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Kultur: „Vater, habe ich es gut gemacht?“
„Das T:auma“: Der bedrückende Konflikt zwischen Friedrich dem Großen und seinem Vater in „Friederisiko“
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Es ist das Jahr des Königs. Zum 300. Jubiläum seiner Geburt ist Friedrich II. in Potsdam und Brandenburg das prägende Thema. Ob Konzert, Buchvorstellung, Theater oder Ausstellung, am berühmten Preußenkönig kommt man nur schwer vorbei. In den kommenden Wochen sollen an dieser Stelle die unterschiedlichen Facetten des Königs beleuchtet werden, der unter anderem auch Musiker und Philosoph, Kunstliebhaber und Dichter war.
Die Nachrichten, die uns vom Vater Friedrichs II., König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), erreichen, sind zwiespältig. Er war Sparsamkeitsfanatiker, Prügelfetischist und Wohlfahrtsbekenner. Er war durch und durch Soldat, schurigelte seine Untertanen, wandte sich energisch gegen die Leibeigenschaft oder gründete Manufakturen. Sein Schwager, der englische König Georg II., nannte ihn einen „königlichen Sergeanten“, Voltaire einen „Vandalen“, für andere Zeitgenossen war er ein „Exzerzierteufel“. Der Aufbau einer schlagkräftigen Armee und die sorgsame Pflege seiner „Langen Kerls“, des Potsdamer Garderegiments, waren ihm ein inneres und bevorzugtes Anliegen.
In der Ausstellung „Friederisiko“ findet man eine lederne Patronentasche mit den Initialen „CF“ (Cronprinz Friedrich). Für den dreizehnjährigen Jungen ließ der Vater eine vollständige Montur und Ausrüstung anfertigen. Drill und Gehorsam gehörten zum selbstverständlichen Erziehungsprogramm des Thronnachfolgers. Dabei interessierte den Vater nicht, wie der Sohn ist, sondern wie er werden sollte: ein tüchtiger Soldat, ein guter Christ und ein treusorgender Amtmann seines Staates. Der tiefe Konflikt zwischen Vater und Sohn wurde in den Kindheitstagen Friedrichs geboren.
Musik, Literatur und Philosophie lehnte Friedrich Wilhelm für sich ab. Nur was nützlich ist, sollte gefördert werden, so die Glas- und die Fayenceherstellung sowie die Goldschmiedekunst. Das Baugeschehen, vor allem in den Residenzstädten Berlin und Potsdam, unterstützte er großzügig. Das Geld wurde nicht für Schlossbauten verwendet, sondern für das Errichten von Bürgerhäusern in einheitlicher Typisierung. Das Holländische Viertel in Potsdams Innenstadt ist dafür ein beredtes Beispiel.
Auch der Malerei gegenüber war er nicht abgeneigt. Seinem Hofmaler Antoine Pesne, der schon zu Friedrichs I. Zeiten in Preußen tätig war, wurde das Gehalt zwar um die Hälfte gekürzt. Aber Pesne konnte trotz so mancher Entlassungen nach dem Tod des Vaters bleiben und unter anderen Porträts der königlichen Familie malen. Friedrich Wilhelm griff auch selbst zum Pinsel, vor allem in den dreißiger Jahren, um sich von seinen körperlichen Leiden abzulenken. Er kopierte Gemälde berühmter Maler wie Cranach, Rembrandt oder Rubens, malte sich selbst oder „Lange Kerls“. Der Kunsthistoriker Gerd Bartoschek schreibt über die Gemälde, dass sie „die Unbeholfenheit des Dilettanten und in ihrer Primitivität seine raue Seite“ zeigen. Die Ausstellung im Neuen Palais macht mit einer Arbeit Friedrich Wilhelms I. aus dem Jahre 1736 bekannt. Sie stellt den Kopf eines jungen Mannes in zwei Ausführungen auf einem Bild dar. Man nimmt an, dass es das Porträt des Kronprinzen Friedrich darstellt. Es wirkt fast, als ob es in unseren Tagen entstanden ist.
Im letzten Jahrzehnt seines Lebens lassen den König quälende Gedanken über seinen ältesten Sohn nicht zur Ruhe kommen: Warum lässt er sich so schwer nach meinem Bilde formen? Ist er überhaupt der richtige Thronfolger?
Er selbst, Friedrich Wilhelm, ist in eine Zeit hineingeboren worden, in der am Hofe seines Vaters, König Friedrich I., eine maßlose Verschwendungssucht an der Tagesordnung war. Geld spielte keine Rolle. Es war egal, woher es kam. Das Land verkam in Vergeudung und Günstlingswirtschaft.
