Von Klaus Büstrin: Facettenreich, sachlich
Ausstellung des Moses-Mendelssohn-Zentrums im Alten Rathaus: Jüdisches Leben in Brandenburg
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Theodor Goldstein. War er der einzige Jude, der in den achtziger Jahren in Potsdam lebte? Man hatte den Eindruck, dass er es wäre. Er war jedenfalls derjenige, der mit großem Engagement dafür sorgte, dass die Spuren jüdischen Lebens in der Stadt nicht ausgewischt werden. So durch seine mit Spannung vorgetragenen Berichte. Der in Berlin gebürtige Goldstein setzte sich für das Anbringen einer Gedenktafel am Ort der Synagoge neben der Hauptpost ein. Das Gotteshaus wurde am 9. November 1938 durch die Nationalsozialisten geschändet und am 14. April 1945 beim Bombenangriff auf Potsdam zerstört. Die Gedenktafel konnte 1979 nach längeren Querelen mit dem Rat der Stadt enthüllt werden. Auch dass der jüdische Friedhof am Pfingstberg kontinuierlich gepflegt wird, war Goldsteins großes Anliegen. Denn dieser „Gute Ort“ und die Trauerhalle waren zu DDR-Zeiten in Potsdam die einzigen öffentlichen Zeugnisse jüdischen Lebens.
Im Alten Rathaus wird gegenwärtig die Wanderausstellung „Jüdisches Leben in Brandenburg“ gezeigt. Auch Goldstein findet darin seinen Platz. Die vom Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam konzipierte Schau wird nach dem Auftakt in der Landeshauptstadt noch in Gollwitz, Forst, Prenzlau und in Rathenow zu sehen sein. Ausschließlich Texte und Fotos beherrschen die Tafeln. Sie sind sehr sachlich, fast nüchtern geschrieben und gestaltet. Die Ausstellungsmacher informieren über die große Breite und die verschiedensten Facetten jüdischen Seins in Geschichte und Gegenwart. Kurz und knapp. Und das ist gut, denn vielen Besuchern sind lange Texte zu anstrengend. Wer aber mehr über dieses Thema erfahren möchte, der kann auf das Buch „Jüdisches Brandenburg – Geschichte und Gegenwart“ (Verlag für Berlin–Brandenburg 2008) zurückgreifen.
Die Ausstellung gibt vielerlei Auskünfte. Beispielsweise von den ersten Juden, die sich im 13. Jahrhundert in Brandenburg ansiedelten. Dann über das alltägliche, kulturelle und religiöse Leben in den verschiedenen Jahrhunderten, von den antisemitischen Anfeindungen und Verfolgungen, die schon im Mittelalter begannen, bis zur Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Auch über die Suche nach Möglichkeiten des Überlebens in der Zeit des Holocaust wird berichtet, sei es im Kinder- und Landschulheim in Caputh oder der Weg ins Exil. Von Menschen, die aus christlicher Überzeugung Juden in ihrem Hause versteckten oder zur Flucht verhalfen. So die Potsdamerinnen Maimi von Mirbach und Dorothea Schneider. Sie wurden vom Staat Israel als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Vom jüdischen Leben in der DDR gibt es nur eine Tafel. Dabei wird deutlich, dass es im sozialistischen Staat lediglich wenige Gemeinden gab. Eine Übersicht zeigt, wie viele Juden bei Volkszählungen im Brandenburgischen registriert wurden: 1945 gab es keine Angaben, ein Jahr später zählte man 424 Bürger jüdischen Glaubens, 1950 waren es nur noch 297 und im Jahre 1989 fehlen ebenfalls die Zahlen. Von Schändungen und Verwahrlosungen von Friedhöfen in der DDR wird berichtet, von der Benutzung einer jüdischen Grablege als asphaltierter Parkplatz in Seelow. Und natürlich wird vom hoffnungsvollen Neubeginn jüdischen Lebens in Brandenburg nach 1990 erzählt, vom Aufbau von Gemeindestrukturen, den Bemühungen um einen Synagogenneubau in Potsdam. Und von einzelnen antisemitischen Ausfällen in der jetzigen Gesellschaft. Doch Angaben, wie viele Juden heute in Brandenburg leben, waren nicht zu finden.
Theodor Goldstein hätte, wenn er noch leben würde, viel zu erzählen. Auch in dieser Ausstellung. Dann wäre sie vielleicht noch lebendiger geworden.
Bis 8. Februar, Altes Rathaus, Di-So 10 bis 18 Uhr.
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