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Von Klaus Büstrin: Ein gnadenloser Blick

Karl Oppermanns preußische Ansichten im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

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Ein Sonntagmorgen mit Glockengeläut. Die richtige Stimmung, um etwas zu unternehmen. Auch für den Maler Karl Oppermann. Meist will er um diese Zeit sich die „schöne DDR“ ansehen, „wie sie so still daliegt“. Nicht nur am Sonntag. Dazu muss er erst hinaufsteigen, hinauf auf ein Aussichtsplateau am Potsdamer Platz. Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seitdem Oppermann auf diese Weise von Westberlin aus regelmäßig einen Blick über Mauer, Stacheldraht und grau-grünem Niemandsland auf „das Drüben“ wirft. Aus der Vogelschau. Er habe die Mauer verdrängt, obwohl er nur 500 Meter von ihr entfernt wohnt, sagt der Künstler. Während einer Besichtigungsfahrt mit Westdeutschen fällt es ihm wie Schuppen von den Augen, was „für ein Monstrum das ist, was das für eine Ausstrahlung hat“. Die Sicht auf den anderen Teil Berlins, der so nah und doch so fern liegt, wird Karl Oppermanns Mal-Motiv. „Große Gladiolen“ nennt er ein 1974 entstandenes Mauer-Bild. Mit Blumen als Gruß in die „schöne DDR“?

Die Grenze und der Blick über und durch sie ist ab heute im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (Kutschstall) zu sehen. Auf bildkünstlerischen Arbeiten von Karl Oppermann. Der Künstler, der vor 80 Jahren in Wernigerode im Harz geboren wurde, der an der Hochschule der Künste in Westberlin unter anderem bei Ernst Schumacher studierte, dort selbst als Hochschullehrer tätig war und sich als Künstler einen internationalen Ruf erwarb, hat nach der Wende einen Ort im Harz wieder zu seinem Wohn- und Arbeitsort gemacht.

„Heimat, süße Heimat“ heißt die Ausstellung im Kutschstall. Nicht die Sehnsuchtslandschaft in Sachsen-Anhalt ist damit gemeint, sondern Berlin mit ihrer vielgestaltigen Geschichte, die in vielen Stadtteilen architektonisch von Preußens „Glanz und Gloria“ beherrscht wird, vom Kalten Krieg, von der Teilung Und davon erzählen seine kraftvollen neo-expressionistischen Berlin-Veduten – nicht beschaulich, sondern zu Auseinandersetzungen und zum Nachdenken anregend.

Karl Oppermann reflektiert Geschichte und Gegenwart mit kritischer Distanz, und Ironie, die er oftmals bis zur Groteske steigert. Und so ist der süße Heimat-Ausstellungstitel ein Hinterfragen ganz nach seinem Geschmack. Gezeigt werden 28 Gemälde und 20 Grafiken aus dem Privatbesitz des Künstlers, als Leihgaben des Rundfunks Berlin-Brandenburg, der Stiftung Stadtmuseum Berlin, des Deutschen Instituts für Normung, des Museums Checkpoint Charlie und von privaten Besitzern.

Preußens widersprüchliche Geschichte hat auch den Künstler 2001 voll ergriffen. Es war das Jahr, in dem ein Gedenken an 300 Jahre Preußen stattfand. Aber sein Ergriffen-Sein sah anders aus als die vielen Jubelfeiern, die in seinen Augen eine gnadenlose Verwurstung der Geschichte bedeuteten. Oppermanns Interpretation hatte demzufolge satirischen Charakter. Deutliche Kritik und Hintergründigkeit gaben sich dabei die Hand. Der Maler weiß um die Janusköpfigkeit Preußens, bei der neben den schönen Künsten und die Aufklärung gefeiert auch ein militaristischer Ungeist betrieben wurde. Oppermann hat in seinen Bildern aus einer gewissen Enttäuschung gegenüber Preußen, wie auf der Ausstellungs-Eingangstafel dem Besucher mitgeteilt wird, Hohenzollern-Herrschern ein durchweg unschönes Gesicht zugeeignet. Vielleicht etwas sehr einseitig. Auf unkritische Preußen-Verehrer wird keine Rücksicht genommen. Oppermanns Haltung ist unmissverständlich. Gefährliche und Angst machende Pickelhauben „schmücken“ die Köpfe, nicht nur von Soldaten, sondern auch von Kindern, wie Monster wirkende Adler beherrschen die Szene, Tote und Ruinen sind das Ergebnis widersprüchlicher, ja unerträglicher Politik und Kriege. In „Schimmelreiter“, „Nach Osten geht unser Ritt“ oder im „Brandenburg-Triptychon“ wird der Betrachter mit einer preußischen Vergangenheit konfrontiert, die alles andere als von Arkadiens Traumwelt erzählt.

Karl Oppermann ist ein anteilnehmender und die Gesellschaft beobachtender Zeitgenosse, obwohl er von sich sagt, dass er sich nicht als politischer Maler verstehe. Denn auch die Landschaftsmalerei ist sein Metier. Besonders zur südeuropäischen Welt hat er ein glückliches Verhältnis. Die kräftigen, lebendigen Farben, die er zumeist wählt, sind mediterran. Und die leichte sowie schwungvolle Pinselführung beispielsweise bei den Bildern von der Insel Elba, der Mohn- und Schmetterlingsporträts, in den Ovid-Interpretationen finden auch in seinen preußischen Ansichten oder Kommentaren zum Erbe, das die DDR hinterlassen hat, in beredter Weise Ausdruck.

„Die Firma feiert“ nennt Oppermann ein Gemälde. Soldaten und Soldatinnen der Nationalen Volksarmee saufen und huren herum, so dass sie letztendlich nicht mehr wissen, was sie tun. Das Ende ihrer Macht ist nah. „Die Hausgemeinschaftsleitung“ ist ebenfalls in der „schönen“ DDR angesiedelt. Das Bild zeigt den kleinen Denunzianten von nebenan am Fenster in seiner Bude mit Bierflasche, Zigarette und Hunden, die in Pantoffeln steckenden Füße auf dem Tisch, vorbeigehende Menschen unter Kontrolle habend. Und in „Neulich am Kiosk“ feiern schweinchenfarbene Volkspolizisten bei den drei Damen vom Grill ein Wiedersehen mit alten Kameraden. Ja, auch in diesen großformatigen Bildern ist Groteske angesagt, wird Spießertum erschreckend deutlich.

Karl Oppermann ist ein hellwacher Maler geblieben, auch Autor von Lyrik und zwei lesenswerten autobiographischen Erinnerungsbüchern („Klatschmohn und Silberstift“ sowie „Wechselgesang“), der Geschichte, Gegenwart und Menschen im Blick hat. Ein unpolitischer Maler?

Bis 18. April, Oppermann „Heimat, süße Heimat“ Preußische Ansichten, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

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