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Kultur: „Fragt uns“

15 Jahre Filmverband: Ein Gespräch mit der Vorstandsvorsitzenden Katharina Riedel über DDR-Altlasten, DEFA-Filme, Filmkultur heute und die Rolle, die der Verband einnehmen will

Stand:

Frau Riedel, hat sich der Filmverband Brandenburg für sein 15-jähriges Jubiläum in diesem Monat etwas Besonderes ausgedacht?

Wir hatten eigentlich eine kleine interne Feier geplant im Thalia Kino in Babelsberg. Vor der Premiere des neuen Dresen-Films. Plötzlich waren dann 350 Leute da, das Publikum von „Sommer vorm Balkon“ ist einfach dazu gekommen. Wir hatten nur mit knapp 100 gerechnet, das hat den Rahmen dann völlig gesprengt. War aber trotzdem schön.

Sie haben 150 Mitglieder aus der Film- und Medienbranche, Andreas Dresen, Michael Verhoeven, die Dokumentarfilmer Gitta Nickel und Günter Jordan sind im Verband, Produzenten, Autoren und Kameraleute. Wofür steht der Filmverband?

Wir sind Plattform und Kontaktbörse. Wir wollen Filmkultur fördern und wichtige Filme unterstützen. Filme, die den Zeitgeist treffen, die historische Ereignisse oder das Zeitgeschehen dokumentieren. Und wir positionieren uns ganz klar gegen Filmkonsum, dagegen, dass deutsche Kinos mit US-Filmen nur so überschwemmt werden. Viele sind flach und nur nach marktwirtschaftlichen Interessen gedreht. So ein Film bleibt höchstens ein bis zwei Monate im Gedächtnis, dann ist er vergessen.

Und auf Filmkultur zielen auch Ihre Veranstaltungen.

Genau. Wir machen den Filmsommer, den Filmernst, die Filmreverenzen, das Aktuelle Potsdamer Filmgespräch. Und es geht dabei immer um Nachdenken, um Nachsinnen, wenn man sich einen Film angesehen hat. Bei unseren Veranstaltungen hat man dann die schöne Möglichkeit, das gemeinsam zu tun.

Sie haben oft DEFA-Filme im Programm. Warum in der Mottenkiste wühlen?

Das macht aus mehreren Gründen Sinn: Zum einen haben viele unserer Mitglieder DEFA-Filme gedreht. Zum anderen gibt es einfach auch viele gute Filme aus der Zeit, grandiose Literaturverfilmungen zum Beispiel, wunderschöne Märchenfilme. Warum soll man sich die heute nicht mehr ansehen?

Spielt da nicht doch auch Ostalgie mit?

Das hat nichts mit Ostalgie zu tun. Die Filme zeigen den Zuschauern vielmehr, woher sie kommen. Man kriegt ein Gefühl dafür, wie es in der DDR war. Die Filme sind Wiederentdeckungen und wer im Osten aufgewachsen ist, für den sind sie Teil seiner Identität. Gucken Sie sich den 1976 gedrehten Film „Liebesfallen“ von Werner W. Wallroth an. Das ist real-existierender Sozialismus. Von der Kittelschürze bis zur Musik.

Und interessieren sich die Leute dafür?

Veranstaltungen mit DEFA-Filmen sind immer gut besucht. Und wenn dann noch Darsteller wie Eva-Maria Hagen mitspielen, wie bei „Liebesfallen“, und vielleicht noch zum anschließenden Gespräch zu Gast sind, dann trifft das auf sehr viel Interesse. Auch bei Leuten aus dem Westen. Für die sind die Filme oft interessante Dokumente der Zeitgeschichte. Inzwischen ist jedes dritte Verbandsmitglied aus dem Westen.

Der Verband hat sich wenige Wochen nach der deutschen Einheit gegründet.

In den 90ern hat sich so viel verändert, politisch, wirtschaftlich. Für viele „alteingesessene“ Filmemacher bedeutete das das Aus. Andere haben es geschafft, neue Wege einzuschlagen. In diesen Um- und Aufbrüchen wurde mehr denn je eine regionale Organisation gebraucht.

Sie gingen aus dem DDR-Verband der Film und Fernsehschaffenden hervor. Gab es „Altlasten“, mit denen Sie umgehen mussten?

Das hat sich sozusagen von selbst erledigt. Viele Leute sind nach der Wende ausgetreten. Sie gingen in Rente oder wollten nun nicht mehr im gesellschaftlichen Mittelpunkt stehen. Außerdem war ein großer Teil der DEFA-Belegschaft zu DDR-Zeiten eine eher kritische Klientel.

Was hatte man in der DDR davon, Mitglied zu sein?

Wichtig war die Zugehörigkeit zur Familie der Filmleute. Nur durch die Fürsprache von zwei Bürgen, durfte man überhaupt Mitglied werden. Außerdem bedeutete die Mitgliedschaft auch Arbeit, die Organisation von Filmpremieren oder -diskussionen. Es gab sogar eine Filmverbandskneipe. Im „Austrittsrausch“ nach der Wende sahen dann viele keinen Sinn mehr darin, dabei zu bleiben.

Mit welcher Stimmung ist der Verband 1990 gestartet?

Hoffnungsvoll. Man wollte etwas Neues machen, neue Kontakte knüpfen, ins Gespräch kommen. Und der Verband bot dazu die Möglichkeiten. Man konnte sich zum Beispiel für Festivals akkreditieren, als Privatperson hat man da ja keine Chance.

Sie haben das Konzept für die Filmförderung für Brandenburg mitentwickelt.

Stimmt. Am Anfang, bevor es das Filmboard, das heutige Medienboard, gab, haben wir die Filmfördergelder sogar selbst verwaltet.

Finden Sie schade, dass das heute nicht mehr so ist?

Nein, gar nicht. Wir haben dadurch zwar auch an Macht und Einfluss verloren, aber schließlich haben sich in unserem Verband Leute zusammengeschlossen, die Filme machen und keine Administratoren, die sich mit Förderungen auseinander setzen wollen.

Überall wird Geld gestrichen, wie steht es um Ihren Haushalt?

Wir werden meistens projektbezogen gefördert und zwar oft in Mischförderungen, von Land, Medienboard und Lotto-Stiftung. Das funktioniert ganz gut. Nur die Finanzierung der Geschäftsstelle ist immer wieder gefährdet. Wir müssen kämpfen, damit sie nicht weggekürzt wird. Dabei ist sie unbedingt notwendig. Wie sonst sollen Projekte entwickelt und koordiniert werden? Man braucht eine Stelle, an der die Fäden zusammenlaufen, sonst fällt alles auseinander.

Wenn Sie zurückblicken, was hat der Filmverband bisher nicht geschafft, was wollen Sie noch erreichen?

Da gibt es eine Menge. Der Verband hat sich zwar in der Fachwelt etabliert, aber er ist nicht wirklich im Bewusstsein der Bürger und Institutionen verankert. Wir wünschen uns, dass er zu Fragen über Film und Medien mehr wahrgenommen wird. Und diese Wertschätzung von Außen wollen wir unter anderem mit größeren Projekten erreichen: Wir denken über eine Netzwerkstatt Film nach, wo Filmemacher Unterricht zum Thema Film und Medienkompetenz geben. Unsere Verbandsmitglieder wären da genau die richtigen Ansprechpartner. Wir stellen uns eine GmbH mit eigenen Räumen vor. An dieser Idee werden wir weiter arbeiten. Und dann wollen wir endlich einen Preis für das Filmfestival Cottbus stiften. Hoffentlich finden wir dafür Sponsoren.

Was steht 2006 auf dem Programm?

Wir machen da weiter, wo wir in diesem Jahr aufgehört haben. Wir werden in ganz Brandenburg Filmkultur anbieten. Und vor allem aufs Land gehen, wo es immer weniger Kinos gibt.

Wird es wieder den Filmernst geben?

Ja, der läuft 2006 weiter. Mit 130 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche, 30 mehr als 2005. Das Projekt war sehr erfolgreich. Wir haben mit unseren besonderen Kinovorführungen und medienpädagogisch betreuten Veranstaltungen in Städten wie Finsterwalde, Lübben und Rathenow mehr als 14 000 Kinder und Jugendliche erreicht. Mit Filmen, die oft nur kurz oder gar nicht in den Kinos liefen, Kletter-Ida zum Beispiel.

Was ist neu?

Ein Projekt soll Kult-Filme wie Casablanca oder Amadeus an Kult-Orte wie Rheinsberg oder das Brandenburger Tor in Potsdam bringen. Neben dem Filmgespräch in Potsdam wollen wie eines in Brandenburg anbieten. Und wir hoffen endlich eine seit langem angedachte interne Werkstatt umzusetzen, in der wir DEFA-Filmhasen mit jüngeren Filmemachern zusammenbringen. Ich bin sicher, da gibt es eine Menge auszutauschen.

Werden Sie 2006 wieder einmal einen Regisseur wie Almodovar oder Winterbottom nach Potsdam holen können?

Wir versuchen Michael Verhoeven für eine Veranstaltung zu gewinnen.

Was gehört zu Ihren schönsten Filmverband-Erlebnissen?

Da fällt mir wieder die Premiere von dem neuen Dresen-Film ein. Man ist mit so viel Wärme aus dem Kino gekommen. Und alle waren von der selben Stimmung getragen. Das ist ein tolles Gefühl. Das sind die Sternstunden des Kinos.

Das Gespräch führte Marion Hartig

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