Von Heidi Jäger: „Wir haben Bruno Ganz Mau Mau beigebracht“
Der HFF-Student Alexander Kasprik spielte mit beim „Vorleser“, Mutter Anne dreht derzeit an einer Wende-Komödie
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Dieser Anruf hat Alexander Kaspriks Leben gehörig durcheinandergewirbelt. Als seine Agentin ihm mitteilte, dass Stephen Daldry ihn für den nächsten Tag zum Vorsprechen einlädt, fiel bei ihm allerdings nicht gleich der Groschen. Erst als sie sagte, dass es der Regisseur von „Billy Elliot“ sei, raste sein Herz . „Das Casting war indes total entspannt. Wir haben ziemlich lange über das Buch, die Geschichte und über mich geredet, und in wieweit ich mich mit der Zeit des Nationalsozialismus auskenne“, denn es ging um keinen geringeren Film als „Der Vorleser“. Da Alexanders Vater, der Regisseur Oren Schmuckler, aus Israel stammt, war das für den jungen Schauspieler aus Kleinmachnow ein Thema, das ihn von klein auf begleitete, und zu dem er viele Bücher gelesen hatte.
Als er wieder in der S-Bahn saß, klangen die Worte Daldrys: „Wir melden uns“ dennoch floskelhaft nach. „Doch ich war kaum am Bahnhof Friedrichstraße angekommen, schon kam die Nachricht: ,Du bist dabei’.“ Danach nahm er sein Handy in Dauerbeschlag, um alle Freunde und die Familie zum Feiern einzuladen.
Allerdings fiel der Drehbeginn genau auf seinen Studienstart an der Filmhochschule Babelsberg. Doch auch von dort gab es grünes Licht: „Klar, logisch, mach’s“. Auch wenn er als Seminarist an der Seite von David Kross nichts weiter als einmal „Sorry“ sagt, war er doch an 15 Drehtagen dabei, gehörte fest zur Crew und bekam auch eine Großaufnahme. „Als es hieß: ,Wir gehen auf Alex’, dachte ich nur ,Oh Mann’.“ Er spielte mit in der Zeit der 60er Jahre, während sich die Verfilmung des Romans von Bernhard Schlink bis in die 90er erstreckt. „So hatte ich das Glück, auch mit Bruno Ganz drehen zu dürfen. Das war hammermäßig. Der kam in den Hörsaal der Charite, und es passte sofort. Man nahm ihm alles ab. Für ihn war keine zweite Klappe nötig.“ Für die jungen Schauspieler nahm sich Daldry indes viel Zeit. „Mit David Kross drehte er eine Szene 150-mal und der spielte sie in immer gleicher Intensität.“
Besonders überrascht war Alexander, dass die Verhörszene, in der Kate Winslet als ehemalige SS-Aufseherin befragt wird, gleich zweimal aufgenommen wurde. „Sie wiederholte gemeinsam mit Burghart Klaußner als Richter die ganze Szene, nur um uns im Auditorium als Anspielpartner zu dienen, und uns in die richtige Stimmung zu versetzen. Ich hätte nie gedacht, dass Hollywoodstars so etwas machen. Aber alle waren verdammt nett und keiner hatte Allüren.“ Stephen Daldry habe viel in der Gemeinschaft unternommen, um die Atmosphäre im Team zu halten. Sogar bowlen waren sie. „Und wir haben Bruno Ganz Mau Mau beigebracht“, so der 23-jährige Student.
Als sie sich zusammen im Berliner Nobelkino „Astor“ ihren Film das erste Mal zusammen anschauten, sagte Daldry, dass er unglaublich aufgeregt sei, ihn jetzt vor seinem Team zu zeigen. Und besonders freute sich Alexander über die Worte des englischen Regisseurs: „Ich bin verdammt glücklich, dass ich mit dieser Gruppe drehen durfte.“ Auch Kate Winslet habe sich bedankt. Sie sagte, dass sie noch nie so einen Zusammenhalt während der Drehzeit erlebt habe, wie bei dieser Koproduktion von Studio Babelsberg.
