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Von Klaus Büstrin: Einst nächste Nachbarn

Der Potsdamer Manfred Horlitz hat im Stapp Verlag ein Buch über „Fontanes Vorfahren“ herausgegeben

Stand:

Im Oktober 1885 feiert die Französische Kolonie in Berlin ihre „200jährige Jubelfeier des Erlasses des Edikts von Potsdam“ mit einem großen Festakt. Theodor Fontane – die Mitglieder der Kolonie nennen ihn natürlich Théodore – wird gebeten, ein Festgedicht zu verfassen: „Zweihundert Jahre, dass wir hier zu Land / ein Obdach fanden, Freistatt für den Glauben, / Und Zuflucht vor Bedrängnis der Gewissen. / Ein hochgemuter Fürst, so frei und fromm, / empfing uns hier, und wie der Fürst des Landes empfing uns auch sein Volk.

Unter dem Schutz des „Edikts von Potsdam“, das der dem Calvinismus bekennende Große Kurfürst Friedrich Wilhelm 1685 erließ, kamen die unter König Ludwig XIV. von Frankreich nach Aufhebung des Edikts von Nantes für vogelfrei erklärten und erbarmungslos verfolgten französischen Protestanten nach Brandenburg. „Jeder dritte Mensch war ein Franzose keine parisischen, sondern puritanische Leute, steif, ernsthaft, ehrpußlich, was sie vielfach bis auf diesen Tag geblieben sind“, schrieb Fontane in seinem Aufsatz „Die Märker und die Berliner und wie sich das Berlintum entwickelte“.

Fontane, der seine Abstammung von den Hugenotten immer hoch in Ehren hielt, war längst Berliner und Märker geworden. Auf Spurensuche nach Theodor Fontanes Vorfahren, wie das gleichnamige Buch, das im Stapp Verlag Berlin soeben erschien, begibt sich der Potsdamer Germanist und Autor Manfred Horlitz. Jahrelang war er Leiter des hoch angesehenen Theodor-Fontane-Archivs in Potsdam. Bis Ende 1995.

Horlitz hat für seine umfangreiche und akribisch genaue zehnjährige Forschungs- und Entdeckungsarbeit in fast 50 Archiven, Bibliotheken, Museen, Pfarrämtern und Kirchenbuchstellen gearbeitet. Mit neu aufgefundenen Dokumenten konnte er Fehlerquellen und bisherige Interpretationen korrigieren. Ein klar und schnörkellos, mit einem großen Wissen geschriebenes Buch von einer nicht immer einfach überschaubaren Familienhistorie ist entstanden. Für Fontanekenner und -liebhaber, für jeden, der sich für die Geschichte der Hugenotten und Brandenburg-Preußens interessiert, könnte es eine unentbehrliche Begleitung sein. Der Autor gibt Einblicke in die Situation im Kurfürstentum Brandenburg und im Königreich Frankreich bis zum Edikt von Potsdam, das mit seinen Ergebnissen für das Land an Havel und Spree sich als überaus förderlich erwies, waren doch die Mehrheit der Refugiés erfahrene Handwerker. Die Vorfahren des Dichters gehörten ebenfalls dazu. Sie reihten sich ein in die 14000 Flüchtlinge, die bis 1699 von Frankreich nach Brandenburg kamen: die Fontanes sowie die Familie Labry, die Altvorderen mütterlicherseits. „Nicht weit von der Rhonemündung stoßen her die Vorlande der Gascogne, von Norden und Osten her die Ausläufer der Cevennen zusammen und auf diesem verhältnismäßig kleinen Stück Erde waren meine Vorfahren, väterlicher- wie mütterlicherseits, zu Hause. Nächste Nachbarn also“, schrieb der Dichter.

Während die Fontanes sich in Berliner Teilstädten ansiedelten, fanden die Labrys zunächst in Magdeburg eine neue Heimat. Pierre Labry war Schlossermeister. Er baute einen Strumpfwirkerstuhl nach, der in Frankreich zum Standard in den Textilmanufakturen gehörte. Somit war dieser Stuhl auch für die Strumpfwirker in Brandenburg ein technischer Fortschritt. Als Handwerker, Kaufleute und preußische Beamte verdienten die folgenden Generationen der Labrys ihr Brot, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Berlin ansiedelten. Emilie Louise, eine geborene Labry in vierter Generation, heiratete schließlich Louis Henri Fontane, der sich als Apotheker in Neuruppin niederließ. Die Fontanes waren als Strumpfwirker, Zinngießer, auch als Künstler, Hof- und Staatsbeamte ihr Geld verdient, beispielsweise hatte Pierre Barthélmy Fontane als Maler eine Vertrauensstellung bei Königin Luise inne. Aus der Ehe zwischen Emilie und Louis Henri, die 1819 geschlossen wurde, gingen fünf Kinder hervor, darunter der im selben Jahr geborene Theodor, der spätere Dichter. Obwohl er den Märkern, ihrer Landschaft und Geschichte – er ist ja ganz der ihre – viel Reverenz in seinen Büchern erwies, hat er seine Sympathien zur französischen Heimat seiner Ahnen immer wieder bekundet.

Im Buch von Manfred Horlitz geht es ausschließlich um Vorfahren Fontanes. Doch sei angemerkt, dass noch heute drei Urenkelinnen des Dichters in Berlin und in den USA leben. Vor wenigen Wochen starb ein Urenkel mit 86 Jahren.

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