschen, auch nach der ostpreußischen Mundart. Aber erst die politische Wende von 1990 machte ein Wiedersehen mit der Kurischen Nehrung möglich. Während der Reise waren beklemmende Fragen immer anwesend: Was erwartet mich? Was ist geblieben? Vieles, was in seiner Kindheit und Jugend Bestand hatte, ging mit dem Einmarsch der Roten Armee unter.
Ein Erlebnis der besonderen Art
Für Monika Schulz-Fieguth wurde die Begegnung mit der Kurischen Nehrung zu einem Erlebnis der besonderen Art. Natürlich war es ihr wichtig, das Land ihrer Vorfahren mit eigenen Augen kennenzulernen, auch die Menschen, für die es heute Heimat ist. Den Fotoapparat hatte sie bei ihren sechs Besuchen immer zur Hand. „Ich suche nach Bildern, die die Geschichte dieses Landstrichs erzählen. Für mich stellen im Besonderen die alten Menschen die Verbundenheit zu ihrer Landschaft und ihrer Geschichte dar. Was ist geblieben – wo sind ihre Hoffnungen und was bleibt von ihnen?“, so erklärt Monika Schulz-Fieguth ihr Anliegen in dem Vorwort zu dem soeben erschienenen Foto-Lese-Buch „Die Kurische Nehrung – Melancholie einer Landschaft“.
Der von der Prussia-Gesellschaft e.V. herausgegebene Band lebt in erster Linie von den Fotografien Monika Schulz-Fieguths. Sie ist, so erlebt man es auch in der „Kurischen Nehrung“, eine konzentrierte Beobachterin ihrer Motive. Doch neutral oder gar emotionslos bleibt sie bei der Wiedergabe in keinem Augenblick, trotzdem kommt sie ohne große Inszenierung aus.
Das Melancholische ist überall
Die Beziehung der Menschen zueinander, deren Fragen an das Dasein werden in den vom Leben gezeichneten Gesichtern lebendig, auch das Nichterfüllte, die Wünsche und Hoffnungen. Da beobachtete Monika Schulz-Fieguth alte, gläubige Frauen in einer Kirche oder vor ihrem kargen Wohnhaus mit den prallen Obstbäumen, einen kraftvollen bärtigen Mann in besten Jahren, der noch zupacken kann, junge Leute mit einem Hauch Aufbruchsstimmung beim Musizieren. Und natürlich sind das Erleben der melancholischen Landschaft und das Einfangen des wechselnden Spiels des Lichts ausdrucksstarke Kennzeichen der Bilder der Potsdamer Künstlerin. Die herbe und stille Landschaft von Haff und Meer mit ihren alten Alleen, Obstbäumen, Feldern und Dörfern in den unterschiedlichen Jahreszeiten sind in den farbigen Fotografien der Künstlerin zum Greifen nah geworden.
Das Melancholische der Kurischen Nehrung lässt sich wohl nicht abstreifen, es durchzieht diese Landschaft und auch ihre heutigen Bewohner. In den Texten, die Hildegard Willoweit trefflich auswählte, kann man dies ebenfalls entdecken, mit Gedichten und Betrachtungen von Autoren wie Agnes Miegel, Max Hermann Neiße, Siegfried Lenz, Thomas Mann, Johannes Bobrowski oder Arno Surminski. Sie waren mit der Kurischen Nehrung durch Geburt, Wohnort und immer wiederkehrenden Besuchen eng verbunden. Von Dietmar Willoweit kann man einen informativen Text lesen, der in die spannende Geschichte dieser eigenwilligen und emotionsstarken Landschaft und ihrer Einwohner kenntnisreich einführt.
Inzwischen bereitet Monika Schulz-Fieguth im Husum Verlag für den Herbst ein weiteres Buch vor. Mit ihm kehrt sie nach Potsdam zurück. Den „letzten Garten“, den Bornstedter Friedhof, wird sie darin fotografisch erkunden.
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