Kultur: Bilder vom Unsichtbaren Elke Schieber suchte nach Jüdischem im Film
„Nur wenn wir etwas voneinander wissen, wenn wir miteinander sprechen und uns berühren lassen, wird es schwerer, Vorurteile aufrecht zu erhalten oder neu zu entwickeln“, sagte Elke Schieber zu Beginn ihres Vortrags über Jüdisches in den audiovisuellen Medien der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR am Donnerstagabend im Filmmuseum . „Tangenten: Bilder vom Unsichtbaren“ überschrieb sie ihr Programm im Rahmen des 17.
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„Nur wenn wir etwas voneinander wissen, wenn wir miteinander sprechen und uns berühren lassen, wird es schwerer, Vorurteile aufrecht zu erhalten oder neu zu entwickeln“, sagte Elke Schieber zu Beginn ihres Vortrags über Jüdisches in den audiovisuellen Medien der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR am Donnerstagabend im Filmmuseum . „Tangenten: Bilder vom Unsichtbaren“ überschrieb sie ihr Programm im Rahmen des 17. Jüdischen Filmfestivals Berlin & Potsdam 2011, mit dem sie auch einen Einblick in ihr umfangreiches, von der DEFA-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt gewährte: In den vergangenen zweieinhalb Jahren hatte die Filmwissenschaftlerin in Archiven rund 1000 Beiträge erfasst, in denen es um Judenverfolgungen im Nationalsozialismus geht, um Antisemitismus vor 1933, um Vergangenheitsbewältigung nach 1945 und das Verhältnis zu Israel und dem Nahost-Konflikt – Filme, Serien fürs Kino, Fernsehbeiträge, Beiträge für die Staatliche Filmdokumentation und die Produktionen der HFF in Babelsberg.
Mit der „kurzen Stippvisite in die Geschichte“ der dokumentaren audiovisuellen Medien, die von 1946 bis 1990 in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR hergestellt wurden, ging Elke Schieber der Frage nach, was darin eigentlich vom jüdischen Leben gezeigt wurde. „Wenig“, konstatierte sie, und das war auch eine der wenigen übergreifenden Schlussfolgerungen an diesem Abend. Sie wies auch darauf hin, dass es 1979 in der Akademie der Künste eine Debatte über Versäumnisse bei der Aufarbeitung des deutschen Faschismus gab, deren Ausgangspunkt eine Äußerung des Schriftstellers Otto Gotsche war. Er hatte den Völkermord an den Juden hierbei als ein untergeordnetes Thema bezeichnet. In dieser Debatte wurde u.a. angemahnt, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch die Jugend in der DDR nicht wisse, was ein Jude sei und was man mit Juden gemacht habe.
Methodisch folgten ihre genauen, mit Seitenverweisen und Bezügen verwobenen Ausführungen einem Motto, mit dem in den Anfangsjahren nach 1946 die Defa-Wochenschau „Der Augenzeuge“ begann: „Sehen Sie selbst, hören Sie selbst, urteilen Sie selbst“. Trotz des zeitlichen Abstandes zum Geschehen vermochte das überwiegend schwarz-weiße und grobkörnige Material aus verschiedenen „Augenzeugen“ mehr als einmal zu erschüttern: Wenn 1947 bei der Begrüßung von aus Shanghai heimkehrenden jüdischen Emigranten der Berliner Bürgermeister Ferdinand Friedensburg (CDU) sich dafür bedankte, dass „unsere jüdischen Freunde“ nicht zurückgekehrt seien, um „unter einer verarmten, verängstigten Bevölkerung ein sorgenfreies Leben zu führen, sondern um hier unsere Nöte, unserer Kummer, unsere Sorgen unseren Hunger zu teilen“ – ohne ein Wort über den Genozid zu verlieren, der diese Menschen außer Landes getrieben hatte. Oder wenn sich 1967, nach dem Sechs-Tage-Krieg in Nahost, leere Sprachphrasen des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und des Sekretärs des ZK der SED, Albert Norden, von der „Klassenauseinandersetzung“ und den „monopolistischen Erdölinteressenten und ihren imperialistischen Regierungen“ als Formulierungen etablierten, mit denen bis in die 80er Jahre hinein in den Medien der DDR der Nahost-Konflikt benannt wurde. Hinter denen aber die wirklichen Konflikte verborgen blieben.
Höhepunkt der Vorführungen war der Dokumentarfilm „Das Singen im Dom zu Magdeburg" (1988). Der anwesende Regisseur Peter Rocha erzählte, wie er durch ein zufällige Begegnung mit jungen Chormitgliedern darauf stieß, dass Estrongo Nachama, berühmter Oberkantor der Jüdischen Gemeinde Berlin, regelmäßig aus Westberlin nach Magdeburg kam, um mit dem Magdeburger Domchor hebräische Lieder zu singen – auf eigene Initiative und scheinbar unbemerkt von jeglicher offizieller Politik. Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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