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Kultur: Entflammt

Marianne Gielen ist neue Vorsitzende des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler

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Alles an ihr leuchtet: Das Haar, die Latzhose, die Sonnenbrille. Und auch das Gesicht. Marianne Gielens Markenzeichen ist die Farbe Rot. „Sie hat mich okkupiert“, sagt die Malerin und strahlt. Natürlich sind auch ihre Bilder von der expressiven Kraft dieser feurigen Farbe durchflammt.

Seit ein paar Tagen nun steht die lebenssprühende und rührige Frau dem Vorstand des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler (BVBK) vor – und will dadurch noch tiefer in ihre neue Heimatstadt Potsdam eintauchen. Schon seit ein paar Jahren hat die Berlinerin ihr Atelier einen Steinwurf von ihrer Zehlendorfer Wohnung entfernt in der Havelstadt aufgeschlagen. Nun aber ging es mit Sack und Pack und natürlich mit der Familie in die Hebbelstraße. „Auch auf Wunsch meines Mannes, der in Potsdam seine Wurzeln hat und dorthin zurück wollte. Aber auch ich fühle mich hier sehr wohl. Die Menschen sind freundlicher als in Berlin.“

Heimat ist für Marianne Gielen ein wichtiger Haltepunkt, gerade mit zunehmendem Alter. Und auch weil sie ständig an anderen Orten der Welt unterwegs ist, seit ihre drei Söhne erwachsen sind und nicht mehr so sehr ihrer Fürsorge bedürfen. Atelierstipendien führten sie in den vergangenen Jahren in die USA, nach Japan, in die Türkei, nach Costa Rica und auch nach Indien. Oft erkundete sie per Bus im Alleingang die Gegend und es macht Spaß, sie gedanklich in ihren Erinnerungen zu begleiten. „Meine gefühlsmäßige Liebe gehört Afrika, vor allem Marokkos schönster Stadt Marrakesch. Die Farben und die Mentalität sind überwältigend.“ Und sie fühlte sich gar nicht so fremd. „Durch die lange Kolonialzeit ist noch heute der europäische Einfluss spürbar, zuallererst natürlich in der französischen Sprache.“ Mit Japan blieb sie indes auf Distanz. „Gerade auf dem Land sind die Berührungsängste sehr groß. Ein kleiner Junge in einem Dorf weinte fast eine Stunde lang, als er mich sah. Vielleicht wegen des roten Haars und weil wir für sie die Langnasen sind. Im Bus wurde ich wiederum immer mal wieder angefasst, als ob die Leute prüfen wollten, ob ich echt bin.“ Alles was zu fremd ist, sei schwieriger zu erkunden. Dennoch verlieh ihr auch dieses Land der aufgehenden Sonne künstlerische Impulse. „Erstmals malte ich japanische Rollbilder“ – und die Explosionskraft ihrer Farben wirken darauf keineswegs gedämpft. „Ich gebe mir immer Mühe, die Dinge positiv zu sehen.“ Nicht leicht, wenn wie in Indien die Armut gen Himmel schreit. „Andererseits ist dieses Land hochintellektuell, ein Meister der Computertechnik, und vor allem der Textilkunst. Ich habe auf meinen Reisen gelernt, dass wir nicht der Nabel der Welt sind und durchaus öfter bescheidener sein sollten.“ Marianne Gielen fühlt sich von Fremdheit stimuliert, findet aber auch das Zurückkommen immer wieder schön. „Manche Dinge zu Hause werden einem durch den Abstand lieber. Keinesfalls möchte ich mein Leben im Ausland beenden.“

Die nächste Reise wird sie wieder nach Indien führen. Diesmal gemeinsam mit den brandenburgischen Künstlern Gunter Schöne und Ellinor Euler als Antwort auf die Ausstellung „ArtLink 1“ in Potsdam, die Marianne Gielen für den BVBK im vergangenen Jahr kuratierte. „Diese deutsch-indische Gemeinschaftsschau hatte einen großen Zuspruch. Allein zur Potsdamer Erlebnisnacht kamen 700 Gäste ins Luisenforum.“ Marianne Gielen freut sich über die neuen Räume ihres Vereins, in dessen Vorstand sie schon seit mehreren Jahren mitarbeitet. Auch im „Kulturwerk“ ist sie aktiv, einem Verein, der u.a. Sponsorengeld für den BVBK akquiriert. Für die Fördermitglieder organisierte sie als Dankeschön für den finanziellen Beistand mehrere Kurztripps: Sie fuhren zur Biennale nach Venedig, waren in Barcelona und jüngst in der Neo Rauch-Ausstellung in Wolfsburg. Alles ehrenamtliche Arbeit, die Marianne Gielen nicht scheut. „Schließlich lernt man dadurch immer neue Leute kennen. Und das ist schöner, als nur in den eigenen vier Wänden zu sitzen“,sagt sie in ihrer selbstverständlichen, sympathischen Art.

Die Malerin fehlt auch nicht, wenn der Runde Tisch zusammentrifft, um moderne Kunst in Potsdam voran zu treiben. Kunstverein, Kunsthaus, Kunstraum vereinen dort gemeinsam mit dem BVBK ihre Stimmen. Hervorgegangen ist diese Gruppierung aus dem Forum Bildende Kunst, der die Kulturhauptstadt 2010 mit auf den Weg bringen sollte. Das Forum gibt es noch immer, doch manche Künstler und Vereine suchten nach dem Scheitern der Bewerbung ihr eigenes Podium. „Da ich keine Uralt-Potsdamerin bin, kenne ich nicht die Befindlichkeiten.“ Jedenfalls steckt sie einen Teil ihrer Energie nun auch in diesen Runden Tisch. Wenn nicht gerade Malen angesagt ist, andere Vereinsaufgaben rufen oder neue Reisepläne sie beseelen. So soll es im Herbst nicht nur nach Indien gehen. Auch zum Pleinair nach Schwedt möchte sie ein zweites Mal fahren. „Das Untere Odertal ist total spannend. Und den Kontakt zum direkten Nachbarn sollte man immer im Auge behalten.“ Gemeinsam mit ihrem Mann habe sie Polen schon vor dem Mauerfall bereist. „Osteuropa war für uns immer interessant. Was sich dort ereignete, bekamen wir in keiner Schule vermittelt.“ Marianne Gielen ist neugierig auf Land und Leute: ob von nebenan oder am anderen Ende der Welt. Diese Sehnsucht durchzieht wie ein roter Faden ihren ungestillten Lebenshunger.Heidi Jäger

Arbeiten von Marianne Gielen sind zur Zeit im Verein Berliner Künstler (gegenüber der Neuen Nationalgalerie Berlin) zu sehen.

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