Sohn Friedrich Wilhelm notierte schon als Kind aus eigenem Antrieb seine Ausgaben genau auf. Mittlerweile hasste er das unkontrollierte Geldausgeben am Hofe. Er nahm sich vor, dass nach seiner Thronbesteigung sich dieser Stil von Grund auf ändern werde. 1710 wurde er König von Preußen. Eine seiner ersten Handlungen war dann auch: der berühmt gewordene Strich durch den Etat, mit dem der Üppigkeit ein Ende gesetzt wurde. Daran hatte sich auch seine Familie zu halten. Königin Sophie Dorothea jedoch in Maßen. Nur sie durfte sich mit einem schwachen Glanz von königlichem Luxus umgeben. Doch Kronprinz Friedrich sollte so erzogen werden, dass er eines Tages als sparsamer König agieren könne.
Nur heimlich konnte der Kronprinz seinen Neigungen nachgehen: schöne Literatur lesen, auf der Flöte musizieren oder Latein lernen. „Die Absicht des Königs geht dahin, dass er nach seiner ihm beiwohnenden Inklination (Neigung) den Soldatenstand allen übrigen Wissenschaft vorziehe Man merkt aber gar augenscheinlich, dass diese Art zu leben wider des Kronprinzen Inklination und folglich just einen konträren Effekt mit der Zeit haben wird.“
Friedrich und auch seine Schwester Wilhelmine opponierten gegen die Erziehung des Vaters, die mit Prügeltiraden einherging. Unterstützung erfuhren sie von der Mutter, der Königin Sophie Dorothea. Gegenüber seinem Vorleser Henri de Catt sprach Friedrich 1758 über seine Beziehungen zum Vater: „Er hielt mich für einen menschlichen Teig, aus dem man formen könnte, was einem beliebte. Aber wie sehr täuschte er sich darin! Er tat alles, um einen Jäger aus mir zu machen, und ich wurde es nicht, so wenig, dass ich mich auf dem Stand, den man mir angewiesen hatte und an dem das Wild unfehlbar vorüber musste, mit Lesen beschäftigte und sowohl Hasen wie Hirsche entwischen ließ, ohne sie überhaupt gesehen zu haben.“
Im Sommer 1730 kam der schwere Konflikt zwischen Vater und Sohn zum Ausbruch: „Ich habe zu viel Ehrgefühl, um solche Behandlung länger zu ertragen!“, betont der Kronprinz. Eine Reise mit dem König nach Süddeutschland und an den Rhein wollte er dazu nutzen, sich den Herabsetzungen und Beschimpfungen des Vaters durch die Flucht nach Frankreich zu entziehen. Der Versuch wurde entdeckt, der Kronprinz verhaftet. Der König sah in dem Sohn nur den Deserteur, der sich unwürdig gemacht hat, noch länger Offizier seiner Armee zu sein. Auch das Recht zur Thronfolge wollte er ihm absprechen. Er forderte dessen Tod. Der konnte aber nur durch den zähen Widerstand des Kriegsgerichts verhindert werden. Friedrich wurde zu schwerer Festungshaft verurteilt. Doch seinen Freund und Flucht-Mitwisser Hans-Hermann von Katte konnten die Richter nicht retten. Der König befahl dessen Tod, weil es besser wäre, „dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme“. Am 6. November 1730 wurde Hans-Hermann von Katte vor den Augen des Kronprinzen in Küstrin enthauptet.
„Friederisiko“ zeigt ein Richtschwert aus dem 18. Jahrhundert, deren Authentizität in Sachen Vollstreckung des jungen Leutnants nicht nachgewiesen ist. Ein Ölbild des 26-jährigen Katte in der Uniform des Kürassier-Regiments Gens d’armes wurde in dessen Todesjahr von dem Maler Georg Lisiewski gemalt. Der Leutnant trägt den Johanniter-Orden, den ihn Friedrich Wilhelm I. bei der ersten Vernehmung abgerissen haben soll.
Der König und der Kronprinz haben später, kurz vor dem Tod Friedrich Wilhelms 1740, zu gegenseitiger Achtung gefunden. Friedrich wurde bekanntlich ein guter Soldat und Verwalter seines Staates. Während des Siebenjährigen Krieges, als König Friedrich II. um die Existenz Preußens rang, sollte es geschehen, so wird berichtet, dass er nachts, im Feldlager, aus dem Bett auffuhr und fragte: „Vater, habe ich es gut gemacht?“
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