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Aus Biskuit-Porzellan. Eine Büste des Marquis d’Argens 1774

© Aus Katalog „Friderisiko“

Kultur: Das „Salz der Erde“

Der Marquis D’Argens – Freund und dennoch verspottet vom König

Stand:

Auf 6000 Quadratmetern im Neuen Palais, verteilt auf 72, zum Teil erstmals zugänglichen Räumen, präsentiert sich derzeit die große Jubiläumsausstellung „Friederisiko“ zum 300. Geburtstag von Friedrich II. Knapp 1500 Exponate sind noch bis zum 28. Oktober zu sehen, 1000 davon gehören zur Ausstattung des Neuen Palais. Die PNN stellen einzelne Ausstellungsstücke vor, die viel auch über Friedrich II. erzählen und erklären können.

Das 1850 von Adolph Menzel gemalte Gemälde von der Tafelrunde im Marmorsaal des Schlosses Sanssouci hat bis heute das Bild von der Gelehrtengesellschaft um Friedrich den Großen geprägt. Der König war bestrebt, vor allem den internationalen Adel im Geist um sich zu versammeln. Voltaire, Algarotti, D’Alembert, Maupertuis, D’Argens gehörten zu den Gästen der Tafelrunde, bei denen lebhaft über Gott und die Welt diskutiert wurde. Menzels Gemälde gibt darüber wunderbar Kunde. „Geistvolle Menschen erscheinen mir im Vergleich zu der gemeinen und verächtlichen Herde der Gedankenlosen wie Seraphime. Sie sind das Salz der Erde “, schrieb er an den venezianischen Schriftsteller und Kunstkenner Francesco Algarotti.

Friedrich war mit den meisten der Tafelrunden-Anwesenden befreundet. Zu den eigenwilligsten Persönlichkeiten gehörte Jean Baptiste de Boyer d’Argens, Sohn eines Generalprokurators von Aix in der Provence. Als junger Mann führte der Jurist ein abenteuerliches Leben, das ihn auch nach Preußen führte. In der Ausstellung „Friederisiko“ ist eine Büste des Marquis d’Argens aus Biskuit-Porzellan, das in der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin 1774 angefertigt wurde, drei Jahre nach dessen Tod.

Von seiner Gönnerin, der Herzogin Marie Auguste von Württemberg, wurde Jean Baptiste de Boyer d’Argens dem Preußen-König vorgestellt. Der fand großen Gefallen an den Franzosen, lud ihn an seine Tafelrunde ein, ernannte ihn zum Kammerherrn sowie zum Direktor der Literaturklasse an der Akademie der Wissenschaften. Außerdem erhielt er jährlich ein Salär von 1500 Reichstalern.

Der Marquis avancierte indes immer mehr zum Philosophen und Schriftsteller. Seine witzigen Briefe und geistreichen Romane waren beliebt, nicht nur beim König. Besonders während des Siebenjährigen Krieges zog Friedrich ihn ins Vertrauen. Er schrieb sogar eine „Epistel an d’Argens“, in dem er den Freund sein psychisches Leid klagte und vom freiwilligem Tod sprach: „Ich aber mag nicht mehr.“ Doch Voltaire nannte den Kammerherrn geschwätzig. Und Friedrich selbst sparte später nicht selten mit beißendem Spott und zynischen Bemerkungen gegenüber D’Argens, vor allem weil er seine Krankheiten in Form von Todesfurcht, Asthma oder fieberartigen Zuständen zum Überdruss in die Gespräche einbrachte. Während einer Reise des Marquis nach Frankreich ließ Friedrich in Wirtshäusern gefälschte Schreiben des Bischofs von Aix anbringen, in denen der Kammerherr als „Gotteslästerer“ und „Feind des Menschengeschlechts“ angeklagt wurde. Der Marquis war schließlich des Hohns überdrüssig und bemerkte gegenüber dem französischen Gelehrten Thiébault: „Bilden Sie sich niemals ein, dass Könige zahm werden können. Es ist vergebliche Hoffnung, zu erwarten, dass sie durch die schönen Künste milder werden. Sie sind und bleiben schlecht gezähmte Löwen. Wildheit und Blutgier sind ihnen angeboren. Wenn man am wenigsten daran denkt, erwacht der Naturtrieb und man fällt ihren Zähnen und ihren Pranken zum Opfer.“

Obwohl Friedrich für den Marquis eine Wohnung im Neuen Palais herrichtete, also ganz in seiner Nähe, verließ dieser fluchtartig den preußischen Königshof. Er wollte sich nicht weiter den Gemeinheiten Friedrichs aussetzen. Der sprach und schrieb zwar über tiefe Freundschaften, doch bei der Auswahl der Räume suchte er gezielt Tapeten aus, die dem Marquis widerwärtig waren.

Nicht nur D’Argens, der zu den wichtigsten Kunstberatern des Königs gehörte, verschwand eines Tages von der königlichen Bildfläche. Auch andere Mitglieder der Tafelrunde machten sich aus dem Staub. Manchmal war aber auch das allerhöchste Interesse an ihnen erloschen. Schon 1754 klagte Friedrich: „Unsere Tafel von einst ist zum Teufel gegangen. Voltaire ist in der Schweiz, der Italiener (Algarotti) ist heimlich durchgebrannt, Maupertuis liegt auf dem Siechbett und d’Argens hat sich den kleinen Finger verletzt“. Seinen 27-jährigen Aufenthalt am preußischen Königshof beendete der Marquis 1768. Friedrich vereinsamte immer mehr. Die Glanzzeiten der intellektuellen Gespräche waren vorbei. Gedemütigt verließen viele den Hof. Später erkannte er seine Fehler. Doch die waren nicht mehr zu reparieren, da die meisten seiner Gefährten schon verstorben waren. Dem Marquis d’Argens ließ Friedrich II. als „Wiedergutmachung“ in der Minoritenkirche zu Aix-en-Provence ein Grabmonument errichten.

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