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Kultur: Tempelverlag und Orient-Mission Zum 80. Todestag von Johannes Lepsius

Durch sein Engagement für die Armenier nahm er einen wichtigen Platz in der Geschichte ein. Der vor 80 Jahren verstorbene Pfarrer D.

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Durch sein Engagement für die Armenier nahm er einen wichtigen Platz in der Geschichte ein. Der vor 80 Jahren verstorbene Pfarrer D. Dr. Johannes Lepsius machte das Soziale, nicht das Politische, zu seiner dominanten Lebensmaxime, die ihm schon im Kaiserreich Kritik einbrachte.

Der Urenkel des Berliner Verlegers und Aufklärers Friedrich Nicolai studierte nicht nur Theologie, sondern auch Philosophie, Mathematik, Kunst- und Literaturgeschichte. 1887 übernahm er nach einer Tätigkeit als Lehrer und Hilfsprediger der deutschen Gemeinde in Jerusalem, wo er auch seine Frau kennen gelernt hatte, die Pfarrstelle in Friesdorf (Südharz). Das Ehepaar, vom Elend der Waldarbeiter- und Tagelöhnerfamilien ergriffen, engagierte sich für die Armen. Es gründete eine Teppichmanufaktur nach orientalischem Vorbild, damit die Frauen zum Lebensunterhalt beitragen konnten.

Interessiert an der Entwicklung des Christentums und seiner Kirchen im Orient gestalten Harzer Pfarrer mit ihren Gemeinden Missionsfeiern. 1895 wird die Deutsche Orient-Mission gegründet. Deren Wirkungsfeld ist nicht nur Armenien, sondern auch Russland, der Balkan und Persien.

Lepsius erhält 1895/96 Kenntnis von Massakern an Armeniern, die die deutsche Presse als „englische Lügen“ diffamiert. Getarnt als Teppichfabrikant reist Lepsius in die betroffenen Gebiete und gründet zwei Waisenhäuser. Die Webstühle aus Friesdorf lässt Lepsius dorthin transportieren.

1900 wurde in Berlin der Tempelverlag, ursprünglich als „Reich-Christi-Verlag“ nach der dort erscheinenden Zeitschrift genannt, gegründet und 1908 nach Potsdam verlegt. In einer Denkschrift im Tempelverlag berichtet Lepsius über die Gründung von drei Waisenhäusern, zwei Kliniken, einer Missionsdruckerei und eines Lehrerseminars sowie über vier Studienreisen durch Bulgarien, Anatolien, Hocharmenien, Russland, Persien, Kurdistan, Mesopotamien, Syrien und Ägypten, in denen er die Lage der mohammedanischen und christlichen Bevölkerung studierte. 1908 siedelte Lepsius mit seiner zweiten Frau Alice und seiner Familie nach Potsdam über, wo er 1909 ein „Muhammedanisches Seminar“ gründet.

Hatten sich die Beziehungen zwischen Türken und Armeniern nach dem Sturz des Sultans Abd el Hamid II. 1909 vorübergehend beruhigt, so flammten sie um so heftiger im Ersten Weltkrieg auf. Lepsius hatte 1915 die armenischen Gebiete bereist und erfolglos mit dem türkischen Kriegsminister Enver Hodscha verhandelt. Er verfasste die Denkschrift „Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei“, die im Tempelverlag erschien und von der Militärzensur verboten wurde.

Nach 1918 wurde Lepsius vom Auswärtigen Amt zur Mitarbeit in Armenienfragen herangezogen. Die Hilfsarbeiten vor Ort wurden von Vertretern neutraler Staaten weitergeführt.

Im Tempelverlag erschienen die Zeitschrift „Der Orient“ und „Deutschland und Armenien 1914-1918, diplomatische Aktenstücke“. Die Produktion des Tempelverlages war aber nicht auf die Armenienfrage beschränkt. Große Nachfrage und internationale Verbreitung in mehreren Auflagen fand „Das Leben Jesu“ von Lepsius in zwei Bänden, das z.B. den Lehrern von der Zeitschrift „Pädagogische Warte“ „ausdrücklich warm empfohlen“ wird. Lepsius“ Vielseitigkeit spiegelt sich in seiner Komödie „John Bull“.

Der Tempelverlag, die Orient-Mission und der Armenische Hilfsbund hatten ihren Sitz in der Potsdamer Roonstraße (heute Hans-Thoma-Straße) 13. Neben dem weiteren Ausbau der Lepsius-Gedenkstätte in der Großen Weinmeisterstraße sollte an diesem Haus eine Gedenktafel angebracht werden.

Wolfgang Tripmacker

Wolfgang Tripmacker

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