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Von Heinz-Peter Dietrich: Ein erstes Schnitzel nach zwölf Jahren Wie die „Waldfrau“ aus Belzig überlebte

Bern/Belzig - Zwölf Jahre war sie verschwunden. Jetzt steht die Frau aus Brandenburg, die in einem Waldstück der Gemeinde Bolligen bei Bern entdeckt wurde, im Rampenlicht - und das passt ihr nicht.

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Bern/Belzig - Zwölf Jahre war sie verschwunden. Jetzt steht die Frau aus Brandenburg, die in einem Waldstück der Gemeinde Bolligen bei Bern entdeckt wurde, im Rampenlicht - und das passt ihr nicht. „Weil ich so was um meine Person eigentlich nicht mag“, sagte die hagere 52-Jährige dem Regionalsender Telebärn. Die „Waldfrau“, wie sie die Schweizer Medien nennen, war am Mittwoch von ihrer Schwester abgeholt und nach Deutschland zurückgebracht worden.

Sie hatte rund ein Jahr in dem Waldstück in einer Erdhütte aus Planen und einem dürftigen Schlafsack gelebt. Seit Februar 1997 galt die damals 40-Jährige aus Belzig als vermisst. Die Polizei Bern berichtete über Aussagen, nachdem sich die Frau jahrelang bereits in Wäldern in Italien, Frankreich und der Schweiz aufgehalten habe, nachdem sie ihre Familie – darunter zwei erwachsene Kinder – verlassen hatte. Hilfe habe sie immer abgelehnt. Auf die Frage, wie sie sich ernähre, antwortete sie: „Mit Gottes Hilfe“.

Bürgermeister Rudolf Burger bestätigte, dass sie gesagt habe, ihr Vater sei Förster gewesen. Deshalb zog es sie offenbar in den Wald. Über Österreich kam sie zufällig in das Grauholz, wie das Waldstück heißt, bei Bolligen. Aus dieser Gemeinde mit etwas über 6000 Einwohnern wurde sie teilweise wohl auch mit Lebensmitteln versorgt, wie Medien berichteten. „Ich bin ja nicht ständig im Wald gewesen“, sagt sie dazu dem Sender Telebärn. Sie bekam auch an einer Autobahnraststätte etwas zugesteckt und bummelte sogar durch Bolligen. „Aber irgendwo muss man sich ja zur Ruhe begeben.“ Für sie sei das keine Belastung gewesen. Einzelheiten ihrer Überlebenskunst gibt sie aber kaum preis. „Die Leute in der Schweiz sind sehr freundlich, wenn man sie lieb nach etwas fragt“, sagte sie lediglich.

Die „Berner Zeitung“ berichtete am Donnerstag, sie habe sich im Restaurant „Sternen“ zum ersten Mal nach zwölf Jahren ein Schnitzel bestellt. Dann organisierte der Bürgermeister unter Ausschluss der zahlreichen Reporter ein erstes Familientreffen im Gasthof „Alpenblick“, wo die „Waldfrau“ ihre jüngere Schwester traf. Sie seien in der Familie davon ausgegangen, dass ihre Verwandte tot sei, sagte sie immer noch fassungslos. „Meine persönliche Mission ist beendet“, sagte die 52-Jährige nun, ohne ihre Worte zu erklären. „Ich gehe mit ihr (der Schwester) zurück nach Deutschland.“ Dort freue sie sich darauf, mal wieder ins Theater oder in eine Galerie zu gehen, berichtet die „Berner Zeitung“.

Nach dem Zeitungsbericht hat die „Waldfrau“ ihren Unterschlupf im Wald sauber verlassen und sogar die Zigarettenstummel der Journalisten eingesammelt. Als Toilette hätten ihr die Säckchen für Hundekot gedient, die es überall in der Schweiz gibt. dpa/wh

Heinz-Peter Dietrich

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