Es war nicht das erste Mal, dass Alexander Kasprik mit Stars auf Tuchfühlung ging. Er war gerade mal acht Jahre, als ihn seine Mutter Anne Kasprik mit nach Amerika nahm. Dort sollte die Schauspielerin an der Seite von Terence Hill und Bud Spencer in den Film „Die Troublemaker“ mitspielen. „Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht mal, wer der Dicke und wer der Dünne war.“ Und nun sollte sie eine Tierärztin aus Berlin spielen, in die sich der wasserblauäugige Terence verliebt. Ähnlich wie ihr Sohn geriet auch sie damals nach dem Anruf ihrer Agentin völlig aus dem Häuschen. „Ich habe in dieser Zeit vor Aufregung fürchterlich viel abgenommen.“ Der schon Set-erfahrene Alexander, dessen Helden während der Dreharbeiten der Mutter meist die Beleuchter waren, stand nun zwischen Cowboys und Indianer. Und vor allem neben seinem Idol Bud Spencer. Drei mal so breit und doppelt so groß wie er, wie noch heute ein Foto beweist.
Dass Alexander irgendwann selbst beim Film landen würde, war fast vorgezeichnet, zumal auch Großvater Hans-Joachim Kasprik nicht nur für „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ sorgte und für die Feuchtwanger-Verfilmung „Die Brüder Lautensack“ die Regiefäden zog. „Schauspieler wollte ich nicht werden, weil ich dachte, dass Texte auswendig lernen, zu anstrengend ist.“ Doch nachdem er alle möglichen Praktika durchlaufen hatte, in Regie, Produktion und Kamera, landete er dann doch in der Darstellerriege. Und lernt heute die Texte beim Musikhören fast nebenbei. Schon mit 15 Jahren spielte er serienweise „Hinter Gittern“, war für drei Jahre der Sohn einer Prostituierten.
Nicht, weil seine richtige Mutter Anne so ehrgeizig war und ihren Sohn unbedingt auch beim Fernsehen sehen wollte. Nein, er machte sich ohne zu fragen auf den Weg zum Casting – und überzeugte. Heute ist Anne Kasprik einfach nur stolz, wie sich Alex durch die Dreharbeiten zum „Vorleser“ und vor allem durch das Studium entwickelt hat, und immer wieder freuen sich beide über die Parallelen in ihrem Leben.
So wie damals Anne Kasprik am Hans Otto Theater in „Morgen war Krieg“ oder „Frau Jenny Treibel“ erste Bühnenerfahrungen sammelte, stand Alexander im „Hölderlin“ dort 2008 das erste Mal im Rampenlicht. Ja, sogar die gleichen Autoren sind es, die Alex wie zuvor seine Mutter im Studium durchnimmt. „Iwan Turgenjew oder Tennessee Williams waren auch schon bei mir an der Busch-Hochschule angesagt.“ Die zeigte sich damals allerdings nicht so kooperativ wie die HFF, als ihr die Hauptrolle in dem Film „Einzug ins Paradies“ angeboten wurde. Diese Rolle war für die Kleinmachnowerin der Türöffner. Und bis heute ist Anne Kasprik trotz Wende erfolgreich im Geschäft, vor allem im kriminellen. Sie war im „Einsatz für Lohbeck“ die erste Wasserschutzpolizistin und ermittelte sieben Jahre in der Krimiserie „Berlin Abschnitt 40“. Die ihr dafür verliehene Goldene Kamera steht heute neben dem Foto vom strahlenden Trio Spencer, Hill, Kasprik an einem stillen Ort: auf der Ablage in der Toilette.
Nachdem sie fast immer dramatische Frauenrollen spielte, freut sie sich jetzt über ihre Suse Linda Pelikan in der Liebeskomödie „Romeo und Jutta“ an der Seite von Wolfgang Stumph und Katja Riemann. Diese Mauerfall-Geschichte wird im Herbst in der ARD zu sehen sein.
Ständig kreisen die Gespräche am großen Familientisch der Kaspriks um das Thema Film. Und natürlich gibt es auch Tipps von Regievater und Schauspielermutter an den Sohn. Doch nur auf Nachfrage. Dafür kann Alex von seinen Erfahrungen an der Seite von Oscar-Preisträgern berichten. „Das kann ich nicht aufbieten“, sagt Anne Kasprik. „Ach doch“, korrigiert sie sich lachend: Der Regisseur von „Spielzeugland“ Jochen Alexander Freydank war schließlich Produzent der Serie „In aller Freundschaft“, in der sie auch mitspielte. Und wer weiß, vielleicht klingelt schon Morgen das Telefon, und bringt wieder einmal ihr Leben durcheinander, das von Mutter oder Sohn.
„Der Vorleser“ zu sehen 19.45 Uhr im UCI und 21.15 Uhr im Thalia.
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