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Kultur: Kunst-Anschläge

Das Neue Atelierhaus Panzerhalle wird morgen in Groß Glienicke eröffnet / Rund 20 Künstler bitten in ihre Werkstatt

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Die „Neue Panzerhalle“ ist eine alte Schule. Noch vor gut einem Jahr liefen hier Kinder durch die hellgelben Flure, um hinter den blauen Türen zum Unterricht zu verschwinden. Heute stapeln sich im ehemaligen Computerkabinett hinter vergitterten Fenstern Schlitten, Skier, Span- und Rigipsplatten. Es ist das Materiallager und die Fantasieschmiede von Carsten Hensel, einem der Künstler des Vereins Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke. Der Performer wird sich am Sonntag die Skier unter die Füße schnallen und sich auf den Weg zur alten Panzerhalle machen, von der es allerdings keine Spur mehr gibt. Bagger machten im vergangenen September das Künstlereldorado dem Erdboden gleich. Nun bedeckt eine riesige Mulde mit märkischem Sand die Erinnerung.

Nach einem zähen erfolglosen Kampf um ihre einzigartige Halle steckte die Künstlergemeinschaft aus Brandenburg und Berlin ihren Kopf jedoch nicht in den Sand. Sie zog mit Sack und Pack ein paar Hundert Meter weiter auf dem ehemaligen Armeegelände, um den einstigen „Medpunkt“ der Soldaten und die spätere Realschule nun mit neuer kreativer Energie zu füllen. Fast hinter jeder blauen Tür lauert jetzt ein Kunstanschlag. An die zwanzig Maler und Gestalter haben hier ihre Arbeitsräume bezogen, in die man am morgigen Samstag bei der Eröffnung des Neuen Panzerhalle ungeniert eintreten darf.

Da kann man sich in die Innenwelten der menschlichen Figuren von Margaret Hunter hineinversetzen, denen die schottische Künstlerin Kratzer und Narben als Lebensspuren einverleibte. Alle Werke und Pinsel steht akkurat an ihrem Platz. „Frau Hunter ist die Aufgeräumte und Strukturierte“, sagt Bettina Schilling, die einige Türen weiter mitten im künstlerischen Chaos „residiert“. Der Boden ist mit Bildern und Schnittresten übersät. Die Berlinerin malt Figuren auf Kork, schneidet sie aus und setzt sie zu Collagen zusammen. Gerade springt eine Antilope an ihrer Wand entlang. „Das war meine Idee von Senegal, bevor ich dort hin reiste.“ Jetzt ist sie gerade zurück und weiß, dass es in diesem afrikanischen Land gar keine Antilopen gibt. „Dafür karge Natur und eine große Farbigkeit der Menschen. In den kommenden Monaten verarbeite ich, was ich wirklich gesehen habe.“

In Michael M. Heyers Atelier wird man von einem rot bemäntelten Mann ohne Mund empfangen. Die Holzskulptur erzählt von der Sprachlosigkeit, die die nervenaufreibenden Querelen um die verlorene Panzerhalle mit sich brachte. An seiner Seite ist die Skulptur „Ich mache den Weg frei“ postiert. Jemand, der in die Zukunft blickt. Denn es ist keineswegs Resignation, die dem Besucher in dem neuen Atelierhaus entgegenschlägt. Für Bildhauer, die es gewohnt waren, mit Tonnen von Material und Kran zu arbeiten, gibt es indes keine Arbeitsmöglichkeiten mehr. Sie mussten sich verabschieden. Michael M. Heyers setzt hingegen auf Kompromisse. Da er die Gemeinschaft nicht missen will, bleibt der Bildhauer weiter vor Ort, auch wenn er sein Material nun treppauf, treppab schleppen muss. Für größere Arbeiten mietet er sich in ein Berliner Gemeinschaftsatelier ein.

24 Mitglieder sind inzwischen im Verein, 18 von ihnen aktiv im Atelierhaus. Darunter auch die sieben Neuen. Kiki Gebauer hat mit einem sechs Meter langen Mauerzeichen sehr signifikant ihren Einstand gegeben. Ihr im brandenburgischen Rot-Weiß leuchtender Wegweiser am Mauertor signalisiert: Hier passiert etwas! Zwar gibt es außer den recht übersichtlichen „Scheitelraum“ des L-förmigen Gebäudes keine Ausstellungsfläche mehr, „aber wir werden auch die jetzt vorhandenen Möglichkeiten interpretieren“, so der Künstler-Philosoph Carsten Hensel. Erst einmal haben alle mit angepackt und Kubikmeterweise Kienäppel vom alten Schulhof „gefegt“, um sich fürs Fest heraus zu putzen. „Vielleicht wird er später mal unser Skulpturengarten“, so Bettina Schilling. „Auch einen Kunstwanderweg zum zwei Kilometer entfernten Ortsteil Groß Glienicke könnten wir anlegen, um das Abgelegene aufzubrechen“, schaut Carsten Hensel in die Zukunft. Und um auszustellen, könnte man ja auch auf Wanderschaft gehen, beispielsweise in den Kunstraum Potsdam - so die Vision. Um auch künftig nicht auf externe Impulse verzichten zu müssen, denken die Künstler zudem über Gäste in „Artist in Residence“ nach und über ein Stipendium.

„Wir wollen den Standort behaupten, auch wenn die Rahmenbedingungen nicht optimal sind. Dafür werden wir jetzt vom K.I.S., der diese Potsdamer Immobilie verwaltet, sehr gut betreut. Im Gegensatz zur Berliner Gewobag, die uns das Leben in der Panzerhalle immer nur schwer machte“, so Hensel. Doch auf den eingeführten Namen Panzerhalle wollen die Künstler trotz aller qualvollen Erinnerungen auch künftig nicht verzichten: Schließlich ist er vor allem durch 13 Jahre künstlerische Initiative besetzt.

Ein letztes Abschiednehmen gibt es am Sonntag, wenn Carsten Hensel in der „Sandwüste“ ein Loch gräbt und mit seinen Skier ein kleines Ballett tanzt – dort, wo zuletzt die Baggerzähne die geliebten Wände zermalmten. Nun warten die neuen auf Vereinnahmung. Und auf frische Farbe.

5. Juli ab 17 Uhr: Offene Ateliers, Führung mit Almut Andreae, 20 Uhr Party mit DocMiniRock und DJ Seven; 6. Juli: 17 Uhr Performance von Carsten Hensel.

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