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Kultur: „Die Kunst ist eine große Baum “

Ausstellung von Karoline Rüss zu ihrem 80. Geburtstag im Kunsthaus Potsdam

Stand:

Ein altes Gebäude mit großen Fenstern und einer „Freitreppe“, die in die Räume führt. Umrahmt wird es von einem großen Garten mit vielen blühenden Stauden, Sträuchern und großen Bäumen. Alles hat eine gemächlich tropfende Stille. Es ist das Pfarrhaus und -garten in Rohrbeck, in der Nähe von Groß Glienicke gelegen. Karoline Rüss hat dieses Haus mit Wasserfarben aufs Papier gebannt.

Mehr als 40 Jahre lang hat sie mit ihrem Mann, den Pfarrer Bernhard Rüss, hier gelebt und gearbeitet: als Pfarrfrau und Künstlerin. Ihre drei Kinder – Christian, Ulrike und Cornelius – wuchsen in Rohrbeck auf. Und ein großes zeichnerisches, grafisches und malerisches Werk ist im Pfarrhaus entstanden. Karoline Rüss war jetzt selber erstaunt, wie viel Bilder sie in Kisten und Mappen vorfand. Sie musste ihre Arbeiten wieder in Augenschein nehmen, denn schließlich stand eine Ausstellung an, die nun heute anlässlich ihres 80. Geburtstages im Potsdamer Kunsthaus im Ulanenweg eröffnet wird.

Die Künstlerin präsentiert zum ersten Mal Ausschnitte ihres Werkes in einer Schau. Zu DDR–Zeiten wurde ihr vom damaligen Verband Bildender Künstler verweigert, sich an Ausstellungen zu beteiligen, geschweige eine eigene Schau zu veranstalten. „Bei ihrer Biografie geht dies nicht“, so die deutliche Meinung der Verbandsleitung. Ja, diese Biografie. Voller Erstaunen liest man sie: 1927 in Essen geboren, studierte sie nach dem zweiten Weltkrieg Grafik und Illustration in Berlin, dann Kunsterziehung, spielte Violine im Hochschulorchester und wurde ab 1953 bis 1961 Lehrerin in Spandau.

Caroline Rüss, bescheiden, temperamentvoll und fröhlich, ließ sich nach dem Mauerbau nicht unterkriegen. Verstärkt wandte sie sich nun wieder der künstlerischen Beschäftigung zu und wurde in der Kirchengemeinde tätig, vor allem auf musikalischem Gebiet. Sie machte sich in der Landeskirche Berlin–Brandenburg als Entwurfszeichnerin für Kirchensiegel einen Namen. Insgesamt 200 Siegel entstanden mit ihren Händen. Eine intensive Vorarbeit ging diesen Arbeiten natürlich voraus. Mit der Architektur des Gotteshauses und seiner Geschichte, oftmals auch mit der des Ortes, setzte sie sich auseinander, um dann in großer Reduktion eine treffende Aussage über Gemeinde zu geben. Nach 1990 hat sie dann für mehrere Potsdamer Firmen die Logos gezeichnet.

Aber dies ist nur eine künstlerische Seite von Caroline Rüss. Spaziert man durch die Räume des Kunsthauses, fällt einem beim Betrachten der Vielzahl der Bilder ein Wort des Franzosen Jean Cocteau ein: „Die Kunst eine große Baum. Und ich bin wie ein Vögelchen, der von Ast zu Ast hüpft, von Zweiglein zu Zweiglein. Aber immer in dieselbe Baum ...“

Da entdeckt man Entwürfe von Lichtbildserien zur Schöpfungsgeschichte für das Evangelische Jungmännerwerk, den Orgelprospekt für die Kirche in Finkenkrug , Bildgeschichten für die Wochenzeitschrift „Die Kirche“.Für das Theater in Halberstadt – jahrzehntelang waren die Rüss“ mit dem dortigen Musikdirektor Hans Auenmüller befreundet – hat sie den Programmheften eine äußere Gestalt gegeben. Doch immer wieder fand sie Muße in ihrer knapp bemessenen Freizeit zu zeichnen und zu aquarellieren. Dann natürlich, was ihr besonders Spaß machte: die Landschaft an der Ostsee, Bäume, Blumen, Straßenzüge, Häuser Porträts. Und immer wieder war auch die geliebte Musik ein Thema: Beobachtungen bei einer Probe mit dem Komponisten und Dirigenten Paul Hindemith, bei Hausmusikstunden in der Familie oder bei Ballettaufführungen. Karoline Rüss kann reduziert zeichnen, aber sie kann auf ihren Bildern wunderbar erzählen – mit einer herzlichen und warmen Sprache, die berührt und erfreut. Dabei lässt sie sich von keiner besonderen Stilrichtung einfangen, denn alle große Kunst ist ihr Vorbild. Klaus Büstrin

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