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Von Klaus Büstrin: Falter in Kästen
100 Jahre Museum in Potsdam / Heute: Der Physiker, Chemiker und Sammler Max Volmer
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Am 20. April feierten das Potsdam-Museum sowie das Naturkundemuseum ihr 100. Jubiläum. Potsdamer Bürger gründeten 1909 einen Museumsverein. Ihre Geschichtskenntnisse und Sammelleidenschaften bildeten die Grundlage für ein städtisches Museum. In einer losen Folge würdigen die PNN Gründungsmitglieder des Vereins, Sammler und ehemalige Mitarbeiter des Museums. Heute: Max Volmer (1885-1965)
Der Physiker und Chemiker Max Volmer ist Ehrenbürger der Stadt Potsdam. Seit 1955. Natürlich wurde ihm nicht wegen seiner großen Sammelleidenschaft in Sachen präparierter Schmetterlinge und ihrer Schenkung an das städtische Museum die Würde angetragen, sondern weil er auf dem Forschungsgebiet Bahnbrechendes leistete. Die Liste seiner wissenschaftlichen Arbeiten und Patente ist lang. Er gilt als einer der Begründer der Physikochemie und gab viele Anregungen für andere Wissenschaftsbereiche.
Max Volmer wirkte als Professor an der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg sowie ab 1955 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 1955 an war er vier Jahre lang Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der späteren Akademie der Wissenschaften der DDR.
In seiner rar bemessenen Freizeit beschäftigte sich Volmer in seinem Haus im Babelsberger Jägerstieg 8, das er sich Mitte der zwanziger Jahre hatte bauen lassen, mit biologischen Themen. Er widmete er sich intensiv der Orchideenzucht und sammelte, züchtete und präparierte leidenschaftlich Schmetterlinge. Mit großer Akribie, wie es einem Forscher zukommt, hat er die Insekten etikettiert. Ein professioneller Sammler war am Werk.
Zahlreiche Reisen des Max Volmers und seiner Frau Lotte, eine promovierte Chemikerin, wurden nach diesen Leidenschaften geplant. Sie führten unter anderem in die Ötztaler Alpen, nach Tirol und bis nach Nordafrika. Während Lotte Volmer den Wagen lenkte, hielt ihr Mann nach den Schönheiten der Natur Ausschau, insbesondere nach den Schmetterlingen. Und so entstand vor allem in den Jahren 1923 bis 1954 eine umfangreiche Sammlung mit über 10 000 paläarktischen Großschmetterlingen, aus Deutschland, den Alpenländern, Italien, Jugoslawien, Bulgarien, Russland, Spanien und Tunesien. Auch einige Exemplare aus Lappland, Japan und Portugal sind in der Sammlung enthalten, in mehr als 90 Insektenkästen. Den Sammlungsschwerpunkt bildeten die Noctuidae (Eulenfalter) sowie die Geometridae (Spanner) – zwei der artenreichsten Schmetterlingsfamilie.
Nach seinem Tod übergab die Witwe die Schmetterlingssammlung und die entomologische Bibliothek dem Zoologischen Institut der Pädagogischen Hochschule Potsdam. 1995 wurde sie von der Universität dem Naturkundemuseum übereignet, um sie einem größeren Publikum bekannt zu machen. Seitdem pflegt und betreut das Museum die Sammlung.
Max Volmer wurde am 3. Mai 1885 in der Stadt Hilden geboren, die in dem Städtedreieck Düsseldorf, Köln und Wuppertal liegt. Er studierte in Marburg, München und Leipzig Chemie. Im Mai 1922 nahm er die Berufung zum Ordinarius für Physikalische Chemie an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg an. Er übernahm zugleich die Leitung des Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie und begann seine wissenschaftlich intensivste Arbeitsperiode. Zu seinen Forschungsaufgaben gehörten auch Themen aus den Bereichen der Kernreaktion und Röntgenstrahlung. Sein wissenschaftliches Hauptwerk, die „Kinetik der Phasenbildung“, erschien als Publikation im Jahre 1939. Max Volmer pflegte Kontakte zu vielen Wissenschaftlern, unter anderem zu Albert Einstein, Otto Hahn und Lise Meitner.
In der Zeit des Nationalsozialismus geriet auch der Wissenschaftler aufgrund seiner humanistischen Grundhaltung unter starken politischen und persönlichen Druck. Man warf ihm die Teilnahme an einem wissenschaftlichen Kongress 1932 in Moskau, aber auch die strikte Ablehnung der NSDAP beizutreten vor. Auch Volmers loyales Verhalten gegenüber jüdischen Kollegen und Mitbürgern war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. So verhinderten sie 1934 seine Wahl wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, die Forschungsgelder seines Instituts wurden massiv beschnitten. Daraufhin arbeitete Max Volmer bis zum Kriegsende vor allem in seinem Hauslabor in Babelsberg. Gemeinsam mit Gustav Hertz und Manfred von Ardenne ging er 1945 freiwillig in die Sowjetunion. Hier arbeitete Max Volmer insbesondere an der Entwicklung industrieller Verfahren zur Gewinnung von spaltbarem Material. Ein zweites Forschungsthema beschäftigte sich mit der Aufarbeitung nuklearer Brennstoffe. Nach seiner Rückkehr in die DDR im Jahr 1955 erhielt Max Volmer die wissenschaftliche Anerkennung, die ihm während der Zeit des Nationalsozialismus verwehrt wurde.
Am 3. Juni starb Professor Max Volmer. Auf dem Babelsberger Goethe-Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte. Eine Straße im Stadtteil Zentrum-Ost wurde nach ihm benannt.
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