Kultur: Es ist kompliziert
Bei „Kunst trifft Politik“ in der Villa Schöningen trafen sich Markus Lüpertz und Sigmar Gabriel
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Die Verhältnisse werden komplizierter, die Politik hats schwer. Da ist jede Hilfe willkommen, sogar der Rat von Künstlern wird eingeholt. Die neue Veranstaltungsreihe „Kunst trifft Politik“ in der Potsdamer Villa Schöningen will dieses Coaching institutionalisieren. Nach sieben Jahren Ausstellungsbetrieb, so Villenbesitzer und Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner, sei es Zeit für neue Projekte.
Und auch wenn es noch kein Gesamtkonzept gibt, fing man erstmal an. Am Donnerstagabend diskutieren in der Villa der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz, der bis vor kurzem auch ein Atelier in Teltow hatte, Erwin Wurm, österreichischer Künstler, bekannt für schräge Plastiken und Skulpturen im öffentlichen Raum, der Bildhauer Stephan Balkenhol aus Karlsruhe mit Atelier in Berlin und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) über das „interessante und nicht unkomplizierte Verhältnis von Kunst und Politik“, so Hausherr Döpfner.
Im Publikum sitzen etwa 60 Gäste aus dem Adressbuch der Villa Schöningen, die Öffentlichkeit beschränkt sich also auf die Presse. Immerhin, aus Potsdam haben es Waschhaus-Chef Siegfried Dittler, Kunstraumkurator Mike Gessner und die Malerin Marianne Gielen auf die Gästeliste geschafft, ebenso, als Vertreterin der Stadt, Birgit-Katharine Seemann, Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, aber ihr Stuhl bleibt leer.
Der Ton der Veranstaltung wird gleich zu Beginn gesetzt: Gabriel kommt mit der vollen Packung Personenschutz, Lüpertz legt noch an der Bar seinen silbernen Krückstock längs über den Tresen. Dann richtet Moderator Walter Smerling, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kunst und Kultur in Bonn und nicht unerfahren in den Verflechtungen von Kunst und Politik, die Eingangsfrage an das Quartett: Wäre ein Berufswechsel vorstellbar? Auf keinen Fall, wehrt Balkenhol ab, ein Künstler darf keine Kompromisse kennen, ein Politiker dagegen lebt davon. Während er sein Atelier gegen nichts eintauschen will, sagt Lüpertz: Er würde durchaus mit Gabriel tauschen, „wenn er Macht hätte“. Gabriel kann das ab, er wird später laut überlegen, wie er sein Kanzleramt mit Kunst ausstatten würde. Lüpertz erwähnt, dass er in den 90ern mit dem Posten des Kultursenators in Berlin geliebäugelt hätte, aber nur um alle Subventionen zu streichen. Von ihm gäbe es kein Geld mehr für die Oper, lieber alles in die Schulen stecken, da sitzen die künftigen Konsumenten.
Der langjährige Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie hebt immer wieder zu seiner Suada über den Bildungsmissstand an: Studenten könnten nicht mehr zeichnen, Politiker hätten keine Ahnung von Kunst. Gabriel wagt einzuwenden, dass die steigenden Besucherzahlen in den Museen doch ein positives Zeichen wären. Ihn treibt dennoch die Sorge um, dass die Stimmung kippt. „Die Welt wird neu vermessen“, warnt er. Das Selbstverständnis unserer liberalen Gesellschaft werde gerade autoritär hinterfragt. Der voraussichtliche Kanzlerkandidat der SPD glaubt an die Kultur als Lösung und fordert grundsätzlich mehr Einmischung – aller Intellektuellen. „In Köln hat das Pegida verhindert, in Dresden gibt es sowas nur rudimentär.“
Den Ball fängt niemand auf. Die Künstler wünschen sich, einfach in Ruhe arbeiten zu können. „Für mich spielt keine Rolle, was draußen los ist,“ sagt Wurm. Und Kollege Balkenhol: „Es kann auch politisch sein, ein Apfelstillleben zu malen“, und hält sich so allen Utilitarismus vom Leib. „Kunst muss keine Funktion haben, keine Aufgabe. Sie ist wie ein Kind, das spielt.“ Darum geht es: Um Freiheit für die Kunst – und ums Geld. Lüpertz jammert, es gäbe keine Auszeichnungen für ältere Künstler. Wurm klagt, dass man sich in Österreich Maler und Bildhauer wie Hofschranzen hält, „wir brauchen das Geld, aber wir wollen es nicht“, und Balkenhol wünscht sich, Kunstkäufe sollten steuerlich absetzbar sein. Das Gespräch zwischen Politiker und Künstlern zeigt deutlich, wie weit die Welten auseinanderliegen.
Lüpertz allerdings lässt sich ein auf das Tänzchen mit der Politik und stellt Maximalforderungen: Weg mit den Jurys, die Vergabe von Aufträgen etwa für Kunst am Bau sollten einzelne kompetente Politiker übernehmen. Nur so käme gute Kunst anstelle von Stadtmöblierung heraus. Gabriel wiegelt ab, das Geldausgeben muss man schon ein bisschen kontrollieren. Doch ein ganz praktischer Vorschlag Lüpertz’ findet allseits Begeisterung. Nach den verheerenden Politikerplakaten des letzten Wahlkampfs in Berlin, so die Idee des Malers, müssten die Kampagnen zur nächsten Bundestagswahl künstlerisch aufgepeppt werden. Wahlkampf sei schließlich große Oper mit Helden, Gewinnern und Verlierern. Das werde er sich überlegen, sagt Gabriel. Und schließt mit einem Aufruf. „Demokratie ist kein Schaukelstuhl“, wer Freiheit will, müsse auch was dafür tun. Das ist ein bisschen Wahlkampf, aber auszuhalten.
Unter den Gästen ist an diesem Abend auch Wolfgang Thierse, früherer Bundestagspräsident. Es muss doch nicht immer etwas herauskommen bei solchen Runden, sagt er, noch bevor es losgeht, weise voraus. Hauptsache man bleibe im Gespräch. Nicola Kuhn, Steffi Pyanoe
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