
© Landeszentrale für politische Bildung
Kultur: Jahrhundert-Persönlichkeit
„Horizont und Mitte“: Eine Wanderausstellung würdigt den Altbischof Albrecht Schönherr
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Ein Bild der Herzlichkeit. Man freut sich, man lacht. Der Eindruck ungetrübten Einvernehmens hat sich über die Runde am Runden Tisch gebreitet. Von Problemen ist nichts zu spüren. Die staatlichen Medien der DDR haben diesen Augenblick in die Öffentlichkeit gesendet: SED-Chef Erich Honecker am 6. März 1978 im Gespräch mit führenden evangelischen Kirchenleuten, unter anderen mit Albrecht Schönherr, Werner Krusche, Manfred Stolpe. Das Foto wird zur Ikone der DDR-Kirchengeschichte.
Die Aufnahme ist Teil der Wanderausstellung „Horizont und Mitte. Albrecht Schönherr. Pfarrer und Bischof in zwei Diktaturen“. Seit gestrigen Dienstag ist sie in der Landeszentrale für politische Bildung zu sehen. Verantwortlich für die Ausstellung sowie für die Herausgabe des gleichnamigen Begleitbuches zeichnet die Gesellschaft zur Förderung vergleichender Staat-Kirche-Forschung e.V. Den Anlass gab der 100. Geburtstag von Altbischof Albrecht Schönherr am 11. September 2011, den er nicht mehr erleben konnte. Er starb bereits am 9. März 2009 in Potsdam, wo er seit einigen Jahren gemeinsam mit seiner Frau Annemarie lebte. Auf dem Alten Friedhof in Bornim hat man ihn zur letzten Ruhe gebettet.
Für viele Zeitgenossen scheint die Begegnung zwischen Honecker und führenden Kirchenleuten das wichtigste Ereignis im Leben des einstigen Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitung in der DDR gewesen zu sein. Damit verbunden natürlich auch mit der von ihm geprägten Formel „Kirche im Sozialismus“ – nicht gegen, nicht neben, sondern im Sozialismus. Das brachte ihm innerhalb der Kirche nicht nur Freunde ein. Schönherrs Anliegen, auch das des damaligen Oberkonsistorialrats Manfred Stolpe war, Kirche und damit Glauben dort zu gestalten, wo man seinen Platz hat. Darum sei „Kirche im Sozialismus“ immer nur eine Ortsbestimmung gewesen, betonte Schönherr. Die Kirche könne sich keinesfalls mit einer Partei oder einer Ideologie verbinden.
Dem Staat war er zu aufsässig, der Opposition zu nachgiebig. „Diese Vorwürfe musste ich aushalten“, meinte Schönherr. „In der DDR hatten wir eine Reihe von Bischöfen, die von der Bekennenden Kirche geprägt waren. Das hat uns geholfen, in dieser Gesellschaft zu wirken, ohne uns auf faule Kompromisse einzulassen.“ Aber er hat nach der Wende 1989 auch selbstkritisch gefragt, ob die Kirche sich gegen das viele Unrecht, das in der DDR geschah, noch deutlicher ihre Stimme hätte erheben müssen.
Die Ausstellung, die bislang an fünf Orten des Landes Brandenburg zu sehen war, macht auf erfrischende und nachdenkliche Weise deutlich, dass man Schönherr nicht nur mit dem Kirche-Honecker-Spitzengespräch in Verbindung bringen kann. Dokumente aus allen Abschnitten seines reichen Lebens machen mit einem Mann bekannt, der viele Rollen übernahm. Ob er sie alle perfekt beherrschte? Diese Frage hätte er sicherlich mit Nein beantwortet. Aus einer fast unübersehbaren Vielzahl von Fotografien und Dokumenten, die sich über diese Jahrhundert-Persönlichkeit anhäuften, mussten die Ausstellungsmacher Joachim Heise und Johannes Gruhn wählen. Deutsche Kirchengeschichte wird in Ausschnitten lebendig.
Der 1911 im oberschlesischen Katscher Geborene studierte evangelische Theologie in Tübingen sowie in Berlin. Dort wurde er durch Dietrich Bonhoeffer geprägt. In der Potsdamer Pfingstkirchengemeinde war er von 1933 bis 1934 Vikar. In ihr hatte er Kontakte mit Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche, auch mit Anni von Gottberg, die besonders aktiv gegen die Verbreitung der Nazi-Ideologie in Kirchen kämpfte. Während der NS-Herrschaft besuchte Schönherr das illegale, von Bonhoeffer geleitete Predigerseminar in Finkenwalde. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft wurde er Pfarrer am Dom zu Brandenburg, Leiter des Predigerseminars und Domdechant. Es folgten das Amt des Generalsuperintendenten in Eberswalde sowie die Verwaltung des Bischofsamtes der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, nachdem die DDR-Behörden dem Berliner Bischof Kurt Scharf aus Westberlin beharrlich die Einreise in die DDR verweigerten. Schließlich wählte man ihn 1969 zum Vorsitzenden des Kirchenbundes. Dieses kirchenpolitische Amt hatte er zwölf Jahre inne.
Schönherr hat sich zum Ärger der DDR-Oberen immer in die Politik eingemischt. So schrieb er 1968 nach der Zerschlagung des „Prager Frühlings“ einen Solidaritäts-Brief an die tschechoslowakischen Christen. Mit Argwohn wurden auch seine Reisen bedacht, ob nach Großbritannien oder Polen. Man hatte Angst davor, er würde auch dort mit Kritik gegen die DDR nicht sparen. Die Wanderausstellung, erzählt natürlich auch von der Begegnung mit Bonhoeffer, von den Jahren in Brandenburg und würdigt den Brückenbauer zwischen Ost und West.
Wenig erfährt man aber über seine Freizeit, denn die war nur knapp bemessen. Erst im Ruhestand fand er Zeit für die künstlerische Beschäftigung des Malens. Auch Loriot kommt in der Ausstellung zu Wort. Er würdigt Schönherr als „deutschen, demokratischen Altbischof aus dem Osten“. Beide lernten sich 1985 während der Vorbereitung der ersten Loriot- Ausstellung in der DDR im Brandenburger Dom kennen.
Bis 21. Juni, Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17, Mo-Mi 9-18 Uhr, Do-Fr 9-15 Uhr.
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