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Potsdam-Mittelmark: Backschweine und Wodka

Am Seddiner See treffen sich derzeit die Bioland-Bauern – gestern ging es um die drohende Bio-Konkurrenz aus Osteuropa

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Seddiner See - Die sibirischen Temperaturen ist er gewohnt. Schließlich ist Biobauer Bernd Schulz gerade erst aus Russland zurückgekommen. Vor zwei Jahren ist der Schweinezüchter aus dem Hohen Fläming in den Osten gezogen – begleitet von seiner Lebensgefährtin, 80 Sauen und sechs Ebern. „Ich habe dort für einen Investor einen Bio-Hof aufgebaut“, erzählte der 52-Jährige gestern am Rande der Wintertagung des Bioland-Verbandes in der Heimvolkshochschule am Seddiner See. Schulz ist einer von derzeit 95 Landwirten aus Berlin und Brandenburg, die nach den Regeln des Bioland-Verbandes arbeiten.

Das Thema Osteuropa stand bei den Biobauern gestern auch offiziell auf dem Tagungs-Programm: Unter dem Titel „Konkurrenz oder Chance?“ berichtete Christoph Arndt, Mitarbeiter des auf Osteuropa spezialisierten Vereins EkoConnect, über den Bio-Markt in Polen, dem Baltikum und der Ukraine.

Besonders die Ukraine gilt in der deutschen Bio-Branche als drohender Konkurrent. Nicht von ungefähr, wie Arndt erklärte: So werde in der Ukraine derzeit eine Fläche von 275 000 Hektar bio-bewirtschaftet. Damit kommt das osteuropäische Land immerhin auf knapp die Hälfte der Öko-Flächen in Deutschland. Und der Abstand schmilzt noch weiter zusammen, wenn man sich nur die mit Bio-Getreide bebauten Flächen anschaut: 135 000 Hektar in der Ukraine stehen dann 188 000 Hektar in Deutschland gegenüber.

Dennoch gab Arndt Entwarnung vor ernsthaften Konkurrenzbedenken: Denn deutsche Bio-Verbraucher legten Wert auf Regionalität und Frische. Das treffe insbesondere auf diejenigen zu, die Bio nicht im Billig-Discounter, sondern im Biofachhandel kaufen – und diese Gruppe stehen laut Arndt für 68 Prozent der deutschlandweiten Bio-Umsätze. Außerdem sei das Verbraucher-Vertrauen in Bio aus anderen Ländern denkbar gering: Vertrauten 85 Prozent in deutsche Bio-Waren, sind es bei Bio-Waren aus Polen gerade mal 14 Prozent, bei China verschwindende vier Prozent. Die Skepsis gegenüber Nicht-EU-Ländern wie der Ukraine sei nicht unbegründet, betonte Arndt: Dort gebe es derzeit noch viel seltener unangekündigte Kontrollen, „fast gar keine“ chemischen Analysen und lockerere Bestimmungen etwa für die Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf Bio.

Alle Bedenken konnte Arndt damit bei den Bioland-Bauern allerdings nicht ausräumen: „Die Konkurrenz kommt ja nicht nur aus Osteuropa, sondern auch aus Dänemark oder der Schweiz“, meinte etwa Landwirt Heinz Richter, 1991 Mitgründer des brandenburgischen Bioland-Verbandes. Er hält derzeit 80 Rinder auf seinem Hof in Schlalach (Mühlenfließ) und baut zusätzlich auf rund 100 Hektar Roggen und Futtergetreide an. In Deutschland sei das Preisniveau zu niedrig, das Kostenniveau dagegen zu hoch, klagt er: „Arbeit habe ich genug, aber ich kann mir nur einen Mitarbeiter leisten.“

Mehr Unterstützung vom Landwirtschaftsministerium wünschen sich die Biobauern, wie die Landesverbandsvorsitzende Heike Kruspe den PNN sagte: „Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Brandenburg eine geringe Ökoförderung.“ Das erste Gespräch mit der Landwirtschaftsministerin Jutta Lieske (SPD) stehe allerdings noch bevor.

Rückkehrer Bernd Schulz will den Spieß indes umdrehen und seine Osterfahrung jetzt beim Neustart als Chance nutzen: Mit seiner „Backschwein-Tenne“ möchte er gezielt auch gutverdienende Osteuropäer nach Gömnigk (Brück) locken: „Bio-Schwein rustikal im Ofen gebacken und Wodka dazu, so was kommt bei denen gut an“, glaubt er. 29 Schweine hat seine neue Zucht bereits: „Ich will aufstocken auf 120 Sauen.“ Jana Haase

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