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Kinderbildnis. Der Franzose Jean-Etienne Liotard malte die Prinzessin Luise von Oranien, eine Nichte König Friedrich Wilhelms II., als neugierig in die Welt schauendes Mädchen, das in ihren Händen eine Porzellanfigur hält. Auch dieses Bild ist verschollen.

© SPSG

Von Klaus Büstrin: Ein Buch der Hoffnung

Ein weiterer Verlustkatalog der Gemäldesammlung der Schlösser-Stiftung ist erschienen

Zerstört. Entführt. Verschollen. Diese Feststellungen haben das Zeug zur Trauer. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg klagen bekanntlich über erhebliche Verluste von Kunstwerken, die am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach verloren gegangen sind. So hat sie sich nun zum zweiten Mal entschlossen, mit einem Verlustkatalog darauf aufmerksam zu machen. Diesmal mit der Auflistung der kleinformatigen Gemälde aus den Schlössern der Preußenkönige. Zerstört, verschollen oder als Beutekunst wurden sie in die Sowjetunion transportiert: Pastelle, Miniatur- und Silberstiftzeichnungen, Porzellanbilder, Glasgemälde oder Mosaikbilder.

Im Jahre 1958 wurde nur ein geringer Teil der erbeuteten Kunst von der Sowjetregierung an die DDR zurückgegeben. Die Rückgabe wurde damals als „Akt der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen den Brüdervölkern UdSSR und DDR“ gefeiert. In der Potsdamer Bildergalerie zeigte man die Gemälde aus den Sammlungen der Preußenkönige nach mehr als 15 Jahren.

„Auch der neue Verlustkatalog ist ein Buch der Hoffnung“, sagte Samuel Wittwer, Direktor der Abteilung Schlösser und Sammlungen während der gestrigen Buchvorstellung im Schloss Charlottenburg. Nach der ersten Publikation, die 2004 erschien, in der verlorene Staffelei-, Wand- und Deckengemälde aufgelistet wurden, konnten mehr als zwanzig Kunstwerke wiedergefunden werden. Sie sind nunmehr wieder im Besitz der Stiftung.

Der Verlustkatalog Nummer 2 stellt in seinem Anhang die Gemälde vor. Sie können nunmehr farbig wieder gegeben werden. Darunter Bilder aus den Werkstätten von Peter Paul Rubens und Antoine Pesne: „Maria, das Kind nährend“ und das Porträt König Friedrich Wilhelms I. Auch die Landschaft um Charlottenburg, die Wilhelm Barth malte oder der Ausritt der Fürstin Liegnitz von Franz Krüger gehören zu den restituierten Gemälden. So gab allein im vergangenen Jahr eine Privatperson aus Berlin zehn Gemälde an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zurück. Andere Bilder entdeckte man in Kirgisien oder im Londoner beziehungsweise im Berliner Kunsthandel.

Samuel Wittwer hofft nun, mit dem neuen Verlustkatalog ähnliche Erfolge zu erreichen. Der ehemalige Kustos der Gemäldesammlungen, Gerd Bartoschek, hat jahrelang in Sachen Verluste im Zweiten Weltkrieg geforscht. „Auch diese Veröffentlichung gehört zu den besonderen Lebensleistungen von Gerd Bartoschek“, sagte der Schlösserdirektor. „Mit diesem neuen Katalog lässt sich das einstige Inventar von Schlossräumen gut rekonstruieren.“

Die Hälfte der rund 150 Pastellbilder, die die Schlösser schmückten, seien verloren gegangen, teilte Bartoschek mit. Darunter das Kinderbildnis der Prinzessin Luise von Oranien, eine Nichte König Friedrich Wilhelms II. Das Bild mit dem freundlichen und neugierig in die Welt schauenden Mädchen, das in ihren Händen eine Porzellanfigur hält, malte der Franzose Jean-Etienne Liotard. Der Schöpfer des „Schokoladenmädchens“ war ein begehrter Miniaturmaler. Vor allem am Wiener und am französischen Hof schätzte man seine Pastelle. Das Bild der zweijährigen Luise von Oranien hing einst im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou und ab 1942 im Stadtschloss Berlin sowie in den Neuen Kammern. Es kam als Kriegsbeute in die Sowjetunion und wurde dem Staatlichen Puschkin-Museum Moskau übergeben. Im Jahre 1995, so Gerd Bartoschek, hatte man es in dessen Räumen ausgestellt.

Die Pastellbilder zeigen vor allem Porträts von Mitgliedern europäischer Höfe. Sie galten oftmals als kleine Mitbringsel von Familienangehörigen oder auch als Freundschaftsgeschenke. So könnte auch Gustav Lundbergs Bildnis des schwedischen Königs Adolf Friedrich an den preußischen Hof gelangt sein. Er war nämlich der Ehemann der Luise Ulrike von Preußen, einer Schwester Friedrichs des Großen. Ab 1773 war es im Neuen Palais nachweisbar. Es hing neben weiteren Bildnissen der Königin und ihrer schwedischen Familie. 1946 wurde das Pastell ebenfalls in die Sowjetunion gebracht. Man vermutet, dass es sich als Kriegsbeute im Historischen Museum Moskau befindet.

Natürlich wurde eine große Anzahl von Miniaturbildnissen Friedrichs des Großen gemalt, oftmals als Aquarell auf Elfenbein. Auch der König selbst versuchte sich in seiner Kronprinzenzeit als Künstler. Vor allem in Küstrin, als er dort 1731 in der Kriegs- und Domänenkammer diente, vertrieb er seine Freizeit mit dem Malen. Neben dem Kopieren der damals beliebten Gemälde des Franzosen Lancret entstanden auch kleine Pastelle, so das Porträt des Fräulein von Münchow oder die „Junge Frau mit aufschlagendem Buch“, die bis 1942 im Hohenzollernmuseum zu finden waren.

Verluste, die unter anderen durch Luftangriffe 1943 entstanden, sind bei Porzellanbildern mit Veduten und Landschaften aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beklagen. Die Berliner Königliche Porzellanmanufaktur hatte sich für die Wiedergabe der Bilder auf dem „weißen Gold“ besonders spezialisiert.

Samuel Wittwer bezeichnete den Katalog als ein weiteres wichtiges Nachschlagewerk für Liebhaber der preußischen Geschichte und Kunst, aber auch für Interessenten, die sich mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzen. „Ein dritter Überblicksband ist in Vorbereitung, der die gesamten Kriegsverluste unter anderen bei Möbeln, Skulpturen und Porzellanen in unseren Schlössern aufzeichnet“, sagte der Schlösserdirektor.

Die Verluste der preußischen Schlösser im Zweiten Weltkrieg. Gemälde II, Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 19.90 Euro

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