zum Hauptinhalt

Kultur: Mittendrin

„Potsdamer Plaudereien“ von Dorothee Goebeler

Stand:

Es wird viel gefilmt in Potsdam. Denn in der Stadt fand die nahegelegene Filmfabrik Ufa „,Ausland“ aller Arten: Russland, Holland, Italien, altes Frankreich. Geschichte und Wirklichkeit laufen hier zusammen.“ So eine der Beobachtungen von Dorothee Goebeler (1867-1945). Zunächst war die aus Potsdam stammende Journalistin Chefredakteurin der Frauen- und Modezeitschrift „Berliner Hausfrau“. Nach 1918 kam sie verstärkt nach Potsdam und beobachtete als freie Autorin das Alltagsleben der Residenz- und Filmstadt. Sie verfasste feuilletonistische Beiträge, die sie 1924/25 in ihren damals viel gelesenen Büchern veröffentlichte, in „Potsdam im Spiegel“ sowie in „Potsdamer Plaudereien“. Diesen Titel nahm nun die rührige Edition Terra Potsdam/Berlin auf und gab ausgewählte Texte von Dorothee Goebeler in einem schmucken Bändchen heraus, zu dem Joachim Nölte ein sehr informatives Nachwort beisteuerte.

Neben den liebevoll und authentisch geschriebenen Beiträgen der Schriftstellerin (sie verfasste auch mehrere Romane) erfreut man sich an den Fotografien des Berliners Friedrich Seidenstücker. Er wurde ein bekannter Chronist des Berlins der zwanziger Jahre. Auch ihn führte der Weg nach Potsdam und er bannte das Alltagsgeschehen aufs Bild, meist mit einer Prise Humor.

Dorothee Goebeler erzählt ganz natürlich, so, als ob sie mit ihrem Gegenüber plaudert, vielleicht bei einem Kaffeekränzchen. Manches wurde nostalgisch aufgeschrieben. Beispielsweise, wenn die bekennende Monarchistin verklärt und etwas triefend im Ton über die letzte deutsche Kaiserin meditiert. Eine „Totenstarre“ legt sich dann über den Text.

Doch wenn die Autorin über den Wochenmarkt auf dem Bassinplatz flaniert, dann spürt man, dass er „voll bunten Lebens“ ist. Den alten Damen von Potsdam ist Dorothee Goebeler ebenfalls auf der Spur. Dabei kommt die Verfasserin zur Erkenntnis, dass sie immer ein bisschen abseits vom Leben gestanden haben, dass „sie sorglich vor seinen Unbilden durch die Familie und ihre Traditionen“ gehütet wurden. Und von der Potsdamerin im Allgemeinen weiß sie in „Saison in Potsdam“ zu berichten, dass sie nun viel großstädtischer geworden ist: „Sie hat etwas von der innerlichen Freiheit bekommen, die der Verkehr mit der Welt gibt.“ Stimmungsvoll der Bericht über das Weihnachtsfest, als es am Heiligen Abend Mohnspielen und Heringssalat als Festessen gab. Und 1924?: „Die Vorratskammern bleiben leer. Die Tage der Inflation wurden vielleicht nirgends so schlimm empfunden wie in Potsdam, der Stadt der Pensionäre, der Kleinrentner, der Beamten, deren Gehalt entwertet war, wenn sie es bekamen.“

Dorothee Goebeler reiht sich in die Liste der damals bekannten Potsdam-Flaneure bestens ein, wie Georg Hermann und Ludwig Sternaux. Das alte Potsdam wird lebendig. Klaus Büstrin

Dorothee Goebeler, Potsdamer Plaudereien, Edition Terra, 14,90 Euro

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })