Von Klaus Büstrin: Sanssouci an der Spitze
„Filmschauplatz des Monats“ erinnert an „Madame Dubarry“
Stand:
Ab 1879 singt die Dubarry auf der Bühne: „Was ich im Leben beginne / das mach’ ich ganz / was ich auch kühn mir ersehne / das mach’ ich ganz “ Der österreichische Komponist Carl Millöcker hat gemeinsam mit sechs Librettisten die Mätresse des Königs von Frankreich, Ludwig XV., als charmante Operettenfigur in die Theaterwelt gebracht. Diese einflussreiche Frau erhielt 40 Jahre später aber mit dem Kino ein weitaus größeres Podium. Man meint, dass man das Lied der Dubarry, das Millöcker ihr in den Mund legte, trotz des Stummfilms auch in ihm stets zu hören ist. Vielleicht haben 1919 und danach die Instrumentalisten im Kinosaal mit dieser Operettenmelodie den Stummfilm begleitet.
Die Biographie der Dubarry ist allemal wert, im Film gezeigt zu werden. Es ist die Geschichte vom Aufstieg eines kleinen Lehrmädchens zur Geliebten des französischen Königs, von seinen erotischen Abenteuern, vom Leben im Luxus und dem Ende auf dem Schafott während der Französischen Revolution.
Die Decla, in Babelsberg zu Hause, Vorgängerin der Ufa, drehte 1919 den Film unter anderem im Park Sanssouci. Ab heute, 13 Uhr, erinnern die Stadt Potsdam und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten am Obelisk-Portal in der Schopenhauerstraße an die Dreharbeiten für „Madame Dubarry“ in Sanssouci. Eine Fahne soll den „Filmschauplatz des Monats“ markieren. Diese monatlich sich wiederholende Aktion an verschiedenen Orten der Landeshauptstadt findet innerhalb des Themenjahres „Potsdam 2011 – Stadt des Films“ statt.
Die Journalistin Dorothee Goebeler erinnert sich in den 20er Jahren an die Kinostadt Potsdam. In ihr wurde bereits damals viel gefilmt, denn in der Stadt der Hohenzollern würde es „Ausland“ aller Arten geben: Russland, Holland, Italien, altes Frankreich. „Märchen und Wirklichkeit laufen hier zusammen“, schreibt die Autorin. „Wer zählt überhaupt all die ,Hintergründe‘ auf, die Potsdam bietet? Sie gehen tatsächlich ins Tausendfache. Sanssouci marschiert an der Spitze. In dem großen Film ,Madame Dubarry‘ sind wir ihm ja denn auch mehrfach begegnet, das preußische Versailles musste das französische ersetzen.“ Aufnahmen an den Originalschauplätzen Versailles und Paris konnten wegen der politischen Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg nicht stattfinden. So musste das friderizianische Sanssouci, das zwar nicht mit dem überbordenden barocken Pomp von Versailles aufwartete, für die historische Szenerie herhalten. Es waren erst einige Monate vergangen, als der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., in Folge der Novemberrevolution auch die Schlösser und Gärten von Sanssouci verlassen musste. Gedreht wurde vor allem in den Parkanlagen: obligatorische Spaziergänge, Schäferstündchen und politische Gespräche von Hofadligen unter vier Augen.
Ernst Lubitsch, der neben Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau zu den großen Regisseuren des 20. Jahrhunderts gehört, verpflichtete für seinen vierten Stummfilm die Stars Pola Negri und Emil Jannings in den Hauptrollen. „Madame Dubarry“ wurde zu einem der ersten deutschen Monumentalfilme mit einem Riesenaufwand an Ausstattung und der Mitwirkung tausender Statisten. „Ich versuchte, meine Filme zu ,entopern‘ und meine historischen Gestalten zu vermenschlichen. Ich nahm die intimen Einzelheiten ebenso wichtig wie die Massenbewegungen und versuchte, beide zu verbinden“, sagte der Regisseur, der ab 1922 in den USA lebte.
Die Kritik war von Lubitschs Film fast einhellig begeistert. So konnte man in der „Lichtbild-Bühne“ lesen: „Lubitsch ist nicht ein, sondern ,das‘ Genie der Film-Regie und zweifellos der Erste, den wir heute haben. Ob Freund, ob Feind, wer ‚Gräfin Dubarry‘ sieht, muss das zugeben.“ Die Presse Frankreichs lobte zwar das Können Lubitschs, doch dass die Deutschen kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges ein primär französisches Thema verfilmten, war dann doch zu viel des Guten. Man spottete: „Die graziöse und leichte Epoche Ludwig XV., erweckt durch die Herren vom Sauerkraut mit ihren kleinen runden Augen und ihren schweren Bäuchen!“ stimme nicht besonders fröhlich.
Die Dubarry kam 1951 in einer Neuverfilmung wieder auf die Leinwand. Georg Wildhagen, der Spezialist für Musikfilme bei der Defa („Die lustigen Weiber von Windsor“ und „Figaros Hochzeit“) drehte in einer westdeutschen Filmproduktionsfirma Millöckers Operettenversion. Auch das bekannte Lied der Mätresse „Was ich im Leben beginne, das mach‘ ich ganz“ hatte darin seinen Platz.
Madame Dubarry am 27. Februar, 18 Uhr, im Filmmuseum Potsdam
- Erster Weltkrieg
- Frankreich
- Kino
- Potsdam: Babelsberg
- Potsdam: Brandenburger Vorstadt
- Schloss Sanssouci
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: