Kultur: Hüter in der Kirchenecke?
Kara Hubers neues Buch über Kirchen in Brandenburg im Prestel-Verlag erschienen
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Mit Prominenz lässt sich ein Produkt sicher besser an den Mann und an die Frau bringen. Auch bei Büchern. Ob Kara Huber, die Herausgeberin des soeben im Prestel Verlag München erschienenen Buches „Kirchen in Brandenburg und ihre Hüter“, damit wohl rechnet? Immerhin hat sie Prominente wie Richard von Weizsäcker oder Jörg Schönbohm als Autoren gewinnen können. Die titelgebenden Hüter sind jedoch nur mit einem sehr gestellten Foto und in aller Kürze vorgestellt. Dabei sind sie diejenigen, die ehrenamtlich die Kirchentüren offen halten, Besucher empfangen, den Ort durch ihr Wirken in der Gemeinde so lebendig machen. Stichpunktartig dürfen sie in dem Buch nur erzählen, was sie bewog, Hüter ihrer Gotteshäuser zu werden. Gern hätte man von diesem oder jenem mehr über die Geschichte und Gegenwart der Kirchen und somit auch des Ortes erfahren, auch über die Triebkraft, als ehrenamtlicher Tempelwächter zu wirken. Vielleicht hätten Interviews dem Erzählen der Hüter geholfen, dem Buch mehr Frische und Ursprünglichkeit gegeben. Die Lebendigkeit von Kirchen und ihren Gemeinden, für die auch sie gerade stehen, wäre jedenfalls ein Stück deutlicher geworden. So sind die Ehrenamtlichen ein klein wenig in die Kirchenecke gedrängt worden. Schließlich sind sie Teil des alltäglichen Lebens der Menschen, die in den Orten leben. Intensivere Innenansichten hätten das Lesen mit Sicherheit interessanter gemacht.
Kara Huber hat sich, wie bereits in ihrem ersten Band „Brandenburgische Dorfkirchen und ihre Hüter“ indes dafür entschieden, die zentralen Texte des neuen Buches von mehr oder weniger prominenten Zeitgenossen füllen zu lassen. Und somit haben die Außenansichten den Vorrang, obwohl die meisten Verfasser eine gute Beziehung zu den von ihnen ausgewählten Gotteshäusern deutlich spüren lassen, auch wenn sie sie nur hin und wieder besuchen. Einige können darüber berichten, welche Aktivitäten man aktuell in den Kirchgemeinden findet, andere sind nur mit der Historie vertraut. Manche Texte wirken dann auch etwas verkrampft, andere wie eine Liebeserklärung.
Kulturministerin Martina Münch gehört zu den 20 bekannten Autoren. Als Katholikin schrieb sie über die evangelische Dorfkirche in Kerkow (Uckermark). „Das selbstverständliche Miteinander von Katholiken und Protestanten, von Christen und Nichtchristen“, so spürt man es, liegt ihr sehr am Herzen. Auch die rbb-Intendantin Dagmar Reim ist Verfasserin eines Artikels. Sie machte sich zur Heilandskirche nach Sacrow auf, die in besonderer Weise „deutsch-deutsche Geschichte erlebt und erlitten“ hat. Von besonderer Zuneigung zu seinem Wunsch-Ort zeugt auch der Beitrag von Otto Graf Lambsdorff. Er schrieb über den Südwestkirchhof und die Stabholzkirche in Stahnsdorf. Anlässlich eines Familientages reisten die Lambsdorffs nach Stahnsdorf: „Wir waren überwältigt von der Schönheit des Friedhofs, der Einmaligkeit der landschaftlichen Anlage und der stilistisch wunderbar eingefügten Holzkirche. Dort fanden wir Heimat und Zukunft, denn viele von uns wissen nun, wo sie einst ruhen werden.“ Ende des vergangenen Jahres wurde Graf Lambsdorff in Stahnsdorf zur letzten Ruhe gebettet.
Auch Matthias Platzeck (Friedrichskirche Babelsberg), Markus Meckel (Seehausen/Uckermark), Wolfgang Huber (Dom zu Brandenburg), Katrin Göring-Eckardt (Horno/Spree-Neiße) oder Günter de Bruyn (Wulfersdorf/Oder-Spree) haben mit Textbeiträgen das Buch bedacht. Es scheint, dass Herausgeberin Kara Huber der Qual der Wahl – welche Kirche nehme ich – erspart blieb. Denn die Autoren haben ihre Lieblingskirche selbst ausgewählt.
Es sind allesamt kunsthistorische Schätze, oftmals abseits von großen Touristenströmen gelegen, die auch von den Kirchenhütern für unsere Zeit zum Leben erweckt werden. Und allen scheint klar zu sein: die Gotteshäuser wollen keine kunsthistorisch belehrenden Museen sein, sondern öffentliche religiöse Erlebnisräume.
Davon schreibt auch Kara Huber in ihrem lesenswerten Essay „Das Gute in der Nähe“. Darin werden die erfolgreiche Initiative „Dorfkirchensommer“ und der „Förderkreis Alte Kirche Berlin-Brandenburg“ ins helle Licht gestellt. Eine Fülle von Informationen erleichtern den Besuch der Kirchen.
Was wäre aber solch ein Buch ohne Fotografien? Wolfgang Reiher und Leo Seidel haben sich auf die Reise zu den Kirchen der Textautoren gemacht, manchmal in die entlegendste Ecke des Landes. Sie wurden reich beschenkt. Ihre Entdeckungen geben sie in qualitätsvollen und stimmungsvollen Aufnahmen, in denen die verschiedenen Tages- und Jahreszeiten so wunderbar zur Geltung kommen, dem Leser des Buches in die Hand. Sie vor allem machen den Besuch der guten Orte besonders reizvoll. Klaus Büstrin
Kara Huber (Herausgeberin), Kirchen in Brandenburg und ihre Hüter, Prestel-Verlag, 29,95 Euro.
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