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Kultur: „Klostergeflüster“

„Schön und nützlich“ – Kutschstall erzählt „Aus Brandenburgs Kloster-, Schloss- und Küchengärten“

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„Schön und nützlich“ – Kutschstall erzählt „Aus Brandenburgs Kloster-, Schloss- und Küchengärten“ Der erste Blick ist verstellt. Meterhohe Wände zerklüften den Raum in kleine Nischen. Die grüne Üppigkeit aus Kloster-, Schloss- und Küchengärten bleibt vorerst verborgen. Da fixiert das suchende Auge eine chinesische Porzellanschale, die mit gefriergetrockneten Quitten, Blüten der blauen Winde und Feigen drapiert ist. Mit diesem kleinen, aber feinen Hingucker werden Flora und Pomona, die beiden dem Garten so holden Göttinnen, mit feiner Geste hofiert. Der nächste dezente Blickfang ist eine Vitrine mit griffigen Flaschen für Weine. Und schon sind wir mitten drin im brandenburgischen Gartenland, das hier in der Sonderausstellung im Kutschstall in seiner Symbiose von „Schön und Nützlich“ abgeklopft wird. Wein war über Jahrhunderte für die Bauern der Region und deren zechende Kundschaft eine durchaus schöne und nützliche Angelegenheit. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert florierte das Geschäft, bis die Erträge nachließen und vorerst der südlicheren Konkurrenz zum Opfer fielen. Wie der Wein sollte auch der Borretsch das Gemüt der Leute erheitern. In Wein getränkte Blätter brachten liebliche Träume und erhöhten die Fröhlichkeit der Zecher. Und fürwahr: die moderne Forschung bestätigt, was unsere Vorfahren längst wussten. Tatsächlich versteckt sich in dem Samen ein krampflösendes Öl. Die Ausstellung im Haus der Brandenburgischen Geschichte weiß Geschichten zu erzählen. Sie sucht dabei eine dezente Stimmung mit gedämpftem Licht und verschachtelten, stillen Ecken. Im Kabüffchen der Alraune wird es besonders intim. Hier herrscht „Klostergeflüster“. Schließlich wurde der Alraune – einer menschenähnlich geformten Wurzel – große Zauberkraft nachgesagt. Heimlich wurde sie aufbewahrt, fein gekleidet, vor jeder Mahlzeit gefüttert und sonnabends in Wein gebadet. Nach solcherart Ritual war dem Gläubigen Reichtum, Gesundheit und Liebe sicher. Bis ins Mittelalter wird der Besucher der bildungsträchtigen, aber keineswegs bildungslastigen Schau zurückgeführt, hinein in die Klostergärten, dem Mittelpunkt mönchischen Denkens. Bereits dort nahmen die heilkundlichen Traktate, Arznei- und Kräuterbücher ihren Anfang. Schließlich verstanden die Mönche die Heilung ihrer Nächsten als göttlichen Auftrag. So kommt es nicht von ungefähr, wenn man „Christus als Apotheker“ auf einem Ölbild wiederfindet. Allerdings sind seine Ingredienzien für eine heilende Tinktur Geduld, Hoffnung, Liebe, Beständigkeit, Hilfe und Friede. In die andere Waagschale legt er Kreuzwurz, das auch als Kreuzenzian bekannte Allheilmittel. Im 16. Jahrhundert begann sich dann auch bei Fürsten, Adligen, Bürgern und Gelehrten das Interesse an Pflanzen und ihre pharmazeutische Verwendung zu regen. Nicht von ungefähr: Es war eine von Pest bedrohte Zeit. Kurfürst Joachim Friedrich nebst Gattin Katharina dachten dabei nicht nur an ihr eigenes Wohl. Sie richteten eine Hofapotheke im Berliner Stadtschloss ein, die Armen und Kranken kostenlos mit Arznei versorgte: aus Heilpflanzen von der kurfürstlichen Domäne. Vom Laborieren in der Apotheke erzählen Näpfchen und Fläschchen und feine Federzeichnungen dazu. Um der Pest und anderen ansteckenden Krankheiten den Garaus zu machen, trugen viele an ihrem Gürtel eine mit verschiedenen Aromen gefüllte Duftkapsel, den Bisamapfel. Auch die späteren Monarchen setzten auf die Kraft aus „Mutter Natur“. Friedrich Wilhelm I. legte nahe am Stadtschloss einen großen Küchengarten an, und Friedrich II. genoss nicht nur die unter Glas herrlich gedeihenden exotischen Köstlichkeiten wie Ananas, Bananen und Melonen, er schwelgte auch in der Kunst, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden. Die Gärten von Sanssouci sind bis heute sinnträchtiger Beweis. Flora hat ihren Reichtum ausgeschüttet und trat einen waren Triumphzug an: Sie füllte nicht nur kranke Mägen, sondern auch dicke Bücher. Sie zierte Geschirr und Handtücher, Vasen und Bilder. Von all’ dem erzählt bis 15. August die Ausstellung im Kutschstall: wohl bemessen, gewogen und dosiert. In feiner Verpackung wird die Mixtur feilgeboten. Ihr Heilkraft liegt im Genuss: des Schönen und Nützlichen. Heidi Jäger

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